Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuervergünstigung nach Mutter/Tochter-Richtlinie, Quellensteuerabzugsbefreiung nicht abhängig von Mindestbeteiligungszeit im Zeitpunkt der Gewinnausschüttung, kein Schadensersatz für entgangene Steuervergünstigung, Berufungsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Mitgliedstaat darf die Gewährung der in Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten vorgesehenen Steuervergünstigung nicht davon abhängig machen, daß die Muttergesellschaft im Zeitpunkt der Gewinnausschüttung mindestens so lange, wie es dem von ihm nach Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie festgesetzten Zeitraum entspricht, einen Anteil am Gesellschaftskapital der Tochtergesellschaft von wenigstens 25 % besessen hat. Es ist Sache der Mitgliedstaaten, zu regeln, wie die Einhaltung dieser Mindestbeteiligungszeit gemäß den in ihrem innerstaatlichen Recht vorgesehenen Verfahren durchgesetzt werden soll. Jedenfalls verpflichtet die Richtlinie die Mitgliedstaaten nicht dazu, die Vergünstigung sofort zu gewähren, wenn die Muttergesellschaft sich einseitig verpflichtet, die Mindestbeteiligungszeit einzuhalten.

2. Hat ein Mitgliedstaat von der Möglichkeit nach Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie Gebrauch gemacht, so können sich die Muttergesellschaften vor den nationalen Gerichten unmittelbar auf die durch Artikel 5 Absätze 1 und 3 dieser Richtlinie begründeten Rechte berufen, sofern sie die von dem betreffenden Mitgliedstaat festgesetzte Mindestbeteiligungszeit einhalten.

3. Ein Mitgliedstaat ist nach dem Gemeinschaftsrecht nicht verpflichtet, einer Muttergesellschaft einen Schaden zu ersetzen, den sie dadurch erlitten hat, daß er bei der Umsetzung der Richtlinie rechtswidrigerweise vorgeschrieben hat, daß die nach Artikel 3 Absatz 2 festgesetzte Mindestbeteiligungszeit im Zeitpunkt der Ausschüttung der Gewinne, für die die Steuervergünstigung nach Artikel 5 vorgesehen ist, bereits zurückgelegt sein muß.

 

Normenkette

EWGRL 435/90 Art. 3 Abs. 2, 5

 

Beteiligte

Denkavit International BV

VITIC Amsterdam BV

Voormeer BV

Bundesamt für Finanzen

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Harmonisierung des Steuerrechts - Körperschaftsteuer - Mutter- und Tochtergesellschaften

Verbundene Rechtssachen C-283/94, C-291/94 und C-292/94

Denkavit International BV, VITIC Amsterdam BV und Voormeer BV

gegen

Bundesamt für Finanzen

Ersuchen um Vorabentscheidung: Finanzgericht Köln ‐ Deutschland

Urteil

1 Mit Beschlüssen vom 19. September 1994, beim Gerichtshof eingegangen am 19. und 27. Oktober 1994, hat das Finanzgericht Köln gemäß Artikel 177 EG-Vertrag mehrere Fragen nach der Auslegung der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. L 225, S. 6; im folgenden: Richtlinie) und insbesondere von deren Artikeln 3 Absatz 2 und 5 zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in drei Verfahren, in denen die Gesellschaften niederländischen Rechts Denkavit Internationaal BV (im folgenden: Denkavit), VITIC Amsterdam BV (im folgenden: VITIC) und Voormeer BV (im folgenden: Voormeer), die jeweils am Kapital einer deutschen Gesellschaft beteiligt sind, wegen der Besteuerung der Gewinne ihrer Tochtergesellschaften Klage gegen das Bundesamt für Finanzen (im folgenden: Bundesamt) erhoben haben.

3 Nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie gilt als Muttergesellschaft jede Gesellschaft eines Mitgliedstaats, die bestimmte, in Artikel 2 der Richtlinie aufgeführte Bedingungen erfüllt und einen Anteil von wenigstens 25 % am Kapital einer Gesellschaft eines anderen Mitgliedstaats besitzt. Nach Artikel 3 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten abweichend von Absatz 1 die Möglichkeit "von dieser Richtlinie ihre Gesellschaften auszunehmen, die nicht während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens zwei Jahren im Besitz einer Beteiligung bleiben, aufgrund deren sie als Muttergesellschaften gelten, oder an denen eine Gesellschaft eines anderen Mitgliedstaats nicht während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens zwei Jahren eine solche Beteiligung hält".

4 Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie sieht vor, daß die von einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft ausgeschütteten Gewinne, wenn diese einen Anteil am Gesellschaftskapital der Tochtergesellschaft von wenigstens 25 % besitzt, vom Steuerabzug an der Quelle befreit sind. Nach Artikel 5 Absatz 3 der Richtlinie kann die Bundesrepublik Deutschland längstens bis Mitte 1996 einen Steuerabzug in Höhe von 5 % vornehmen.

5 Nach Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie musste diese vor dem 1. Januar 1992 in nationales Recht umgesetzt werden.

6 In Deutschland wurde die Richtlinie durch § 44d des Einkommensteuergesetzes (im folgenden: EStG) in nationales Recht umgesetzt. Während Absatz 1 dieser Vorschrift eine Ermäßigung der Quellensteuer auf 5 % gemäß Artikel...

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