Der Kreis der am Einspruchsverfahren Beteiligten ist nicht nur auf den Einspruchsführer beschränkt. Beteiligter kann nach § 359 Nr. 2 AO auch ein Dritter sein, wenn er zum Verfahren hinzugezogen worden ist.

Die Hinzuziehung kommt gem. § 360 AO in Betracht, wenn die den Gegenstand eines Einspruchsverfahrens bildende Rechtsfrage später gegenüber diesem Dritten ebenfalls entschieden werden muss. Mit der Hinzuziehung wird erreicht, dass gegen den Hinzugezogenen kein zusätzliches Verfahren stattzufinden braucht. Damit wird zugleich die Gefahr abweichender Entscheidungen vermieden. Da der Hinzugezogene die Stellung eines Beteiligten erlangt, kann er dieselben Rechte geltend machen wie der Einspruchsführer. Die Rücknahme des Einspruchs ist ihm allerdings verwehrt.

Erfolgt die Beteiligung eines Dritten im Klageverfahren, spricht man von der Beiladung.[1] In den Grundsätzen sind die jeweiligen Regelungen der AO und FGO identisch, sodass auch die von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien jeweils entsprechend Anwendung finden. Einen Sonderfall der Beteiligung regelt § 174 Abs. 5 AO.[2]

Das Gesetz unterscheidet zwischen einfacher und notwendiger Hinzuziehung. Bei der einfachen Hinzuziehung gem. § 360 Abs. 1 AO steht die Beteiligung des Dritten am Einspruchsverfahren im Ermessen des Finanzamts. Sie kommt in Betracht, wenn die rechtlichen Interessen eines Dritten durch die Einspruchsentscheidung berührt werden. Unterbleibt die einfache Hinzuziehung, treten keine besonderen Rechtsfolgen ein. Die getroffene Entscheidung bindet dann den Dritten nicht. In der Praxis kommt der einfachen Hinzuziehung kaum Bedeutung zu. Typische Anwendungsfelder wären Haftungsstreitigkeiten.

Ganz anders ist die Rechtslage in den Fällen der notwendigen, vom Finanzamt gem. § 360 Abs. 3 AO zwingend vorzunehmenden Hinzuziehung. Dies ist der Fall, wenn an einem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt sind, dass die Entscheidung im Einspruchsverfahren auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann.

Unterlässt das Finanzamt die notwendige Hinzuziehung, liegt ein Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens vor. Wird keine Klage erhoben, ist die Einspruchsentscheidung bzw. der Abhilfebescheid unwirksam. Sie kann nicht gegen den Hinzuziehenden wirken, folglich auch nicht gegen den Einspruchsführer, weil nur eine einheitliche Entscheidung möglich ist.[3] Kommt es dagegen zur Klage, kann die unterbliebene Hinzuziehung durch die Beiladung gem. § 60 FGO des Finanzgerichts und nachträgliche Zustellung der Einspruchsentscheidung geheilt werden.[4] Dies gilt selbst dann, wenn die notwendige Hinzuziehung vom Finanzamt bewusst unterlassen wurde.[5] Auch im Revisionsverfahren beim BFH ist eine versäumte notwendige Beiladung vom BFH grundsätzlich nachzuholen.[6]

Der Mangel der Hinzuziehung im Einspruchsverfahren kann auch durch Klageerhebung des nicht Hinzugezogenen selbst geheilt werden.[7]

Hauptanwendungsgebiet der notwendigen Hinzuziehung sind die Fälle der einheitlichen und gesonderten Feststellung.[8]

Immer wieder diskutiert wird die Frage der Hinzuziehung, wenn Ehegatten vom Einspruchsverfahren betroffen sind.

 
Praxis-Beispiel

Zusammenveranlagung

Gegenüber Ehegatten ergeht im Wege der Zusammenveranlagung ein zusammengefasster Einkommensteuerbescheid. Hiergegen legt ausdrücklich nur der Ehemann Einspruch ein. Die Ehefrau ist nach Auffassung des BFH nicht notwendig zum Verfahren hinzuzuziehen.[9] Der BFH begründet dies vor allem damit, dass der Zusammenveranlagungsbescheid kein einheitlicher Verwaltungsakt ist, sondern eine Zusammenfassung zweier rechtlich selbstständiger Verwaltungsakte.[10]

Aus der Rechtsprechung des BFH folgt, dass der nur von einem Ehegatten eingelegte Rechtsbehelf und die in diesem Verfahren ergehenden Entscheidungen nur dessen Steuerfestsetzung betreffen. Dies gilt nach einem Urteil des BFH nicht nur im Falle eines Einspruchs, sondern auch einer Klage.[11] Mit der Frage, ob im Falle der Klagestattgabe die bestandskräftige Steuerfestsetzung des anderen Ehegatten entsprechend geändert werden könnte, hat sich hier der BFH zwar auseinandergesetzt. Die Antwort ließ er jedoch offen.

Der andere Ehegatte ist zwar Gesamtschuldner, die Steuerfestsetzung ihm gegenüber wird davon jedoch nicht berührt. Aus denselben Gründen können sich daher Unterschiede hinsichtlich der Bestands- und Rechtskraft der gegenüber den Ehegatten wirkenden Steuerfestsetzungen sowie hinsichtlich der Verjährung[12] der gegen sie bestehenden Steueransprüche ergeben. Um derartige Konsequenzen zu vermeiden, sollen die Finanzämter wenigstens von der Möglichkeit der einfachen Hinzuziehung Gebrauch machen. Das gilt auch für eingetragene Lebenspartner.[13]

 
Wichtig

Für Klarheit sorgen

Bei zusammenveranlagten Ehegatten wird in der Praxis von den Finanzämtern gerne eine gegenseitige Bevollmächtigung unterstellt, was i. d. R. auch dem Willen der Eheleute entspricht. Zur Vermeidung von Auslegungsproblemen sollten die Ehegatten gleichwohl ihren Willen deutlich zum Ausdruck bringen....

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