Leitsatz (amtlich)

Voraussetzungen für die Vermittlereigenschaft eines Kraftfahrzeughändlers beim Verkauf von solchen Gebrauchtwagen, die Neuwagenkunden dem Kraftfahrzeughändler zur Finanzierung des Neuwagenkaufs überlassen.

 

Normenkette

UStG § 1 Ziff. 1, § 5 Abs. 3; UStDB § 2 Abs. 1, § 7 Abs. 1; HGB § 84 ff.

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Stpfl.) ist u. a. Vertragshändler einer Kraftfahrzeugfabrik. Im Rahmen seines Neuwagengeschäfts übernimmt er vielfach von seinen Kunden gebrauchte Kraftfahrzeuge, die er wieder veräußert. Im Revisionsverfahren ist für den Veranlagungszeitraum 1957 bei einem Teil dieser Umsätze mit Gebrauchtwagen streitig, ob der Stpfl. sie als Vermittler seiner Kunden oder als Eigenhändler ausgeführt hat.

Nach den Feststellungen des FG sind diese Geschäfte in folgender Weise vor sich gegangen: Der Stpfl. ließ die Käufer neuer Kraftfahrzeuge, die den Kauf mit ihrem Gebrauchtwagen finanzieren wollten, einen formularmäßigen Kaufantrag unterschreiben, der unter der Rubrik "Zahlungsbedingungen" die Bezeichnung des Gebrauchtwagens mit einer Wertangabe und der Bemerkung "zum agenturweisen Verkauf" enthielt sowie meist eine Vereinbarung über die Zahlung des Unterschiedsbetrags zwischen der genannten Wertangabe und dem Neuwagenpreis aufwies. Die Wertangabe war in der Regel relativ hoch. In einigen Fällen wurde diese Angabe aufgrund einer neuen Vereinbarung herabgesetzt, weil sich das Fahrzeug zum höheren Preis nicht verkaufen ließ. Die Gebrauchtwagen stellte der Stpfl. zur Besichtigung auf und heftete an die Windschutzscheibe einen deutlich sichtbaren Zettel mit dem Aufdruck "zum agenturweisen Verkauf".

Dem Käufer des Gebrauchtwagens ließ der Stpfl. einen an den bisherigen Eigentümer des Kraftfahrzeugs gerichteten Kaufantrag unterschreiben, in dem als Preis ein Betrag angegeben war, der regelmäßig gegenüber der entsprechenden Wertangabe im Kaufantrag für den Neuwagen um einige hundert Mark höher lag. Ein Verkaufspreis unter der Wertangabe wurde im Veranlagungszeitraum nicht vereinbart.

Nach dem Verkauf des Gebrauchtwagens erhielt der Käufer des Neuwagens vom Stpfl. eine "Agenturabrechnung", in der u. a. Name und Anschrift des Käufers sowie der erzielte Preis angegeben war. Dieser Erlös wurde dem Adressaten in Höhe des früher genannten Werts seines Gebrauchtwagens auf die Schuld für den Neuwagen angerechnet; den Rest nahm der Stpfl. vereinbarungsgemäß für sich als "Provision" in Anspruch, soweit er nicht für die Kosten der etwa vom Stpfl. am Gebrauchtwagen vor dem Verkauf ausgeführten Reparaturen aufgebraucht war. Die Provision hielt sich stets in einem angemessenen Rahmen. In drei Fällen konnten die Reparaturkosten bei der geübten Verrechnungsweise nicht gedeckt werden. In diesen Fällen gewährte der Stpfl. seinen Neuwagenkunden einen Preisnachlaß in Höhe des Fehlbetrags.

Nach einer Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (FA) die Auffassung, der Stpfl. sei bei den strittigen Geschäften als Eigenhändler aufgetreten, und erhöhte - da bisher entsprechend der Umsatzsteuererklärung 1957 nur die "Provisionen" der Steuerberechnung zugrunde gelegt worden waren - die erklärten Umsätze um ... DM, das ist der Mehrbetrag unter Berücksichtigung der gesamten Erlöse aus den Gebrauchtwagen.

