2.3.1 Allgemeines

Die jeweilige Besteuerung des Nacherbfalls ist davon abhängig, ob der Nacherbfall durch den Tod des Vorerben ausgelöst wird (immer dann, wenn der Erblasser nichts anderes bestimmt hat) oder aufgrund eines anderen Ereignisses. Hat der Vorerbe die Erbschaft ausgeschlagen, dann fällt die Erbschaft direkt beim Nacherben an und dieser hat sie dann auch der Besteuerung zu unterwerfen.

 
Praxis-Beispiel

Nacherbe schlägt Erbschaft aus

Die verwitwete Mutter M ordnet in ihrem Testament an, dass zunächst der Sohn S als befreiter Vorerbe deren Nachlass (gemeiner Wert des Nacherbschaftsvermögens 1.200.000 EUR) erhalten soll. Nach § 13a ErbStG und § 13d ErbStG begünstigtes Vermögen soll nicht vorhanden sein.

Mit dessen Tod soll die Erbschaft auf den Enkel E (Sohn des S) als Nacherben übergehen. M verstirbt am 15.11.2023. 3 Wochen später schlägt der S als Vorerbe die Erbschaft aus.

Lösung:

  1. Beurteilung des S

Da dieser die Vorerbschaft ausgeschlagen hat, kommt es bei S zu keiner Besteuerung.

  1. Beurteilung des E

E unterliegt mit der ihm – von der M als Erblasserin – angefallenen Erbschaft der Erbschaftsteuer. Besteuerungstatbestand ist § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.

Der steuerpflichtige Erwerb von E beträgt demnach 1.000.000 EUR (gemeiner Wert Nachlass 1.200.000 EUR abzüglich persönlicher Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG i. H. v. 200.000 EUR). Die Erbschaftsteuer beläuft sich bei einem Steuersatz von 19 % auf 190.000 EUR.

2.3.2 Tod des Vorerben

Tritt der Nacherbfall durch den Tod des Vorerben ein, so hat nach § 6 Abs. 2 Satz 1 ErbStG der Nacherbe seinen Erwerb als vom Vorerben stammend zu versteuern. Das Erbschaftsteuerrecht weicht damit vom Zivilrecht ab, bei dem der Nacherbe vom Erblasser erbt.

Ebenso wie für den Vorerben ist beim Nacherben ein Erwerb durch Erbanfall nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gegeben.

Die anzuwendende Steuerklasse (§ 15 ErbStG) richtet sich nach dem Verhältnis zwischen dem Nacherben zum Vorerben. Von dieser Steuerklasse hängen dann der infrage kommende persönliche Freibetrag[1] und der Steuersatz[2] ab.

 
Hinweis

Mehrfacher Erwerb

Die Vorschrift des § 27 ErbStG (Mehrfacher Erwerb desselben Vermögens) findet hier für den Nacherben Anwendung.[3]

 
Praxis-Beispiel

Besteuerung des Nacherben

Die verwitwete Mutter M ordnet in ihrem Testament an, dass zunächst der Sohn S als befreiter Vorerbe deren Nachlass (gemeiner Wert des Nacherbschaftsvermögens 600.000 EUR) erhalten soll. Mit dessen Tod soll die Erbschaft auf die Enkelin E (Tochter des S) als Nacherbin übergehen. M verstirbt am 15.3.2015. 12 Jahre nach dem Tod von M verstirbt auch S. Der gemeine Wert des Nacherbschaftsvermögens beträgt zum Zeitpunkt des Todes von S noch 550.000 EUR. In der Minderung ist auch die Entrichtung der von S geschuldeten Erbschaftsteuer enthalten.[4]

Lösung:

Der Tod von M führt dazu, dass S einen Erwerb von Todes wegen[5] verwirklicht. Nach Abzug des persönlichen Freibetrags i. H. v. 400.000 EUR[6] hat S einen steuerpflichtigen Erwerb i. H. v. 200.000 EUR zu versteuern. Hieraus ergibt sich bei einem Steuersatz von 11 %[7] eine Erbschaftsteuer i. H. v. 22.000 EUR.

Mit dem Tod von S tritt der Nacherbfall ein. Die Nacherbin T ist zwar zivilrechtlich Erbin der M, erbschaftsteuerlich hat sie nach § 6 Abs. 2 Satz 1 ErbStG ihren Erwerb aber vom Vorerben S stammend zu versteuern. Als Tochter von S ist für T die Steuerklasse I maßgebend.[8] Der steuerpflichtige Erwerb von T beträgt demnach 150.000 EUR (gemeiner Wert Nachlass 550.000 abzüglich persönlicher Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG i. H. v. 400.000 EUR). Die Erbschaftsteuer beläuft sich bei einem Steuersatz von 11 %[9] auf 16.500 EUR.

§ 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG eröffnet dem Nacherben die Möglichkeit, seiner Besteuerung das Verhältnis zum Erblasser zugrunde legen zu lassen. Hierzu hat der Nacherbe einen entsprechenden Antrag zu stellen.

Ob ein solcher Antrag Sinn macht, hängt davon ab, ob der Nacherbe zum Erblasser in einem günstigeren Verwandtschaftsverhältnis steht als zum Vorerben.

In den folgenden Fällen führt der Antrag zu einer niedrigen Besteuerung[10]:

 
Erblasser Vorerbe Nacherbe Grund
Ehemann Ehefrau Bruder des Ehemannes StKl. II anstatt StKl. III
Vater Kind A Kind B StKl. I anstatt StKl. II

Einer besonderen Begründung bedarf es für den Antrag nicht. Zudem kann dieser bis zur Rechtskraft der Veranlagung gestellt werden.[11]

 
Praxis-Beispiel

Wirkungen des Antrags nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG

Der verwitwete Vater V ordnet in seinem Testament an, dass Tochter T befreite Vorerbin sein soll (der gemeine Wert des Nacherbschaftsvermögens beträgt 870.000 EUR). Als Nacherben setzt V seinen Sohn S ein. Der Nacherbfall soll mit dem Tod von T eintreten. 11 Jahre nach dem Tod von V (1.12.2023) verstirbt auch T. Der gemeine Wert des Nacherbschaftsvermögens beträgt zum Zeitpunkt des Todes von T noch 840.000 EUR.

Lösung:

Der Tod des V führt dazu, dass T einen Erwerb von Todes wegen[12] verwirklicht. Nach Abzug des persönlichen Freibetrags i. H. v. 400.000 EUR[13] hat T einen steuerpflichtigen Erwerb i. H. v. 470.000 EUR zu versteuern. A...

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