Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Aufzeichnungen eines Kebab-Imbisses bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG. Schätzungsbefugnis des Finanzamts bei Rechnungssplitting. Schätzung auf Basis des im Verhältnis zu den Steuererklärungen des Steuerpflichtigen verdoppelten Wareneinsatzes

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung im Sinne von § 4 Abs. 3 EStG ist § 146 AO– der nur für steuerlich Buchführungspflichtige gilt – nicht anwendbar. Es besteht folglich keine Pflicht gemäß § 146 Abs. 1 Satz 2 AO, ein Kassenbuch zu führen. Allerdings muss ein Steuerpflichtiger auch im Fall der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG seine Betriebseinnahmen und – ausgaben – sei es durch entsprechende Aufzeichnungen einschließlich Belegsammlung oder im Wege einer geordneten Belegablage – so festhalten, dass die Finanzbehörde diese auf Richtigkeit und Vollständigkeit überprüfen kann.

2. Erfasst der Steuerpflichtige seine Tageseinnahmen in einer Summe, muss er das Zustandekommen der Summe – bspw. durch einen Kassenbericht – auch nachweisen können und zudem auch für die Ertragsteuern die Aufzeichnungspflichten nach § 22 Abs. 2 Nr. 5 UStG sowie § 63 Abs. 1 UStDV einhalten.

3. Das bloße Aufschreiben des täglichen (Gesamt-)Umsatzes ohne Aufbewahrung weiterer Belege genügt den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Buchführung auch beim Einnahmenüberschussrechner nicht – und das Finanzamt ist somit zur Schätzung berechtigt –, wenn die alleinigen gesamtsaldierten Tagesaufzeichnungen der Einnahmen es nicht zulassen, dass sich ein sachverständiger Dritter innerhalb einer angemessenen Zeit einen Überblick verschafft. Das gilt insbesondere, wenn unter anderem die aufgezeichneten Tageseinnahmen eines Kebab-Imbisses sich unabhängig von Wochentag, Ferien- und Urlaubszeit immer in einem engen betragsmäßigen Rahmen (hier: zwischen 390 EUR und 520 EUR) bewegen, jeweils auf 10 EUR gerundet wurden, der Bestand der Kasse nicht täglich ermittelt wurde, somit keine Kassensturzfähigkeit gewährleistet war, zudem alle Kassenstreifen oder Z-Bons der später verwendeten Registrierkasse vernichtet wurden und wenn ferner die Angaben des Imbiss-Inhabers mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sachlich unrichtig sind, weil er Schwarzeinkäufe hinsichtlich des Kebabfleisches getätigt und die Nichtberücksichtigung der sich daraus ergebenen Einnahmen eingeräumt hat.

4. Wurde nach den nicht widerlegten Feststellungen der Steuerfahndung Dönerfleisch von einem Lieferanten in einem Umfang von rd. 29 % bis 46 % ohne Rechnungsstellung „schwarz” erworben (Rechnungssplitting) und gibt es auch zahlreiche konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger auch von weiteren Fleischlieferanten (teils) nicht verbuchte Ware bezogen hat und auch andere Warengruppen (teils) schwarz eingekauft worden sind, so ist es nicht zu beanstanden, wenn das Finanzamt bei seiner Schätzung den gesamten erklärten Wareneinsatz des Klägers verdoppelt und hiervon ausgehend unter Anwendung eines Rohgewinnaufschlagsatzes von 238 % die Umsätze des Klägers geschätzt hat; eine Verdoppelung des Wareneinkaufs erscheint dem Senat angesichts der im Streitfall nicht weiter aufklärbaren Umstände als schlüssig und wirtschaftlich vertretbar.

 

Normenkette

AO § 146 Abs. 1 S. 2, § 162 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 2 S. 2, § 370 Abs. 1 Nr. 1; UStG § 22 Abs. 2 Nr. 5; UStDV § 63 Abs. 1

 

Tenor

– in dem Verfahren 1 K 1070/19

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

– in dem Verfahren 1 K 1174/19

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

– in dem Verfahren 1 K 156/20

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
 

Tatbestand

Streitig sind für die Kalenderjahre 2008 bis 2017 (Streitjahre) Hinzuschätzungen und als deren Folge die Höhe des Gewerbesteuermessbetrages für 2018 für die Zwecke der Vorauszahlungen.

1. Der verheiratete Kläger hat vier Kinder.

Er betrieb seit 18. Juli 2008 einen Kebab-Imbiss. Bereits zuvor (ab dem Jahr 2005) war er Inhaber eines anderen Kebab-Imbisses.

Der Kebab-Imbiss hatte die ganze Woche von 11 bis 23 Uhr (auch an Sonn- und Feiertagen) ganzjährig geöffnet. Es waren zwei Mitarbeiter in Vollzeit angestellt. Im Innenraum befanden sich Tische mit 20 bis 25 Sitzplätzen; auf der Terrasse waren drei weitere Tische mit 12 bis 15 Sitzplätzen vorhanden. Der Kebab-Imbiss lag an einem Kino und war fußläufig (ca. 100 m) von einem Gymnasium zu erreichen. In den Jahren 2008 bis 2016 hatte der Kläger eine offene Ladenkasse. Seit Anfang 2017 verwendete er eine elektronische Kasse der Marke Casio (Aktenvermerk, Bp-Akte, Band II, Bl. 23).

Zum 30. November 2018 meldete der Kläger sein Gewerbe aufgrund einer Betriebsaufgabe ab und begründete dies mit einer „Übergabe wegen Verkauf/Verpachtung” (GewSt-Akte, Bl. 45).

Der Kebab-Imbiss wurde u.a. von einer Firma A GmbH mit Dönerspießen beliefert.

2. Der Kläger wurde in den Streitjahren beim Finanzamt (FA) B zu Einkommensteuer veranlagt. Da der Kläger de...

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