Auf die Sprungberufung des Stpfl. hob das FG den Berichtigungsbescheid auf. Zur Begründung des Urteils führt das FG aus: Der Stpfl. sei den Verkäufern der Gebrauchtwagen gegenüber deutlich als Vermittler aufgetreten und habe sich die Wagen von den Veräußerern nicht liefern lassen, sondern mit ihnen nur ein Auftragsverhältnis zur Vermittlung eines Kaufvertrags begründet. Er sei auch in seinem tatsächlichen Verhalten Vermittler geblieben. Insbesondere habe er nicht für eigene Rechnung gehandelt. Er habe nie unter dem in seinem Auftrag genannten Mindestpreis abgeschlossen. Das Absatzrisiko sei deshalb beim Auftraggeber geblieben; er habe nur das Risiko einer Erfolgsprovision übernommen. Die Höhe des Entgelts sei aber dem Auftraggeber bekanntgegeben worden. Da der Provisionsanteil am Kaufpreis stets angemessen und der im Auftrag übernommene Mindestverkaufspreis meist relativ hoch gewesen sei, habe sich der Stpfl. nicht wie ein (scheinbarer) Vermittler verhalten, der praktisch in das Geschäft eintritt, sich dessen wirtschaftliches Ergebnis selbst zuleitet und deshalb nach der Rechtsprechung des BFH wie ein Eigenhändler zu behandeln sei. Die Erfolgsprovision sei gerichtsbekanntermaßen im Kraftfahrzeughandel gebräuchlich.

Gegen diese Entscheidung legte das FA Rb. ein.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Das Rechtsmittel, das seit dem Inkrafttreten der FGO am 1. Januar 1966 als Revision zu behandeln ist, ist nicht begründet....

In der angefochtenen Entscheidung wird .... das materielle Recht (insbesondere §§ 1 Ziff. 1, 5 Abs. 3 UStG; §§ 2 Abs. 1, 7 Abs. 1 UStDB; §§ 84 ff. HGB) nicht verletzt.

Zutreffend hat das FG nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. z. B. Urteile V 98/59 U vom 24. August 1961, BFH 73, 620, BStBl III 1961, 492, und V 127/62 vom 11. November 1965, HFR 1966, 93) die Beurteilung der Gebrauchtwagengeschäfte als Vermittlungstätigkeit von der tatsächlichen Voraussetzung abhängig gemacht, daß der Stpfl. sowohl gegenüber dem Käufer des Gebrauchtwagens im Namen des Neuwagenkunden aufgetreten ist als auch für Rechnung des Neuwagenkunden gehandelt hat. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG sind diese Voraussetzungen auch erfüllt.

Abweichend von den Ausführungen des FA kann nicht davon die Rede sein, daß das Auftreten des Stpfl. im Namen des Neuwagenkunden nur "künstlich gestaltet" gewesen wäre. Nach den Feststellungen des FG hat vielmehr der Stpfl. den Abschluß eines fremden Geschäfts ernstlich gewollt. Die entsprechenden Abreden waren nicht nur eine leere Förmlichkeit; vielmehr war für den Stpfl. damit - abgesehen von der durchaus legitimen Herbeiführung steuerlicher Vorteile - auch die Abwendung der Risiken verbunden, die rechtsgeschäftlich nicht ausgeschlossen werden konnten (z. B. Anfechtung wegen arglistig verschwiegener Unfallschäden - § 123 BGB). Im übrigen kann auch im Steuerrecht über die klaren auf ein Agenturverhältnis abzielenden Willenserklärungen der Vertragsparteien nicht deshalb hinweggegangen werden, weil nach der Lebenserfahrung sowohl dem Käufer des Gebrauchtwagens wie dem Neuwagenkunden an einer solchen Geschäftsabwicklung nichts gelegen sein konnte. Es genügt, wie der Stpfl. in seiner Revisionserwiderung mit Recht ausgeführt hat, daß er selbst beim Vertragsabschluß mit seinen Interessen und seinem Willen durchgedrungen ist. Dem Stpfl. steht es nach ständiger Rechtsprechung des BFH frei, unter mehreren rechtsgeschäftlichen Wegen, die zu dem erstrebten geschäftlichen Erfolg führen, denjenigen auszuwählen, der ihm nach steuerlichen oder sonstigen Interessen am meisten entspricht.

