Entscheidungsstichwort (Thema)

Veräußerung mehrerer Wohnobjekte in einem einzigen Verkaufsgeschäft

 

Leitsatz (NV)

Werden mehrere Wohnobjekte in einem einzigen Verkaufsgeschäft veräußert, liegt eine den gewerblichen Grundstückshandel begründende Nachhaltigkeit vor, wenn sich aus anderen objektiven Umständen ergibt, daß noch weitere Grundstücksgeschäfte zumindest geplant sind (vgl. BFH-Urteil vom 30. Juni 1993 XI R 38, 39/91, BFH/NV 1994, 20).

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 2; GewStG § 2 Abs. 1 Sätze 1-2

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb im März 1979 die bebauten Grundstücke A-Straße 120 (1327 qm), A-Straße 122 (874 qm) und das angrenzende Gartenland (1396 qm) zum Kaufpreis von ... DM. Auf dem Grundstück A-Straße 122 entstanden "im Zuge umfassender Reparatur- und Umbaumaßnahmen" insgesamt 5 Eigentumswohnungen. Mit Vertrag vom 25. September 1980 veräußerte der Kläger wegen unvorhergesehener Kostensteigerungen die Wohnung Nr. 3. Dieser Vertrag wurde wieder rückgängig gemacht, da der Erwerber in Zahlungsschwierigkeiten geriet. Mit Vertrag vom 18. November 1980 veräußerte der Kläger die Wohnung Nr. 1 an einen anderen Erwerber. Im Jahre 1985 erwarb die Lebensgefährtin des Klägers diese Eigentumswohnungen zurück. Seither sind sämtliche Wohnungen dieses Gebäudes mit Ausnahme der vom Kläger eigengenutzten Wohnung vermietet.

Zeitgleich mit den Reparatur- und Umbaumaßnahmen auf dem Grundstück A-Straße 122 ließ der Kläger das Gebäude A-Straße 120 abreißen, um ein neues Wohngebäude zu errichten. Mitte des Jahres 1982 war der Neubau soweit fertiggestellt, daß von den 9 Wohnungen 5 bezugsfertig und vermietet waren. Als der Kläger -- nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) aufgrund von unvorhergesehenen Kostensteigerungen -- erneut in Finanzierungsschwierigkeiten geriet, veräußerte er das Grundstück nebst Gebäude -- mit Ausnahme einer zuvor abgetrennten Teilfläche von 645 qm - mit Vertrag vom 22. September 1982 zum Kaufpreis von ... DM an einen Immobilienhändler. "Auf Verlangen des Erwerbers" teilte er das Grundstück in Miteigentumsanteile verbunden mit Wohneigentum an 9 Eigentumswohnungen auf. Er räumte dem Erwerber an der zuvor abgetrennten Parzelle ein Vorkaufsrecht ein, das dieser im März 1982 ausübte. Der Kläger erzielte bei dem Verkauf der abgetrennten Parzelle einen Kaufpreis von ... DM.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) beurteilte die Veräußerungsvorgänge als gewerblichen Grundstückshandel und setzte im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1983 und in den Gewerbesteuermeßbescheiden für die Streitjahre 1982 und 1983 Einkünfte aus Gewerbebetrieb an. Die Einsprüche des Klägers waren -- soweit sie sich gegen die Behandlung der Veräußerungserlöse als Einkünfte aus Gewerbebetrieb richteten -- erfolglos.

Mit den Klagen trug der Kläger u. a. vor: Er habe ursprünglich die Absicht gehabt, eine Gaststätte mit Kegelbahn und Wohnungen zur langfristigen Vermietung zu errichten. Diesen Plan habe er aus finanziellen Gründen nicht verwirklichen können. Eine Eigentumswohnung im Gebäude A-Straße 122 habe er veräußern müssen, weil wegen des unvorhergesehenen Einbaus einer Wasserpumpe eine Nachfinanzierung erforderlich gewesen sei. Erst in diesem Zusammenhang sei das Gebäude in Eigentumswohnungen aufgeteilt worden. Zur Veräußerung des Grundstücks A-Straße 120 habe er sich erst entschlossen, nachdem er aufgrund unvorhergesehener Kostensteigerungen in finanzielle Schwierigkeiten geraten sei und die kreditgebenden Banken ihn zum Verkauf gedrängt hätten. Die Initiative hierzu sei vom Erwerber ausgegangen, der ihm zuvor Kredite vermittelt hatte. Bei der Veräußerung des Gebäudes A-Straße 120 handele es sich lediglich um einen einzigen Veräußerungsvorgang. Auch die abgetrennte Parzelle sei wegen anhaltender finanzieller Schwierigkeiten veräußert worden. Das Grundstück A-Straße 120 habe er unter Berücksichtigung von Anschaffungs- und Herstellungskosten und Zinsaufwendungen mit einem Verlust von ... DM veräußert; insofern fehle es an einer Gewinnerzielungsabsicht. Demgegenüber vertrat das FA die Auffassung, der Kläger habe innerhalb von 4 Jahren insgesamt 14 Eigentumswohnungen errichtet und hiervon 10 Objekte veräußert. Hinzu kämen die Veräußerung eines benachbarten Grundstücks sowie zumindest die Absicht, eine weitere Eigentumswohnung zu veräußern. Es sei zu berücksichtigen, daß der Kläger als Geschäftsführer und Gesellschafter eines auf dem Bausektor tätigen Unternehmens der Baubranche nahestehe.

