Leitsatz

Die Begrenzung des Abzugs von Mehraufwendungen für die Verpflegung auf drei Monate bei einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung ist verfassungsgemäß.

 

Normenkette

§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 S. 5 und 6, § 9 Abs. 5 EStG, Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG

 

Sachverhalt

M und F, Eheleute, waren jeweils nicht selbstständig tätig. Ihr Familienwohnsitz war in X. M war seit 2001 in Y beschäftigt und hatte dort seit August 2002 eine Wohnung angemietet. F war in der Nähe von X tätig. Mit der ESt-Erklärung 2004 machte M Mehraufwand für doppelte Haushaltsführung geltend, darunter auch Verpflegungsmehraufwand. Das lehnte das FA mit Hinweis auf § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 S. 6 und 5 EStG ab (Dreimonatsfrist). Dagegen machten M und F geltend, dass die Begrenzung des Verpflegungsmehraufwands auf 3 Monate verfassungswidrig sei.

Die Klage blieb erfolglos (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 08.05.2007, 4 K 230/06, Haufe-Index 1761853, EFG 2007, 1500).

 

Entscheidung

Der BFH hatte auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken und bestätigte die Vorinstanz aus den unter Praxis-Hinweisen erläuterten Überlegungen.

 

Hinweis

Das Besprechungsurteil betraf nicht Fragen aus dem Kernbereich des Werbungskosten- oder Betriebsausgabenabzugs i.V.m. dem objektiven Nettoprinzip, sondern den Abzug von Aufwendungen für Verpflegung. Die gehören grundsätzlich dem privaten, nicht einkommensteuerbaren, schon mit dem Existenzminimum abgegoltenen Bereich an. Von diesem Grundsatz macht das EStG eine Ausnahme für Mehraufwendungen für die Verpflegung (§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 S. 1, S. 6 EStG) für die ersten 3 Monate einer doppelten Haushaltsführung. Und die Fragestellung lautet: War der Gesetzgeber von Verfassungs wegen gehalten, den Anwendungsbereich der Ausnahmeregelung (noch) weiter zu fassen?

1. Der BFH konnte unter Rückgriff auf die Entscheidungen des BVerfG – insbesondere zur doppelten Haushaltsführung und Pendlerpauschale – auf die besondere Typisierungskompetenz des Gesetzgebers im Bereich der gemischt veranlassten Aufwendungen verweisen. Der Verpflegungsmehraufwand bei doppelter Haushaltsführung gehört zum Bereich der Aufwendungen mit Mischkostencharakter. Und vergleichbar mit den Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, bei denen das BVerfG die Perspektive der multikausalen und multifinalen Wertungszusammenhänge herausgearbeitet hatte, beurteilte der BFH die Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers auch hier dahingehend, dass der Steuerpflichtige nach drei Monaten einer doppelten Haushaltsführung regelmäßig eine Verpflegungssituation vorfindet, die keinen beruflich veranlassten Mehraufwand verursacht (vgl. dazu BTDrucks. 13/901, 129), weil der Steuerpflichtige sich in dieser Übergangszeit auf die am Beschäftigungsort vorgefundene Verpflegungssituation einstellen kann. Eine Ausdehnung der Frist ist daher von Verfassungs wegen nicht geboten.

2. Engere verfassungsrechtliche Grenzen ergaben sich insoweit auch nicht aus Art. 6 Abs. 1 GG. Denn Art. 6 Abs. 1 GG verbietet dem Gesetzgeber bei beiderseits berufstätigen Ehegatten zwar, Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung als beliebig disponibel zu betrachten. Aber die Dreimonatsfrist und die Möglichkeit, sich auf die Verpflegungssituation einzustellen, werden durch den Tatbestand der Ehe nicht beeinflusst. Und schließlich war auch eine Verletzung der durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Berufsfreiheit durch die Dreimonatsfrist eher fernliegend.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 08.07.2010 – VI R 10/08

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