Auch die Ausführungen, mit denen das FA das Handeln des Stpfl. auf fremde Rechnung bestreitet, greifen nicht durch. Der Stpfl. hat in Erfüllung der mit dem Neuwagenverkauf übernommenen Verpflichtung zur agenturweisen Veräußerung des Gebrauchtwagens jedem seiner Kunden eine ordnungsmäßige Abrechnung über diese Veräußerung zugehen lassen. Der Kunde wurde also in jedem Falle über die Person des Gebrauchtwagenkäufers und den tatsächlich erzielten Verkaufspreis unterrichtet. In diesem Umstand haben die oben angeführten Urteile des Senats wesentliche Merkmale des Handelns auf fremde Rechnung gesehen. Allerdings hat der Senat in seiner Entscheidung V 127/62, a. a. O., trotz dieser Gegebenheiten die Vermittlereigenschaft des Kraftfahrzeughändlers im Bereich des Umsatzsteuerrechts für Fälle nicht anerkannt, in denen der Neuwagenkunde den Verkauf seines Kraftwagens nicht beeinflussen kann und der Zwischenhändler tatsächlich das gesamte Absatzrisiko trägt. Für das Vorliegen solcher Verhältnisse geben die Feststellungen des FG aber keinen Anhaltspunkt. Aus der im Neuwagen-Kaufantrag enthaltenen Vereinbarung über den Verkauf des Gebrauchtwagens kann, da diese ausdrücklich einen Vermittlungsauftrag enthält, nicht entnommen werden, daß Einflüsse des Auftraggebers auf den Verkauf des Gebrauchtwagens, insbesondere auf die Preisgestaltung ausgeschlossen sein sollten. Die Feststellung des FG, der Stpfl. habe in Fällen der Unverkäuflichkeit des Gebrauchtwagens zum vorgesehenen Verkaufspreis das Einverständnis des Auftraggebers mit einer Ermäßigung herbeigeführt, spricht vielmehr dafür, daß sich jedenfalls die Auftraggeber an die Natur der Vereinbarung als bloßen Vermittlungsauftrag gebunden fühlten und sich der Stpfl. für berechtigt hielt, das Verkaufsrisiko von sich fern zu halten. Die Behauptung des FA in der Revisionsbegründung, in zahlreichen Fällen seien derartige Vertragsänderungen nicht erreicht oder vom Stpfl. nicht versucht worden, kann im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden, da sie nicht durch Feststellungen des FG gedeckt ist. Die Frage, ob umgekehrt der Stpfl. den Wünschen eines Kunden um Erhöhung des vorgesehenen Verkaufspreises - entsprechend seinen Verpflichtungen aus dem Agenturverhältnis - nachgekommen wäre, konnte das FG nicht klären, da nach seinen Feststellungen kein Fall vorgekommen ist, der Anhaltspunkte für die hierzu erforderlichen Schlußfolgerungen geboten hätte.

Im Gegensatz zum Sachverhalt der zum Vergleich herangezogenen Entscheidung hat der Stpfl. den Auftrag, das Fahrzeug zu einem bestimmten Mindestpreis zu verkaufen, auch nicht unwiderruflich übernommen. Anders als im Vergleichsfall wurde hier auch der vorgesehene Mindestverkaufspreis nicht schon bei Abschluß des Kaufvertrags über den Neuwagen, sondern erst nach Abrechnung des Agenturgeschäfts auf den Preis des Neuwagens angerechnet. Vor allem fällt aber zugunsten der Klage ins Gewicht, daß sich der Stpfl. nach den Feststellungen des FG - ebenfalls im Gegensatz zum Vergleichsfall - im Agenturvertrag regelmäßig relativ hohe Mindestverkaufspreise für den Gebrauchtwagen aufgeben ließ und mit der ihm als Provision zugedachten Mehrforderung beim Verkauf den angemessenen Rahmen einer Provision nicht überschritt. Das nach den Feststellungen des FG sich ergebende Gesamtbild rechtfertigt daher die Auffassung, daß der Stpfl. sich im tatsächlichen Vollzug der strittigen Geschäfte wie ein Handelsvertreter verhalten, insbesondere seine Pflicht, das Interesse des Auftraggebers wahrzunehmen (§ 86 Abs. 1 HGB), nicht vernachlässigt hat.

Die Revision war daher mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 2 FGO als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BStBl II 1968, 330

BFHE 1968, 320

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