Das FG hat den Klagen stattgegeben. Errichtung und Verkauf von bis zu 3 Objekten gehöre noch zur privaten Vermögensverwaltung. Der Kläger habe nicht mehr als 3 Objekte veräußert. Mit dem Verkauf des Grundstücks A-Straße 120 sei nur ein einziges Objekt veräußert worden. Insoweit unterscheide sich der Streitfall von dem Sachverhalt, der dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10. Oktober 1991 XI R 22/90 (BFH/NV 1992, 238) zugrunde gelegen habe; dort habe der Veräußerer mehrere Eigentumswohnungen eines Mehrfamilienhauses -- wenn auch gleichzeitig -- an mehrere Erwerber veräußert. Der Kläger habe die Teilungserklärung nur im Interesse des Erwerbers abgegeben. Aus den vorgelegten Unterlagen gehe hervor, daß er anfänglich eine langfristige Vermietung der Gebäude beabsichtigt habe. Dem Kläger sei es nicht so sehr um eine möglichst gewinnbringende Veräußerung unter Ausnutzung von Marktchancen, sondern um die Erhaltung des übrigen Grundbesitzes in seinem Bestand gegangen. Auch fehle es insbesondere hinsichtlich des Verkaufs des Gebäudes A-Straße 120 und der mit dem Vorkaufsrecht belasteten Parzelle wegen der besonderen Umstände des Verkaufs an einer Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr.

Mit den Revisionen rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, die angefochtenen Urteile aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

Der Kläger hat keine Anträge gestellt.

 

Entscheidungsgründe

Die vom Senat gemäß §§73 Abs. 1, 121 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Revisionen sind begründet. Sie führen zur Aufhebung der angefochtenen Urteile und zur Zurückverweisung der Sachen an das FG (§126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

1. Nach §2 Abs. 1 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) unterliegt der Gewerbesteuer jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Unter Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu verstehen (§2 Abs. 1 Satz 2 GewStG). §15 Abs. 2 EStG bestimmt hierzu: Eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, ist Gewerbebetrieb, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft, noch als Ausübung eines freien Berufs, noch als eine andere selbständige Arbeit im Sinne des Einkommensteuerrechts anzusehen ist.

Nach der Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 3. Juli 1995 GrS 1/93 (BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617) haben die Zahl der Objekte "und der zeitliche Abstand der maßgebenden Tätigkeiten (Anschaffung, Bebauung, Verkauf)" für die Beurteilung am Maßstab des §15 Abs. 1 EStG eine indizielle Bedeutung: Die von der Rechtsprechung entwickelten Beweisanzeichen dienen dem Zweck, "eine die Gleichheit der Rechtsanwendung gewährleistende Zuordnung zum ,Bild des Gewerbebetriebs' -- dem Handel mit Grundstücken durch marktmäßigen Umschlag erheblicher Sachwerte sowie der Bauunternehmung -- bzw. zur privaten Vermögensverwaltung zu ermöglichen". Eine nichtsteuerbare Vermögensverwaltung ist "im Regelfall dann anzunehmen, wenn nicht mehr als drei Wohneinheiten angeschafft und veräußert werden".

2. Beim Kauf und Verkauf von Wohnungen hat die Rechtsprechung die Nachhaltigkeit überwiegend, wenn auch nicht ausschließlich, anhand der Anzahl der Verkäufe beurteilt (z. B. BFH-Urteile vom 11. April 1989 VIII R 266/84, BFHE 156, 476, 479, BStBl II 1989, 621; vom 16. April 1991 VIII R 74/87, BFHE 164, 347, 349, BStBl II 1991, 844; vom 11. Dezember 1991 III R 59/89, BFH/NV 1992, 464). Wird ein Gebäude mit einer Vielzahl von Wohnungen an einen einzigen Erwerber veräußert, fehlt es in der Regel an einer nachhaltigen Betätigung (beiläufig BFH-Urteil vom 15. Dezember 1971 I R 49/70, BFHE 104, 178, 180, BStBl II 1972, 291). Eine Mehrzahl von Objekten wird veräußert, wenn Miteigentumsanteile an einem Wohnkomplex an unterschiedliche Erwerber veräußert werden.

