Leitsatz

Dem EuGH werden zur Vorabentscheidung folgende Rechtsfragen vorgelegt:

1. Stellt es einen Abzug von der Quelle i.S.v. Art. 5 Abs. 1 der RL 435/90/EWG des Rats vom 23.7.1990 (ABlEG Nr. L 225, 6, berichtigt ABlEG Nr. L 266, 20) über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (Mutter/Tochter-RL, nunmehr Art. 5 i.d.F. der RL 2003/123/EG vom 22.12.2003, ABlEG 2004 Nr. L 7, 41) dar, wenn das nationale Recht vorschreibt, dass bei der Ausschüttung von Gewinnen durch eine Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft Einkünfte und Vermögensmehrungen der Kapitalgesellschaft besteuert werden, die nach nationalem Recht nicht besteuert würden, wenn sie bei der Tochtergesellschaft verblieben und nicht an die Muttergesellschaft ausgeschüttet würden.

2. Falls die erste Frage verneint wird: Ist es mit Art. 73b und 73d EGV (bzw. Art. 56 und 58 EG) sowie Art. 52 EGV (bzw. Art. 43 EG) vereinbar, wenn eine nationale Regelung die abweichende Verrechnung der Gewinnausschüttung einer Kapitalgesellschaft mit Eigenkapitalanteilen dieser Gesellschaft mit der Folge einer dadurch ausgelösten steuerlichen Belastung auch in Fällen vorsieht, in denen die Kapitalgesellschaft nachweist, dass sie an gebietsfremde Anteilseigner Dividenden ausgeschüttet hat, obwohl ein solcher Anteilseigner nach nationalem Recht anders als ein gebietsansässiger Anteilseigner nicht berechtigt ist, die festgesetzte KSt auf seine eigene Steuer anzurechnen.

 

Normenkette

Art. 52, Art. 73b, Art. 73d EGV, Art. 43, Art. 56, Art. 58; Art. 5 Abs. 1 EG EWGRL 435/90, § 28 Abs. 4 KStG 1996

 

Sachverhalt

Anteilseigner der Klägerin, einer GmbH, waren in den Streitjahren 1996 und 1997 zu gleichen Teilen eine niederländische sowie eine deutsche Kapitalgesellschaft, die in den Niederlanden ansässige BV und die in der Bundesrepublik ansässige Holding GmbH (Holding).

Nach Durchführung einer Außenprüfung setzte das FA die zum 31.12.1997 gegen die Klägerin festgestellten Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals (vEK), die ungemildert der KSt unterlegen haben, das sog. EK 45, von 6.049.925 DM auf 4.915.490 DM herab.

Da das ursprüngliche EK 45 in voller Höhe für Gewinnausschüttungen der Streitjahre verwendet worden war, verrechnete das FA gem. § 28 Abs. 4 KStG 1996 die nach Herabsetzung nicht mehr durch tariflich belastetes vEK gedeckten Ausschüttungen mit Eigenkapital i.S.d. § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG 1996 (EK 02), wodurch sich für beide Streitjahre Erhöhungen der KSt ergaben. Gegen die geänderten KSt-Bescheide und die Bescheide über die Feststellungen nach § 47 Abs. 2 KStG 1996 erhob die Klägerin Klage, mit der sie sich insoweit gegen die Anwendung des § 28 Abs. 4 KStG 1996 wandte, als die Gewinnausschüttungen an die BV mit dem EK 02 verrechnet worden waren. Die Verrechnung entspreche nicht dem Sinn und Zweck der Vorschrift.

Die dagegen gerichtete Klage war erfolgreich (EFG 2005, 1470).

 

Entscheidung

Alles Nähere zu der BFH-Entscheidung, die Sache an den EuGH heranzutragen, ergibt sich aus den Praxis-Hinweisen.

 

Hinweis

Das Vorabentscheidungsersuchen an den BFH betrifft das "alte" (bis 1999 geltende) KSt-Anrechnungsverfahren und ist insofern nur noch von begrenzter (s. dazu unten unter 6.) aktueller Aussagekraft.

1. Es geht um eine Besonderheit des KSt-Gliederungsrechts:

a) Bei Ausschüttungen aus dem sog. EK 01 und EK 03 war hiernach im Grundsatz die Ausschüttungsbelastung herzustellen, was für die ausschüttende Kapitalgesellschaft gemeinhin eine KSt-Belastung von 3/7 ausmachte.

b) In welcher Reihenfolge das Eigenkapital für Ausschüttungen als verwendet galt, unterlag nicht dem Belieben der Kapitalgesellschaft, sondern war in § 28 Abs. 3 i.V.m. § 30 KStG 1996 vorgeschrieben: Zuerst galt das mit KSt belastete, danach das unbelastete vEK als für die Ausschüttung verwendet. Innerhalb des unbelasteten vEK galt zunächst das EK 01, sodann EK 02, EK 03 und schließlich EK 04 als verwendet.

c) Eine Ausnahme von dieser regelmäßigen Verwendungsreihenfolge schrieb § 28 Abs. 4 KStG 1996 für die Fälle vor, in denen zunächst Teilbeträge des vEK i.S.v. § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 oder 2 KStG 1996, also Teilbeträge, die der KSt unterlegen haben, als verwendet galten, später aber für die Verrechnung der Gewinnausschüttung nicht mehr ausreichten. In dieser Situation war die Ausschüttung insoweit, als sie nicht durch die belasteten vEK-Beträge abgedeckt wurde, mit dem EK 02 zu verrechnen.

§ 28 Abs. 4 KStG 1996 diente dem Ziel, Systembrüche im Zusammenhang mit der Weiterausschüttung ausländischer Einkünfte zu verhindern.

Solche Systembrüche hätten sich ergeben, wenn eine unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft steuerfreie ausländische Einkünfte erzielte, die in das EK 01 eingingen, deren Ausschüttung aber nicht zur Herstellung der Ausschüttungsbelastung führte (§ 40 Satz 1 Nr. 1 KStG 1996). In Fällen dieser Art hätte es bei Einhaltung der Verwendungsreihenfolge des § 28 Abs. 3 KStG 1996 dazu kommen können, dass zunächst mit belastetem vEK verrechnete Ausschüttun...

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