Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Zwischenhändler, der mit seinem Auftraggeber einen verbindlichen Festpreis vereinbart und sich vorbehält, den tatsächlichen Verkaufspreis mit dem Käufer ohne jede Mitwirkung des Auftraggebers und ohne Wahrung der Interessen des Auftraggebers auszuhandeln und den Unterschiedsbetrag als "Provision" für sich zu behalten, gibt seine Vermittlereigenschaft mindestens dann auf, wenn er den tatsächlich erzielten Verkaufspreis seinem Auftraggeber nicht offenlegt.

 

Normenkette

UStG § 1 Ziff. 1, § 5 Abs. 3, § 10/1; UStDB § 2 Abs. 1, § 7/1; UStG § 3/1; UStG § 3/8

 

Tatbestand

Der Bf. betreibt in X. einen Handel mit gebrauchten Kraftfahrzeugen. Er wickelte im Jahre 1957 einen Teil der Geschäfte unstreitig im Eigenhandel ab. In den übrigen Fällen will er nur als Vermittler aufgetreten sein. Diese Geschäfte spielten sich folgendermaßen ab: Der Bf. ließ sich von Kraftfahrzeugbesitzern, die ihren Wagen veräußern wollten, auf einem roten Vordruck mit der überschrift "Vertrag für die Vermittlung des Verkaufs eines Kraftfahrzeugs" den Auftrag erteilen, das Fahrzeug "im Namen und für Rechnung des Verkäufers zu verkaufen und den Besitz des Fahrzeugs auf den Käufer zu übertragen" (Ziff. 1 des Vordrucks). In Ziff. 5 des Vordrucks wurde ein "Mindestverkaufspreis" festgesetzt. Ließ sich dieser nicht erzielen, so erhielt der Auftraggeber unter Stornierung des Verkaufsauftrages sein Fahrzeug zurück, oder es wurde ein niedrigerer Mindestverkaufspreis vereinbart. In Ziff. 7 des Vordrucks war als Provision ein von den Vertragsschließenden zu bestimmender Hundertsatz des Verkaufspreises vorgesehen. Diesen Teil des Vordrucks änderte der Bf. durch einen Stempelaufdruck auf der ersten Seite des Vordrucks inhaltlich wie folgt ab: "Der Vermittler erhält als Provision den Betrag, der den unter Ziff. 5 genannten Mindestverkaufspreis + Reparaturkosten übersteigt." Durch Anzeigen in der Zeitung wies der Bf. auf die zum Verkaufe stehenden Gebrauchtwagen hin. Er ließ sich vom Käufer einen gelben Vordruck "Kaufantrag für ein gebrauchtes Kraftfahrzeug" unterschreiben, in dem dieser bei dem mit Name und Anschrift genannten bisherigen Kraftfahrzeugbesitzer das genau beschriebene Fahrzeug "unter Ausschluß jeder Gewährleistung, wie besichtigt" zu den auf der Rückseite des Vordrucks abgedruckten Geschäftsbedingungen "bestellte". Der Bf. selbst trat in dem Vordruck nicht in Erscheinung. Der tatsächlich erzielte Verkaufspreis, der - zum Teil erheblich (bis zu 30 v. H.) - über dem im roten Vordruck festgesetzten "Mindestverkaufspreis" lag, war an den Bf. zu zahlen. Der Bf. führte, ohne den Namen des Käufers und den tatsächlich erzielten Verkaufspreis zu nennen, nur den "Mindestverkaufspreis" an den Auftraggeber ab.

Der Bf. ist der Ansicht, er sei in den streitigen Fällen als Vermittler aufgetreten. Er versteuerte daher nur die ihm verbliebenen Unterschiedsbeträge zwischen den tatsächlich erzielten Verkaufspreisen und den "Mindestverkaufspreisen". Auf Grund einer im Januar/Februar 1958 stattgefundenen Betriebsprüfung kam das Finanzamt dagegen zu der Auffassung, der Bf. habe in diesen Fällen nicht Vermittler-, sondern Eigenhändlergeschäfte getätigt. Es zog ihn daher mit den gesamten von den Käufern gezahlten Verkaufspreisen zur Umsatzsteuer heran. Die Sprungberufung des Bf. wurde, soweit sie sich auf diese im Rechtsbeschwerdeverfahren allein noch im Streit befindliche Frage bezog, als unbegründet zurückgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

Auch die Rb. kann keinen Erfolg haben.

