Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbschaftsteuer, Steuerermäßigung, Nachlassverbindlichkeiten in anderem Mitgliedstaat, Ausländische Nachlassverbindlichkeit, Erbschaftsteuer auf Vorerwerb in anderem Mitgliedstaat, Kapitalverkehrsfreiheit

 

Leitsatz (amtlich)

Art. 63 Abs. 1 und Art. 65 AEUV stehen nicht einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegen, die bei einem Erwerb von Todes wegen durch Personen einer bestimmten Steuerklasse eine Ermäßigung der Erbschaftsteuer vorsieht, wenn der Nachlass Vermögen enthält, das in den letzten zehn Jahren vor dem Erwerb bereits von Todes wegen erworben wurde, und hierfür die Voraussetzung aufstellt, dass für diesen Vorerwerb Erbschaftsteuer in diesem Mitgliedstaat erhoben wurde.

 

Normenkette

AEUV Art. 63 Abs. 1, Art. 65

 

Beteiligte

Feilen

Max-Heinz Feilen

Finanzamt Fulda

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 20.01.2015; Aktenzeichen II R 37/13; BFH/NV 2015, 612)

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 27.09.2016; Aktenzeichen II R 37/13)

 

Tatbestand

„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Steuerwesen ‐ Freier Kapitalverkehr ‐ Erbschaftsteuer ‐ Regelung eines Mitgliedstaats, die eine Ermäßigung der Erbschaftsteuer für einen Nachlass vorsieht, der Vermögen enthält, das bereits im selben Mitgliedstaat unter Erhebung dieser Steuer übertragen wurde ‐ Beschränkung ‐ Rechtfertigung ‐ Kohärenz des Steuersystems“

In der Rechtssache C-123/15

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 20. Januar 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 12. März 2015, in dem Verfahren

Max-Heinz Feilen

gegen

Finanzamt Fulda

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, der Richterin C. Toader, des Richters A. Rosas, der Richterin A. Prechal und des Richters E. Jarašiūnas (Berichterstatter),

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: I. Illéssy, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. Januar 2016,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ von Herrn M. Feilen, vertreten durch Rechtsanwalt P. Thouet,

‐ der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze als Bevollmächtigten,

‐ der spanischen Regierung, vertreten durch A. Rubio González als Bevollmächtigten,

‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Sutton und M. Holt als Bevollmächtigte im Beistand von R. Hill, Barrister,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Wasmeier und W. Roels als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. März 2016

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 63 Abs. 1 und Art. 65 AEUV.

Rz. 2

Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen Herrn Max-Heinz Feilen und dem Finanzamt Fulda (Deutschland) wegen dessen Weigerung, Herrn Feilen eine Ermäßigung der Erbschaftsteuer für den Nachlass seiner Mutter zu gewähren.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) in der für das Steuerjahr 2007 geltenden Fassung unterliegt der Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer.

Rz. 4

§ 2 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 ErbStG sieht vor:

„Die Steuerpflicht tritt ein

1. in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes … oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer … ein Inländer ist, für den gesamten Vermögensanfall. Als Inländer gelten

a) natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

3. in allen anderen Fällen für den Vermögensanfall, der in Inlandsvermögen im Sinne des § 121 des Bewertungsgesetzes besteht. …“

Rz. 5

§ 15 ErbStG, der die Steuerklassen definiert, bestimmt in Abs. 1:

„Nach dem persönlichen Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser oder Schenker werden die folgenden drei Steuerklassen unterschieden:

Steuerklasse I:

1. der Ehegatte und der Lebenspartner,

2. die Kinder und Stiefkinder,

3. die Abkömmlinge der in Nummer 2 genannten Kinder und Stiefkinder,

4. die Eltern und Voreltern bei Erwerben von Todes wegen;

…“

Rz. 6

§ 27 ErbStG regelt die Ermäßigung der Erbschaftsteuer wie folgt:

„(1) Fällt Personen der Steuerklasse I von Todes wegen Vermögen an, das in den letzten zehn Jahren vor dem Erwerb bereits von Personen dieser Steuerklasse erworben worden ist und für das nach diesem Gesetz eine Steuer zu erheben war, ermäßigt sich der auf dieses Vermögen entfallende Steuerbetrag vorbehaltlich des Absatzes 3 wie folgt:

um … vom Hundert

wenn zwischen den beiden Zeitpunkten der Entstehung der Steuer liegen

Rz. 50

45

Rz. 40

35

Rz. 30

25

Rz. 20

10

nicht mehr als 1 Jahr

mehr als 1 Jahr, aber nicht mehr als 2 Jahre

mehr als 2 Jahre, aber nicht mehr als 3 Jahre

mehr als 3 Jahre, aber nicht mehr als 4 Jahre

mehr als 4 Jahre, aber nicht mehr als 5 Jahre

mehr als 5 Jahre, aber nicht mehr als 6 Jahre

mehr als 6 Jahre, aber nicht mehr als 8 Jahre

mehr als 8 Jahre, aber nicht mehr als 10 Jahre

(3) Die Ermäßigung nach Absatz 1 darf den Betrag nicht überschreiten, der s...

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