Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit eines Antrags nach § 69 Abs. 3 FGO gegen eine Zwangsgeldandrohung bei Bestandskraft der darauf beruhenden Zwangsgeldfestsetzungen. Begründungspflicht des FA hinsichtlich der Höhe einer Zwangsgeldandrohung von 1.000 EUR je ausstehende Steuererklärung, Gewinnermittlung und Umsatzsteuer-Voranmeldung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass ein Antrag auf finanzgerichtliche Aussetzung der Vollziehung von Zwangsgeldandrohungen auch dann noch zulässig ist, wenn bereits Zwangsgeldfestsetzungen ergangen und zwischenzeitlich in Bestandskraft erwachsen sind. Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt insoweit nicht, weil die Zwangsgeldfestsetzungen nach § 130 Abs. 1 AO änderbar sind und eine Aussetzung der Vollziehung der Zwangsgeldandrohung bzw. ihre Aufhebung im Hauptsacheverfahren jedenfalls Anlass zur Überprüfung der Zwangsgeldfestsetzung im Änderungsverfahren gibt (gegen FG Hamburg, Beschluss v. 29.10.2009, 3 K 204/09; Anschluss an Sächsisches FG, Beschluss v. 31.3.2010, 8 V 2120/09).

2. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohungen infolge jahrelanger Nichtabgabe von Steuererklärungen und Umsatzsteuervoranmeldungen gegen einen Steuerpflichtigen, der jährliche Umsätze von ca. 130.000,00 EUR bzw. jährliche Gewinne von ca. 12.000,00 EUR, also unwesentlich über dem Existenzminimum, erzielt hat, wenn die Finanzbehörde nicht ihre Ermessensausübung dahin begründet hat, warum sie die Festsetzung von Zwangsgeldern in einer Höhe von jeweils 1.000 EUR je Steuererklärung, Gewinnermittlung und Umsatzsteuer-Voranmeldung angedroht hat. Es erscheint naheliegender, dass angesichts der Fülle der vom Steuerpflichtigen begehrten Handlungen bereits deutlich niedrigere Beträge die beabsichtigte Zwangswirkung ausgeübt hätten.

 

Normenkette

FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1, § 102; AO §§ 130, 332 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2, § 121 Abs. 1, §§ 127, 5

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 29.05.2019; Aktenzeichen VII B 10/19)

 

Tenor

Die Vollziehung des Bescheids über Zwangsgeldandrohungen vom 09.01.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.06.2018 wird aufgehoben, soweit diese nicht die Einreichung der Erklärungen zur Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer 2013 sowie die Gewinnermittlung 2013 betreffen.

Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller zu 10 % und dem Antragsgegner zu 90 % auferlegt.

Die Beschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darum, ob der Antragsgegner in rechtmäßiger Weise Zwangsgelder gegenüber dem Antragsteller angedroht hat.

Der Antragsteller betreibt eine Pension.

Im Dezember 2017 lagen seine Steuererklärungen nur bis einschließlich 2010 vor und noch keine Umsatzsteuer-Voranmeldung für 2017.

Daher drohte der Antragsgegner mit Verfügung vom 13.12.2017 (zugestellt am 14.12.2017) die Festsetzung von Zwangsgeldern in Höhe von jeweils 1.000,00 EUR je Erklärung, Gewinnermittlung und Umsatzsteuer-Voranmeldung an, wenn der Antragsteller die ausstehenden Erklärungen usw. nicht bis zum 03.01.2018 elektronisch beim Antragsgegner einreiche. Dabei waren die Androhungen auf einem Blatt Papier, nach Zeilen einer Tabelle gesondert abgedruckt. Auf die Aktenausfertigung (Bl. 1 Zwangsgeldakte – ZA –) wird Bezug genommen.

Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller am 02.01.2018 Einspruch ein und wandte ein, innerhalb der kurzen gesetzten Frist sei es unmöglich, die offenen 7 Jahre abzuarbeiten. Die Versäumnisse hätten daraus resultiert, dass der Antragsteller ursprünglich beabsichtigt habe, die Buchführung selbst zu erledigen, was sich jedoch als unrealistisch herausgestellt habe. Er schlug vor, die Fristsetzungen gestaffelt mit Ablaufdaten zwischen dem 31.01.2018 und dem 30.06.2018 vorzunehmen. Ferner rügte er, dass die Androhungen nicht mit gesonderten Verwaltungsakten erfolgt seien und beantragte die Aussetzung der Vollziehung.

Mit Verfügung vom 09.01.2018 änderte der Antragsgegner die Androhung dahin gehend ab, dass er die Fristvorschläge des Antragsstellers übernahm.

Nachdem dieser daraufhin weiterhin die angeforderten Erklärungen usw. nicht beim Antragsgegner eingereicht hatte, setzte der Antragsgegner mit Verfügung vom 09.02.2018 (zugestellt am 10.02.2018) Zwangsgelder für die Steuererklärungen 2013 und die Umsatzsteuer-Voranmeldungen 2017 in Höhe von 14.000,00 EUR fest, wogegen der Antragsteller mit Schriftsatz vom 09.03.2018 am Mittwoch, dem 14.03.2018, ebenfalls Einspruch einlegte und um die Gewährung großzügigerer Fristen zwischen dem 31.03.2018 und dem 13.12.2018 bat. Der Beklagte sah diesen Einspruch als verspätet an und verwarf ihn nach Anhörung des Antragstellers mit Einspruchsentscheidung vom 25.05.2018 als unzulässig (Bl. 38 ZA).

Am 09.03.2018 (zugestellt am 15.03.2018) setzte der Beklagte weitere Zwangsgelder wegen der Steuererklärungen 2014 und am 11.04.2018 (zugestellt am 12.04.2018) wegen der Steuererklärungen 2015 in Höhe von jeweils 4.000,00 EUR fest, wogegen der Kl...

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