Sachverhalt

Bei dem ging es um die Anwendung der Differenzbesteuerung für Gebrauchtfahrzeuge (Art. 313 Abs. 1 und Art. 314 i.V. mit den Art. 136 und 315 MwStSystRL). Fraglich war die Höhe der Bemessungsgrundlage für die Lieferung von Gebrauchtfahrzeugen durch einen steuerpflichtigen Wiederverkäufer, wenn der Vorlieferant dieser Fahrzeuge einen teilweise Vorsteuerabzug auf der Grundlage von Art. 86 Abs. 3 des polnischen UStG in Anspruch nehmen konnte und sein Verkauf an den Wiederverkäufer steuerfrei nach § 13 Abs. 1 Nr. 5 der polnischen UStDV war. Nach dieser Vorschrift sind Lieferungen von Personenkraftwagen und anderen Kraftfahrzeugen durch Steuerpflichtige steuerfrei, die bei ihrem Erwerb zum Vorsteuerabzug gemäß Art. 86 Abs. 3 des polnischen UStG berechtigt waren, sofern es sich bei diesen Pkws und Fahrzeugen um Gebrauchtwaren im Sinne von Art. 43 Abs. 2 UStG handelt.

Die Klägerin erwirbt Gebrauchtfahrzeuge von Unternehmern, die der Klägerin Rechnungen mit dem Satz "steuerbefreit" ausstellen und sich dabei auf Art. 43 Abs. 1 Nr. 2 des polnischen UStG (Verkauf von Gebrauchtgegenständen) berufen. Die Klägerin verkauft diese Gebrauchtfahrzeuge weiter und wendet dabei das Verfahren der Differenzbesteuerung gemäß Art. 120 des polnischen UStG an. Im Zuge ihrer Tätigkeit kauft die Klägerin auch gebrauchte Pkws von Unternehmern, die beim Einkauf dieser Wagen die Vorsteuer im Rahmen der gesetzlichen Obergrenze aus Art. 86 Abs. 3 des polnischen UStG (50 % oder 60 %, höchstens 5 000 oder 6 000 PLN) abgezogen haben. In einem solchen Fall stellen die Unternehmer der Klägerin eine Rechnung mit dem Satz "steuerbefreit" aus und berufen sich dabei auf § 13 Abs. 1 Nr. 5 der polnischen UStDV.

Für diesen Fall war die polnische Finanzbehörde der Auffassung, dass die Klägerin die Differenzbesteuerung nicht anwenden könne. Wesentlich sei, von wem die Gebrauchtgegenstände erworben worden seien. Die Differenzbesteuerung sei nur anwendbar für Fahrzeuge, die die Klägerin von folgenden Verkäufern erwerbe: Nicht-Umsatzsteuerpflichtige, Unternehmer, die in Bezug auf die gelieferten Gebrauchtgegenstände nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt waren oder Kleinunternehmer oder Wiederverkäufer sind, Nicht-Umsatzsteuerpflichtigen, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft mehrwertsteuerpflichtig sind und eine Lieferung von Gegenständen nach den Grundsätzen von Art. 43 Abs. 1 Nr. 2 oder Art. 113 und Art. 120 Abs. 4 und 5 des polnischen UStG bewirken.

 

Entscheidung

Der EuGH hat entschieden, dass die Anwendung der Differenzbesteuerung im Vorlagefall nicht möglich war. Art. 313 Abs. 1 und Art. 314 i.V. mit den Art. 136 und 315 MwStSystRL muss so ausgelegt werden, dass ein Wiederverkäufer die Differenzbesteuerung nicht anwenden kann, wenn er Gebrauchtgegenstände von einem anderen Unternehmer erworben hat, dem seinerseits für den Erwerb dieser Gegenstände ein teilweiser Vorsteuerabzug zustand. Der EuGH begründet dies mit dem Wortlaut von Art. 314 Buchst. b MwStSystRL, der sich auf Erwerbe von einem Unternehmer bezieht, die als Lieferungen dieses Unternehmers nach Art. 136 MwStSystRL steuerfrei waren. Nach Art. 136 Buchst. b sind auch Lieferungen von Gegenständen steuerfrei, bei deren Bezug der Vorsteuerabzug nach Art. 176 MwStSystRL (Vorsteuerausschluss z.B. für Repräsentationsaufwendungen nach dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaats, sog. Stand-Still-Klausel) ausgeschlossen war. Ein solcher Fall lag bei der polnischen Vorsteuerbeschränkung auf 60 % nach dem EuGH-Urteil nicht vor, weil diese polnische Regelung keinen (vollständigen) Vorsteuerausschluss im Sinne von Art. 136 MwStSystRL darstellt.

 

Hinweis

Das Urteil hat für das deutsche Recht mangels einer Vorsteuerausschlussregelung auf der Basis von Art. 176 MwStSystRL keine Bedeutung. Nach deutschem Recht ist die Differenzbesteuerung anwendbar bei Erwerben eines Gebrauchtgegenstands im Inland oder im übrigen Gemeinschaftsgebiet von einer Privatperson oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die nicht Unternehmer ist, von einem Unternehmer aus dessen nichtunternehmerischen Bereich, von einem Unternehmer, der mit seiner Lieferung des Gegenstands unter eine Steuerbefreiung fällt, die zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führt, von einem Kleinunternehmer, der nach dem Recht des für die Besteuerung zuständigen Mitgliedstaates von der Steuer befreit oder auf andere Weise von der Besteuerung ausgenommen ist, oder von einem anderen Wiederverkäufer, der auf seine Lieferung ebenfalls die Differenzbesteuerung angewendet hat (§ 25a Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b UStG). Dies setzt allerdings voraus, dass für diese Lieferung die Differenzbesteuerung zu Recht angewendet wurde (vgl. BFH v. 23. 4. 2009, V R 52/07, BStBl II 2009, 860). Die Differenzbesteuerung ist hiernach auch bei Verkäufen von Händler an Händler möglich.

 

Link zur Entscheidung

EuGH, Urteil vom 19.07.2012, C-160/11

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