Es fragt sich, ob der Bf. in den streitigen Fällen als Eigenhändler Lieferungen oder als Vermittler Vermittlungsleistungen bewirkt hat und demzufolge mit dem vollen Verkaufspreis oder nur mit der Vermittlungsprovision umsatzsteuerpflichtig ist. Umsatzsteuerrechtlich ist Vermittler (Agent, Handelsvertreter, Makler, Handelsmakler), wer in fremdem Namen und für fremde Rechnung handelt (vgl. § 5 Abs. 3 UStG). Ein Handeln der Zwischenperson in fremdem Namen kann umsatzsteuerrechtlich nur anerkannt werden, wenn dem Leistungsempfänger (Käufer) beim Abschluß des Umsatzgeschäfts nach den Umständen des Falles klar ist, daß er zu einem Dritten (Verkäufer) in unmittelbare Rechtsbeziehungen tritt. Bei Verkäufen in Ladengeschäften haben Reichsfinanzhof und Bundesfinanzhof in ständiger Rechtsprechung die Vermittlereigenschaft des Ladeninhabers nur in besonders gelagerten Fällen anerkannt. Bei hochwertigen Gegenständen, die nicht sofort im Laden, sondern nach einer Besichtigung bereitgehaltener Muster auf Bestellung verkauft werden, sind in der Regel weniger strenge Anforderungen an das Auftreten des Zwischenhändlers als Vermittler zu stellen. Im Neugeschäft mit Kraftfahrzeugen wird es im allgemeinen ausreichen, wenn der Verkauf auf Grund eines schriftlichen Vertrags zustande kommt, nach dem sich eindeutig unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen dem Herstellerwerk und dem Kunden ergeben. Ob im Gebrauchtwagengeschäft die Unterzeichnung eines vorgedruckten Kaufantrages mit Angaben über die Person und Anschrift des Verkäufers genügt, kann insbesondere dann zweifelhaft sein, wenn der Zwischenhändler außer angeblichen Vermittlungsgeschäften auch Eigenhändlergeschäfte mit Kraftfahrzeugen tätigt und dem Verkäufer Name und Anschrift des Käufers unbekannt bleiben. Es ist zu beachten, daß im Gebrauchtwagengeschäft das Fahrzeug nicht anhand von Mustern auf Bestellung, sondern nach einer Besichtigung und gegebenenfalls nach einer Probefahrt an Ort und Stelle unmittelbar verkauft wird. Da jede Gewährleistung ausgeschlossen ist, hat der Käufer an der Person des Verkäufers kein Interesse. Der Käufer eines Gebrauchtfahrzeugs wird daher die Unterzeichnung eines Kaufantrages (nicht Kaufvertrages) oft nur als Formsache ansehen und von seinem Inhalt nicht oder nur oberflächlich Kenntnis nehmen.

Verwaltung und Schrifttum stehen daher zum Teil auf dem Standpunkt, daß beim Gebrauchtwagenhandel ein Kaufantrag mit Angaben über Namen und Anschrift des Verkäufers zur Annahme eines Agenturgeschäftes des Händlers nicht ausreiche, daß vielmehr weitere Merkmale hierfür vorhanden sein müßten. Der Bf. hat das Vorliegen solcher weiterer Merkmale auch behauptet, aber nicht nachgewiesen. Aus den von ihm zu den Akten überreichten Photographien aus dem Jahre 1957 ist nur ersichtlich, daß bei einer Reihe der zum Verkauf gestellten Kraftfahrzeuge an der Windschutzscheibe Schilder mit der Aufschrift "Zu verkaufen" (nicht wie der Bf. ursprünglich angegeben hatte, mit der Aufschrift "Im Auftrage zu verkaufen") angebracht waren. Daß die Schilder, wie der Bf. später behauptet hat, in kleinerer Schrift in der rechten unteren Ecken die Worte "Vermittler ..." aufwiesen, läßt sich auf den Photographien (selbst mit Hilfe einer Lupe) nicht erkennen. Sollte dieser Aufdruck tatsächlich vorhanden gewesen sein, so war er so klein, daß er den Käufern nicht ins Auge fiel. Die Anzeigen in der Tagespresse haben, wie der Bf. im Rechtsbeschwerdeverfahren zugegeben hat, erst seit dem Herbst 1957 Hinweise auf die Vermittlertätigkeit des Bf. enthalten.

