Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsausgabenabzug, von EU-Kommission verhängte Geldbuße, Zulässigkeit einer Stellungnahme der EU-Kommission in einem innerstaatlichen Rechtsstreit

 

Leitsatz (amtlich)

Art. 15 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln ist dahin auszulegen, dass die Kommission der Europäischen Gemeinschaften nach dieser Bestimmung befugt ist, von sich aus einem einzelstaatlichen Gericht eine schriftliche Stellungnahme in einem Verfahren zu übermitteln, in dem es darum geht, ob eine Geldbuße, die die Kommission wegen Verstoßes gegen Art. 81 EG oder 82 EG verhängt hat, insgesamt oder teilweise von dem steuerbaren Gewinn abgezogen werden kann.

 

Normenkette

EGV 1/2003 Art. 15 Abs. 3; EGVtr Art. 81-82

 

Beteiligte

X BV

Inspecteur van de Belastingdienst Particulieren/Ondernemingen, Haarlem

X BV

 

Verfahrensgang

Gerechtshof te Amsterdam (Niederlande) (Urteil vom 12.09.2007; Abl.EU 2007, Nr. C 297/23)

 

Tatbestand

„Wettbewerbspolitik ‐ Art. 81 EG und 82 EG ‐ Art. 15 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 ‐ Schriftliche Erklärungen der Kommission ‐ Nationaler Rechtsstreit über die steuerliche Abzugsfähigkeit einer durch eine Entscheidung der Kommission verhängten Geldbuße“

In der Rechtssache C-429/07

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Gerechtshof te Amsterdam (Niederlande) mit Entscheidung vom 12. September 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 17. September 2007, in dem Verfahren

Inspecteur van de Belastingdienst

gegen

X BV

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts sowie der Richter T. von Danwitz, E. Juhász (Berichterstatter), G. Arestis und J. Malenovský,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: N. Nanchev, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. Dezember 2008,

unter Berücksichtigung der Erklärungen:

‐ der X BV, vertreten durch G. Th. K. Meussen, advocaat,

‐ der niederländischen Regierung, vertreten durch Y. de Vries und M. de Grave als Bevollmächtigte,

‐ der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von F. Arena, avvocato dello Stato,

‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A. Bouquet und W. Wils als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. März 2009

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 15 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Inspecteur van de Belastingdienst (im Folgenden: Inspecteur) und der X BV, einer Gesellschaft niederländischen Rechts mit Sitz in P, wegen der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Geldbußen, die von der Kommission wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln verhängt wurden.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

Rz. 3

Der 21. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1/2003 lautet:

„Die einheitliche Anwendung der Wettbewerbsregeln erfordert außerdem, Formen der Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten und der Kommission vorzusehen. Dies gilt für alle Gerichte der Mitgliedstaaten, die die Artikel 81 und 82 des Vertrags zur Anwendung bringen, unabhängig davon, ob sie die betreffenden Regeln in Rechtsstreitigkeiten zwischen Privatparteien anzuwenden haben oder ob sie als Wettbewerbsbehörde oder als Rechtsmittelinstanz tätig werden. Insbesondere sollten die einzelstaatlichen Gerichte die Möglichkeit erhalten, sich an die Kommission zu wenden, um Informationen oder Stellungnahmen zur Anwendung des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft zu erhalten. Der Kommission und den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten wiederum muss die Möglichkeit gegeben werden, sich mündlich oder schriftlich vor einzelstaatlichen Gerichten zu äußern, wenn Artikel 81 oder 82 des Vertrags zur Anwendung kommt. Diese Stellungnahmen sollten im Einklang mit den einzelstaatlichen Verfahrensregeln und Gepflogenheiten, einschließlich derjenigen, die die Wahrung der Rechte der Parteien betreffen, erfolgen. Hierzu sollte dafür gesorgt werden, dass die Kommission und die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten über ausreichende Informationen über Verfahren vor einzelstaatlichen Gerichten verfügen.“

Rz. 4

Art. 15 der Verordnung Nr. 1/2003 bestimmt:

„Zusammenarbeit mit Gerichten der Mitgliedstaaten

(1) Im Rahmen von Verfahren, in denen Artikel 81 oder 82 des Vertrags zur Anwendung kommt, können die Gerichte der Mitgliedstaaten die Kommission um die Übermittlung von Informationen, die sich in ihrem Besitz befinden, oder um Stellungnahmen zu Fragen bitten, die die Anwendung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft betreffen.

(2) Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission eine Kopie jedes sch...

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