Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnungswirtschaftliche Verwendung von Altersvorsorgevermögen. Reichweite und Auslegung des Begriffs der Unmittelbarkeit im Sinne von § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine schädliche Verwendung geförderten Altersvorsorgevermögens liegt vor, wenn die Entnahme nicht für eine wohnungswirtschaftliche Verwendung im Sinne von § 92a EStG erfolgt.

2. Das Unmittelbarkeitserfordernis gemäß § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist nur auf die Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung, nicht hingegen auf die Tilgung eines zu diesem Zweck aufgenommenen Darlehens zu beziehen.

 

Normenkette

EStG § 92a Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 94 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 16.02.2022; Aktenzeichen X R 26/20)

 

Tenor

Der Bescheid vom 7. Mai 2018 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 21. September 2018 wird aufgehoben.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rückforderung infolge einer schädlichen Verwendung von gefördertem Altersvorsorgevermögen.

Die Klägerin hat bei der B… GmbH [Anbieterin] unter der Vertragsnummer … einen zertifizierten Altersvorsorgevertrag [Altersvorsorgevertrag] abgeschlossen.

Zur Tilgung eines für die Anschaffung einer Wohnung im Sinne von [i.S.v.] § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes [EStG] aufgenommenen Darlehens beantragte die Klägerin mit Schriftsatz vom 4. März 2015 die Bewilligung der Entnahme von Kapital aus dem Altersvorsorgevertrag zur wohnungswirtschaftlichen Verwendung. Da nach der Darlehensvereinbarung keine regulären Raten zu leisten seien, jedoch Sondertilgungen erbracht werden könnten, beantragte die Klägerin die Bewilligung der Entnahme von jeweils 3.450 EUR für die Sondertilgung der Jahre 2015, 2016 und 2017. Dem Antrag war der Darlehensvertrag beigefügt, wonach einmal jährlich die Möglichkeit einer kostenfreien Sondertilgung von maximal 5% der Darlehenssumme (69.000 EUR * 5% = 3.450 EUR) bestehe. Sondertilgungen, die in den Vorjahren nicht erbracht worden seien, könnten nach der Darlehensvereinbarung nicht nachgeholt werden. Ebenso sei das Vorziehen von Sondertilgungen späterer Jahre vereinbarungsgemäß nicht möglich.

Mit Bescheid vom 15. Juni 2015 bewilligte die Beklagte die Verwendung des geförderten Kapitals aus dem Altersvorsorgevertrag für die Sondertilgungen der Jahre 2015, 2016 und 2017 in Höhe von [i.H.v.] insgesamt 10.350 EUR. Die Beklagte wies die Klägerin mit diesem Bescheid darauf hin, dass der Entnahmevorgang und die wohnungswirtschaftliche Verwendung in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang erfolgen müssten.

Der unmittelbare zeitliche Zusammenhang sei bei einer noch beabsichtigten Tilgung nur dann gegeben, wenn die Tilgung innerhalb von 12 Monaten nach der – gegebenenfalls [ggf.] ersten – Kapitalauszahlung vorgenommen werde. Werde dieser Zeitraum nicht eingehalten und würden damit die Voraussetzungen der unmittelbaren wohnungswirtschaftlichen Verwendung nicht erfüllt, könnten die Folgen der schädlichen Verwendung eintreten. Der Bescheid erging unter der auflösenden Bedingung, dass die Klägerin der Beklagten die wohnungswirtschaftliche Verwendung des entnommenen geförderten Altersvorsorgevermögens nachweist.

Die Auszahlung des geförderten Kapitals an die Klägerin durch die Anbieterin erfolgte am 9. Juli 2015.

Aus dem ausgezahlten Kapital leistete die Klägerin die Sondertilgungen für die Jahre 2015 bis 2017 (für 2015 am 14. Juli 2015; für 2016 am 3. Februar 2016; für 2017 am 12. Juni 2017) i.H.v. insgesamt 10.350 EUR.

Mit Bescheid vom 17. August 2017 stellte die Beklagte die teilweise Unwirksamkeit des Bescheids über die Entnahme des Altersvorsorge-Eigenheimbetrages vom 15. Juni 2015 rückwirkend zum Zeitpunkt dessen Erlasses wegen des Eintritts der mit dem Bescheid vom 15.Juni 2015 verbundenen auflösenden Bedingung fest. Da die Sondertilgung für das Jahr 2017 erst am 12. Juni 2017 erfolgt sei, sei kein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang gegeben, weshalb insoweit eine schädliche Verwendung vorliege. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein, der mit Einspruchsentscheidung vom 10. Januar 2018 als unbegründet zurückgewiesen wurde.

Mit Bescheid vom 7. Mai 2018 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin den Rückzahlungsbetrag nach § 94 Abs. 2 EStG i.H.v. 1.641,05 EUR fest, da die teilweise Unwirksamkeit des Bescheides vom 15. Juni 2015 über die Entnahme des Altersvorsorge Eigenheimbetrages durch Bescheid vom 17. August 2017 festgestellt worden sei und insoweit eine schädliche Verwendung vorliege.

Der hiergegen am 25. Mai 2018 eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 21. September 2018 als unbegründet zurückgewiesen. Wiederholend und...

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