Die Frage, ob der Bf. in fremdem Namen aufgetreten ist, kann letztlich unentschieden bleiben, weil es im Streitfalle an der zweiten Voraussetzung der Vermittlertätigkeit, dem Handeln für fremde Rechnung, fehlte. Der Ausdruck "Mindestverkaufspreis" im Vertrage mit dem Auftraggeber ist infolge der Abänderung der Provisionsbestimmungen im roten Vordruck (vgl. Ziff. 7 und Stempelaufdruck) durch den Bf. irreführend. Der "Mindestverkaufspreis" ist (anders als im Vordruck) in Wirklichkeit nicht der nach unten limitierte, dem Verkäufer zufließende Verkaufserlös, der nach Möglichkeit im Interesse des Verkäufers höher ausbedungen werden soll, sondern ein mit dem Bf. vereinbarter verbindlicher Festpreis, für den - sofern er erzielt wird - der Kraftfahrzeugbesitzer seinen Wagen endgültig abgibt. Ein Zwischenhändler, der einen solchen Festpreis ausmacht und sich vorbehält, den tatsächlichen Verkaufspreis mit dem Käufer ohne jegliche Mitwirkung des Auftraggebers und ohne Wahrung der Interessen des Auftraggebers auszuhandeln und den Unterschiedsbetrag als "Provision" für sich zu behalten, gibt seine Vermittlereigenschaft mindestens dann auf, wenn er den tatsächlich erzielten Verkaufspreis seinem Auftraggeber nicht offenlegt. Wirtschaftlich gesehen übernimmt der Zwischenmann in einem solchen Falle die Funktionen des Eigenhändlers. Indem er das wirtschaftliche Ergebnis aus dem Verkaufe bestimmt und sich im wesentlichen selbst zuleitet, tritt er im Innenverhältnis praktisch in das Geschäft zwischen Verkäufer und Käufer ein. Er trägt das Wagnis, nichts oder wenig zu verdienen, wenn er den Gebrauchtwagen nur zum "Mindestverkaufspreis" oder wenig darüber verkauft. Der Unterschiedsbetrag zwischen dem vom Bf. erzielten Verkaufspreis und dem Mindestverkaufspreis ist seinem Wesen nach nicht Provision, sondern Rohgewinn. Es widerspricht dem Wesen einer Provision, daß sie in ihrer Höhe nicht vereinbart, sondern einseitig vom Provisionsempfänger festgesetzt wird. Es gibt im Wirtschaftsleben zwar Zusatz-, Sonder- und Erfolgsprovisionen. Selbst wenn man aber der in der Verwaltungspraxis zum Teil vertretenen Auffassung, daß sich diese Provisionsarten in einem angemessenen Rahmen halten müssen, nicht folgt, muß wenigstens verlangt werden, daß der Auftraggeber die Höhe der von ihm gewährten Provision kennt oder nach Abschluß des Kaufvertrages vom Beauftragen erfährt. Andernfalls kann von einem Handeln des Beauftragen für fremde Rechnung, das eine Rechnungslegung dem Auftraggeber gegenüber einschließt, keine Rede mehr sein.

Da der Bf. die Voraussetzungen des Handelns für fremde Rechnung nicht erfüllt hat, haben ihn die Vorinstanzen zutreffend in vollem Umfange umsatzsteuerrechtlich als Eigenhändler angesehen.

Mit dem erstmals in der Rechtsbeschwerdebegründung vorgebrachten Einwand, das Finanzamt habe sich durch Nichtanerkennung seiner Vermittlertätigkeit arglistig verhalten, weil ein Betriebsprüfer bei einer früheren Prüfung seines Unternehmens ihm genaue, weniger weitgehende Richtlinien für Vermittlungsgeschäfte erteilt habe, kann der Bf. im Rechtsbeschwerdeverfahren gemäß §§ 288, 296 Abs. 1 AO nicht mehr gehört werden.

Die Rb. war daher als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410202

BStBl III 1961, 492

BFHE 1962, 620

BFHE 73, 620

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