Leitsatz (amtlich)

Eine Kammer der Steuerbevollmächtigten kann ein berechtigtes Interesse daran haben, daß die Nichtigkeit der Bestellung eines Steuerbevollmächtigten festgestellt wird.

 

Normenkette

FGO § 41; StBerG §§ 9, 31 Abs. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Zulassung bzw. Bestellung des seinerzeitigen Bewerbers X zum Helfer in Steuersachen bzw. Steuerbevollmächtigten rechtswirksam erfolgt ist.

Im Schreiben vom 28. Oktober 1961, beim Staatsminister der Finanzen eingegangen am 31. Oktober 1961, beantragte X die "alsbaldige Zulassung als Helfer in Steuersachen". Er machte eine langjährige umfangreiche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerrechts geltend und wies die persönliche Eignung und Zuverlässigkeit durch Erklärungen mehrerer im Wirtschaftsleben sehr bekannter Persönlichkeiten nach. Mit Entschließung vom 31. Oktober 1961, bei der beklagten Oberfinanzdirektion (OFD) am gleichen Tage eingegangen, wies das Ministerium diese nach Zurückstellung von Bedenken an, X unter Befreiung von der Prüfung als Helfer in Steuersachen zuzulassen und die Zulassungsurkunde "noch mit dem Datum der heutigen Entschließung ausfertigen zu lassen"; nach den beiliegenden Bestätigungen scheine X die erforderliche Sachkunde, persönliche Eignung und Zuverlässigkeit zu besitzen. Die OFD war zeitlich nicht mehr in der Lage, noch am 31. Oktober 1961 das Finanzamt (FA) anzuweisen, X an diesem Tage als Helfer in Steuersachen zuzulassen. Auf einen Bericht der OFD hin stellte sich das Ministerium am 24. April 1962 auf den Standpunkt, daß mit Rücksicht darauf, daß die Ministerialentschließung vom 31. Oktober 1961 dem Antragsteller am gleichen Tage inhaltlich mündlich mitgeteilt worden sei "man davon auszugehen haben" werde, daß "die Zulassung als Steuerbevollmächtigter bekanntgegeben und wirksam geworden" sei; die Aushändigung der Urkunde und die anderen Formalitäten hätten demnach lediglich deklaratorische Bedeutung. Die Zulassungsurkunde wurde X daraufhin im August 1962 ausgehändigt. Die Klägerin, der als der zuständigen Kammer der Steuerbevollmächtigten das mitgeteilt wurde, erbat und erhielt schließlich Kenntnis von den Vorgängen. Sie beantragte mit Schreiben vom 20. Oktober 1965 bei der OFD, den Antrag von X auf Eintragung in das Berufsregister der Steuerbevollmächtigten abzulehnen, da er am 1. November 1961 nicht als Helfer in Steuersachen zugelassen gewesen und daher auch nicht auf Grund von § 109 Abs. 1 StBerG vom 16. August 1961 (BGBl I, 1301) kraft Gesetzes Steuerbevollmächtigter geworden sei. Eine auf die Zeit vor Inkrafttreten des StBerG - 1. November 1961 - rückwirkende Bestellung sei nicht zulässig. Die OFD lehnte den Antrag der Klägerin ab. Mit Schreiben vom 30. März 1966 teilte sie der Klägerin die Eintragung des X in das Berufsregister für Steuerbevollmächtigte mit. Eine Dienstaufsichtsbeschwerde der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Die Klägerin erhob mit Schreiben vom 21. März 1966 Klage u. a. mit den Anträgen, festzustellen, daß die Bestellung des X als Helfer in Steuersachen vor Inkrafttreten des StBerG nicht rechtswirksam erfolgt und daß daher seine Eintragung in das Berufsregister der Steuerbevollmächtigten zu löschen sei. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als nicht zulässig mit der Begründung ab, der Klägerin mangle es an einem (baldigen) Feststellungsinteresse im Sinne des § 41 FGO.

