9.2.6.1 Überblick

Der Wechsel vom "alten" ins "neue" Recht ist in § 56 InvStG geregelt. Wertsteigerungen und laufende Erträge bis 2017 werden noch nach der bis dahin geltenden Rechtslage erfasst. Lediglich die ab dem 1.1.2018 entstandenen Wertänderungen unterliegen der neuen Rechtslage.

 
Hinweis

"Laufende" Erträge bis 2017

Die laufenden Erträge (insbesondere Zinsen, Dividenden, Mieten) wurden bis zum Jahresende 2017 noch nach der Altfassung des InvStG versteuert. Es erfolgte eine "Zwangsthesaurierung" mit Ansatz der ausschüttungsgleichen Erträge, wenn die Erträge nicht bis Ende 2017 ausgeschüttet wurden. Fonds mit einem vom Kalenderjahr abweichenden Geschäftsjahr bildeten hierzu ein Rumpfgeschäftsjahr.

Im Einzelfall werden Besteuerungsgrundlagen von Investmentfonds für Jahre bis 2017 in späteren Jahren korrigiert. Erhöht sich hierdurch die Einkommensteuer, kann es zu einer Erklärungspflicht des Anlegers kommen, wenn bestimmte Bagatellgrenzen überschritten werden. Mindern sich die angesetzten Besteuerungsgrundlagen, können die Korrekturbeträge im Veranlagungsverfahren geltend gemacht werden.

Die Korrekturbeträge sind in dem Jahr anzusetzen, in dem sie im Bundesanzeiger veröffentlicht werden.[1]

Zum 31.12.2017 gelten alle Investmentfondsanteile zu ihrem Rücknahmepreis als veräußert und zum 1.1.2018 als erworben. Nach § 56 Abs. 2 InvStG werden diese Anteile als Alt-Anteile bezeichnet. Durch diese fiktive Veräußerung lassen sich die Wertänderungen nach der bis 2017 geltenden Rechtslage und die ab 2018 entstandenen Wertänderungen differenzieren und es kann für beide Teile das jeweilige Besteuerungssystem herangezogen werden. Hierbei sind für Privatanleger 2 Fallgruppen zu unterscheiden:

[1] Zu weiteren Ausführungen s. Abschnitt 12.3.2.2 und Abschnitt 12.4.2.11.

9.2.6.2 Veräußerungsgewinn bei Anteilserwerb vor dem 1.1.2009 (bestandsgeschützte Alt-Anteile)

Der fiktive Veräußerungsgewinn auf den 31.12.2017 ist steuerfrei. Dies ergibt sich aus der bis 2017 geltenden Rechtslage, wonach ein Bestandsschutz bei Einführung der Abgeltungsteuer gewährt wurde und die Veräußerungsgewinne aus Investmentanteilen nach Ablauf der 1-jährigen Haltefrist des § 23 EStG steuerfrei waren.

Ab dem 1.1.2018 unterliegen bei diesen Anteilen sämtliche Erträge i. S. d. § 16 InvStG – und damit auch die Wertänderungen ab diesem Zeitpunkt – der Einkommensteuer. Allerdings wird diese Steuerpflicht entschärft: Für Wertsteigerungen bestandsgeschützter Alt-Anteile, die nach dem 1.1.2018 eintreten, erhält jeder Anleger für Veräußerungsgewinne ab 2018 einen persönlichen Freibetrag von 100.000 EUR. Dieser wird aber nicht beim Steuerabzug, sondern erst im Veranlagungsverfahren gewährt. Der verbleibende Freibetrag wird gesondert festgestellt.[1]

Die Rechtsgrundlagen hierzu ergeben sich aus § 56 Abs. 23 und Abs. 6 InvStG.

 
Praxis-Beispiel

Beispiel 1
Verkauf eines inländischen (Renten-)Investmentfonds (Erwerb vor Einführung der Abgeltungsteuer)

A erwarb im Jahr 2006 Anteile am inländischen AB-Renten-Investmentfonds zu einem Kaufpreis von 60.000 EUR (Zwischengewinn 0 EUR). Zum 31.12.2017 betrug der Rücknahmepreis der Anteile 62.000 EUR.

Im November 2023 veräußerte A die Anteile zum Preis von 62.700 EUR.

Die ausgeschütteten/ausschüttungsgleichen Erträge in den Jahren 2006 bis 2017 wurden ebenso wie die Ausschüttungen der Folgejahre zutreffend besteuert. Eine Vorabpauschale war in der Besitzzeit nicht anzusetzen.

Der fiktive Veräußerungsgewinn auf den 31.12.2017 ist steuerfrei (Bestandsschutz). Der nach § 19 InvStG berechnete Veräußerungsgewinn beläuft sich auf 700 EUR. Dieser betrifft nur die Wertsteigerung seit dem 1.1.2018 und unterliegt keiner Teilfreistellung nach § 20 InvStG.

Der Veräußerungsgewinn ist in den zu Zeile 7 der Anlage KAP ausgewiesenen Kapitalerträgen in der Steuerbescheinigung enthalten. Der begünstigte Gewinn von 700 EUR wird in der Steuerbescheinigung zur Zeile 10 der Anlage KAP gesondert ausgewiesen.

Die übrigen Kapitalerträge belaufen sich bei dem Institut auf 10.500 EUR. Damit betragen die insgesamt in der Steuerbescheinigung auszuweisenden Kapitalerträge 11.200 EUR. Der Sparer-Pauschbetrag wurde bei einem anderen Institut in Anspruch genommen.

In der Einkommensteuerveranlagung kann A für den ausgewiesenen Veräußerungsgewinn von 700 EUR seinen Freibetrag in Anspruch nehmen, was zu einer Steuererstattung führt. Zum Jahresende 2022 verbleibt ein Freibetrag von 99.300 EUR, soweit in 2018 bis 2022 noch kein Freibetrag in Anspruch genommen wurde.

 
Praxis-Beispiel

Beispiel 2
Verkauf eines inländischen thesaurierenden (Renten-)Investmentfonds (Erwerb vor Einführung der Abgeltungsteuer)

A erwarb im Jahr 2006 Anteile am inländischen thesaurierenden DE-Renten-Investmentfonds zu einem Kaufpreis von 50.000 EUR (Zwischengewinn 0 EUR). Zum 31.12.2017 betrug der Rücknahmepreis der Anteile 62.100 EUR.

Im November 2023 veräußerte A die Anteile zum Preis von 61.500 EUR.

Die ausschüttungsgleichen Erträge in den Jahren 2006 bis 2017 betrugen 11.000 EUR. Diese wurden zutreffend besteuert. Ab 2018 erfolgten keine Ausschüttungen und es war auch keine Vorabpauschale anzusetzen.

Der fiktive V...

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