Nach dem Urteil vom 30. Juni 1993 XI R 38, 39/91 (BFH/NV 1994, 20, unter Bezugnahme auf das Urteil in BFH/NV 1992, 238) bedeutet der Verkauf mehrerer Eigentumswohnungen eines Mehrfamilienhauses zum gleichen Zeitpunkt und "in einem einmaligen und einheitlichen Vorgang" -- "durch fünf selbständige, zeitlich zusammenfallende Veräußerungsgeschäfte" -- an einen einzigen Erwerber "trotz Einheitlichkeit der Bauplanung und des Veräußerungsentschlusses" -- im Rahmen der sog. Objektgrenze die Veräußerung mehrerer Objekte. Zwar ist hiernach die "lediglich zeitliche Zusammenfügung mehrerer Rechtshandlungen" für die Frage einer Wiederholungsabsicht ohne Bedeutung. Das für die Annahme eines gewerblichen Grundstückshandels erforderliche Merkmal der Nachhaltigkeit kann aber gegeben sein, wenn der Verkäufer im Bau- und Immobilienbereich tätig ist und wenn er zeitnah weitere Grundstücksgeschäfte tätigt. Mithin liegt "bei einem einzigen Verkaufsgeschäft mehrerer Wohnobjekte oder Grundstücke" eine Nachhaltigkeit vor, wenn sich aus anderen objektiven Umständen ergibt, daß noch weitere Grundstücksgeschäfte geplant sind (vgl. ferner BFH-Urteile vom 12. Juli 1991 III R 47/88, BFHE 165, 498, BStBl II 1992, 143; vom 16. Januar 1996 VIII R 11/94, BFH/NV 1996, 676, unter 2. b). Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an.

3. Nach den vorstehenden Ausführungen hat der Kläger die Tatbestände des §15 EStG bzw. §2 GewStG jedenfalls dem Grunde nach erfüllt. Er hat mehrere Eigentumswohnungen zwar in einem einzigen Rechtsvorgang an einen Erwerber veräußert. Daß er die Teilungserklärung nur im Interesse des Erwerbers abgegeben hat, ist ohne rechtliche Bedeutung. Aus den sonstigen Umständen ergibt sich jedoch, daß der Kläger noch weitere Grundstücksgeschäfte getätigt bzw. geplant hat. Er stand insofern der Baubranche nahe, als er ab August 1983 Gesellschafter und Geschäftsführer der Fa. ... GmbH war. Der Annahme der Gewerblichkeit steht nicht entgegen, daß die veräußerten Eigentumswohnungen zunächst noch vermietet waren und möglicherweise auch weiterhin vermietet bleiben sollten (BFH-Urteil in BFH/NV 1996,676). Hinweise darauf, daß der Kläger nur an bestimmte Personen hätte verkaufen wollen und folglich nicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen hätte, sind nicht ersichtlich (s. hierzu BFH-Urteile in BFHE 165, 498, BStBl II 1992, 143; BFH/NV 1994, 20, unter 2.). Er hat mit seiner Gesamtbetätigung den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung überschritten.

Hiernach kann dahingestellt bleiben, ob bereits die Errichtung eines Wohngebäudes mit 9 Wohnungen in der zumindest bedingten Absicht der Veräußerung und die hiermit in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang stehende Veräußerung dieses Gebäudes nach den Grundsätzen des Senatsurteils vom 24. Januar 1996 X R 255/93 (BFHE 180, 51, BStBl II 1996, 303) wegen der Zuordnung der Tätigkeit zum "Bild der Bauunternehmung" bzw. der Bauträgerschaft als gewerblich anzusehen ist.

4. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist und sich seine Urteile auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend darstellen, waren die angefochtenen Urteile aufzuheben. Die Sachen gehen an das FG zurück, das Feststellungen zur Höhe des gewerblichen Gewinns bzw. des Gewerbeertrags nachholen wird. Das FA hatte vor dem FG den vom Kläger behaupteten Verlust bestritten und vorgetragen, die Herstellungskosten seien bisher noch nicht nachgewiesen worden. Das FG hatte von seinem rechtlichen Standpunkt aus keine Veranlassung, dieser Frage nachzugehen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1998, 853

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