Mit der Revision macht die Klägerin insbesondere geltend: Entgegen den Ausführungen in der Vorentscheidung habe die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, ob X wirksam als Steuerbevollmächtigter bestellt worden sei, weil davon seine Mitgliedschaft in der Berufskammer abhänge. Wenn der Gesetzgeber den Berufskammern auch nicht ausdrücklich ein Klagerecht eingeräumt habe, so liege das nur daran, daß er an einen Fall der vorliegenden Art nicht gedacht habe; sonst hätte er der Kammer sicherlich eine Klagebefugnis zugesprochen, wenn er nicht angenommen hätte, daß eine solche bereits auf Grund allgemeiner Gesetzesvorschriften gegeben sei. Im vorliegenden Fall sei eine Bestellung als Steuerbevollmächtigter unter Umgehung des Zulassungsausschusses und unter Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften vorgenommen worden. § 34 StBerG betreffe nur die Aufgaben der Berufskammer im allgemeinen; das schließe jedoch nicht aus, daß die Kammer im besonderen berechtigt sei, ihre Mitgliedschaftsverhältnisse gerichtlich nachprüfen zu lassen. Im übrigen gehöre es auch zur Wahrung der beruflichen Belange der anderen Mitglieder der Kammer, wenn diese sich dagegen wehre, daß "unqualifizierte Personen" zu Steuerbevollmächtigten bestellt würden.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen und der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Zutreffend geht das FG von § 41 FGO aus. Danach kann die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Das "berechtigte" Interesse kann ein rechtliches, ein wirtschaftliches oder ein ideelles sein. Das Feststellungsinteresse im Sinne des § 41 FGO ist Voraussetzung für ein Sachurteil; fehlt es, so wird die Klage als unzulässig abgewiesen; wird es zu Unrecht verneint, so liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel vor (von Wallis-List in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Anm. 9 zu § 41 FGO). Nach § 31 Abs. 2 StBerG bilden die Steuerbevollmächtigten, die in einem Oberfinanzbezirk ihre berufliche Niederlassung haben, eine Berufskammer der Steuerbevollmächtigten. Das bedeutet, daß der einzelne Berufsangehörige nicht durch eine besondere Beitrittserklärung, sondern durch seine Bestellung zum Steuerbevollmächtigten Mitglied der Kammer wird. Da demnach die Mitgliedschaft von der Bestellung abhängt, ist die Berufskammer durch die Bestellung rechtlich unmittelbar betroffen. Daraus ergibt sich, daß die Kammer dann, wenn nach den Umständen des Falles begründete Zweifel bestehen können, ob eine rechtswirksame Bestellung vorliegt und damit der Bestellte Mitglied der Kammer mit den daran geknüpften Rechtsfolgen geworden ist, ein berechtigtes Interesse daran hat, daß durch baldige gerichtliche Feststellung geklärt wird, ob die Bestellung nichtig ist oder nicht. Ein solches Feststellungsinteresse ist - entgegen der Meinung des FG - nicht deshalb zu verneinen, weil die Kammer nach dem Gesetz nicht zur Mitwirkung bei der Bestellung von Steuerbevollmächtigten berufen ist. Im Streitfall kann nicht in Abrede gestellt werden, daß die Umstände - Entschließung des Ministeriums, Übersendung an die OFD, aber nur mündliche Mitteilung an den Bewerber vor Inkrafttreten des StBerG - erhebliche Zweifel begründen, ob darin eine rechtswirksame Zulassung nach altem Recht liegt, und daß die Klägerin daher ein berechtigtes Interesse an der Klärung dieser Frage hat. Die Zweifel des FG, ob die Klägerin berechtigt sei, in Berufsangelegenheiten einzugreifen, die vor Errichtung der Kammern liegen, können jedenfalls nicht dazu führen, ein Feststellungsinteresse deshalb auszuschließen, weil die umstrittene Zulassung bzw. Bestellung im Streitfalle vor Errichtung der Kammer stattgefunden hat; denn auch bei dieser Aufeinanderfolge der Vorgänge sind Zulassung bzw. Bestellung für die Zugehörigkeit zur Kammer entscheidend.

Da demnach die Vorinstanz im Streitfall zu Unrecht das Vorliegen eines berechtigten Feststellungsinteresses der Klägerin verneint und schon aus diesem Grunde die Klage abgewiesen hat, war die Vorentscheidung aufzuheben.

Die Sache ist nicht spruchreif. Auf Grund ihrer unzutreffenden Rechtsauffassung hat es die Vorinstanz unterlassen, die Frage zu prüfen, ob eine wirksame Zulassung bzw. Bestellung des X zum Steuerbevollmächtigten vorliegt. Es fehlt daher an einer Sachentscheidung des FG. Aus diesem Grunde war die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Dieses wird nicht lediglich zu prüfen haben, ob die Handlungen des Ministeriums am 31. Oktober 1961 eine rechtsgültige Zulassung als Helfer in Steuersachen darstellen. Denn wenn auch die Klägerin in der Vorinstanz nur den Antrag gestellt hat, festzustellen, daß die Bestellung des Steuerbevollmächtigten X zum Helfer in Steuersachen vor Inkrafttreten des StBerG nicht rechtswirksam erfolgt ist, so ist aus ihrem weiteren Antrage, die Löschung der Eintragung im Berufsregister - der im übrigen keine rechtsbegründende Wirkung zukommt - anzuordnen, zu entnehmen, daß sie auch die erhebliche Zeit nach den Handlungen des Ministeriums und nach dem Inkrafttreten des StBerG vom FA vorgenommene Aushändigung der Urkunde über eine rückwirkende Zahlung als nichtigen Verwaltungsakt ansieht und eine entsprechende Feststellung erstrebt. Das FG wird daher, gegebenenfalls nach Befragung der Klägerin gemäß § 76 Abs. 2 FGO, auch über die etwaige Nichtigkeit dieses letzgenannten Verwaltungsakts zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69174

BStBl II 1970, 873

BFHE 1971, 288

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