Entscheidungsstichwort (Thema)

"Familienhausstand" als Voraussetzung für doppelte Haushaltsführung

 

Leitsatz (NV)

1. Eine doppelte Haushaltsführung i. S. von § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG setzt u. a. einen ,,Familienhausstand" voraus. Ein solcher liegt nicht vor, wenn ein türkischer Staatsangehöriger in seinem Heimatland eine Türkin nur kirchlich geheiratet hat.

2. Der Grundsatz von Treu und Glauben verpflichtet das Finanzamt nicht, eine bei früheren Veranlagungen zu Unrecht anerkannte doppelte Haushaltsführung auch in Zukunft als gegeben zu erachten.

3. Wenn keine doppelte Haushaltsführung vorliegt, sind die in diesem Zusammenhang geltend gemachten Kosten für Familienheimfahrten unter dem Gesichtspunkt der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu prüfen.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 Nrn. 4-5

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein türkischer Staatsangehöriger, ist im September 1965 in der Türkei nach islamischen Ritus kirchlich getraut worden. Im Jahr 1966 reiste er in die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) und ist seitdem hier beschäftigt. Im Februar 1970 heiratete er in seiner Heimat vor dem Standesbeamten.

Der Kläger, der für 1983 Aufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung als Werbungskosten geltend macht, trägt vor, er habe seit seiner kirchlichen Trauung in seiner Heimat einen eigenen Hausstand gehabt. Dort habe er 1964 ein Haus erworben, in dem seit seiner kirchlichen Heirat nur seine Frau und die später geborenen Kinder gelebt hätten. Zu diesem Haushalt habe er finanziell beigetragen. Deshalb habe auch der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) seine Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung bis zum Lohnsteuer-Jahresausgleich 1982 steuerlich anerkannt.

Die erstmalige Ablehnung durch das FA im Streitjahr 1983 sei rechtswidrig. Zwar sei dem FA zuzugeben, daß eine kirchliche Trauung nach türkischem Recht nicht wirksam sei. Es müsse jedoch berücksichtigt werden, daß nach einer Auskunft des türkischen Konsulats in der Türkei auf dem Lande häufig nur die kirchliche Trauung gewählt und gewohnheitsrechtlich auch anerkannt sei. Aber auch als Unverheiratetem stehe ihm, dem Kläger, die doppelte Haushaltsführung zu, weil seine spätere Frau als Verlobte zu den Angehörigen i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gehöre. Zudem sei das FA nach Treu und Glauben an die bisherige steuerliche Anerkennung der doppelten Haushaltsführung gebunden. Denn durch die Beurteilung eines einmaligen Geschehens, wie hier der Begründung des Hausstandes in der Türkei, schaffe die Behörde für die Zukunft einen Vertrauenstatbestand.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1985, 492, veröffentlichten Urteil im wesentlichen aus, die doppelte Haushaltsführung des Klägers sei im Zeitpunkt ihrer Begründung nicht beruflich veranlaßt gewesen. Denn der Kläger sei bei seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik im Jahr 1966 nicht verheiratet gewesen. Für diese Frage komme es allein auf das türkische Zivilrecht an (Art. 13 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch - EGBGB -). Nach türkischem Zivilrecht sei aber die Eheschließung in nur religiöser Form unwirksam; insoweit folge der Senat der eingeholten Rechtsauskunft des türkischen Justizministeriums, nach der eine nur in religöser Form geschlossene Ehe keine rechtlichen Folgen habe und auch das Gewohnheitsrecht des betreffenden Ortes nicht als subsidiäre Rechtsquelle in Betracht komme.

Aber auch als Unverheiratetem (im Zeitpunkt der Übersiedlung) stünden dem Kläger die an eine doppelte Haushaltsführung geknüpften Vergünstigungen nicht zu. Denn die Rechtsprechung erkenne bei einem Ledigen eine doppelte Haushaltsführung nur an, wenn er in einen außerhalb des Beschäftigungsorts befindlichen Haushalt einen von ihm finanziell abhängigen Angehörigen aufgenommen habe. Dies sei seine damalige Verlobte nicht gewesen.

Schließlich sei das FA auch nicht nach Treu und Glauben verpflichtet, den Kläger für das Streitjahr steuerlich so zu stellen, wie er in den 16 vorangegangenen Lohnsteuer-Jahresausgleichsverfahren, in denen die doppelte Haushaltsführung anerkannt wurde, gestellt worden sei. Dem stünden die Grundsätze der Abschnittsbesteuerung und der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung entgegen. Auch habe das FA entgegen der Auffassung des Klägers keinen Vertrauenstatbestand geschaffen; denn der Kläger habe sein Verhalten, insbesondere seine Einreise in die Bundesrepublik, hierauf nicht ausgerichtet und deshalb keine steuerlichen Dispositionen für die Zukunft getroffen.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Wie der Senat in seinem Urteil vom 22. September 1988 VI R 53/85 (BFHE 155, 77, BStBl II 1989, 293) entschieden hat, setzt eine doppelte Haushaltsführung i. S. von § 9 Abs. 1 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) u. a. einen ,,Familienhausstand" voraus. Er hat dies zusammenfassend aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG sowie aus dem Tatbestandsmerkmal der ,,Familienheimfahrt" gefolgert. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird Bezug genommen auf das Urteil VI R 53/85.

Wie sich aus den Ausführungen im Urteil VI R 53/85 weiter ergibt, setzt ein Familienhausstand im vorbezeichneten Sinne eine eheliche oder eine sonstige enge familiäre Verbindung des Steuerpflichtigen mit der in seinem Haushalt lebenden Person voraus. Bei einem Türken, der im Heimatland eine Türkin nur kirchlich geheiratet hat, fehlt es sowohl an einer ehelichen Verbindung wie auch an einer sonstigen engen familiären Beziehung im vorerwähnten Sinne des Arbeitnehmers zu seiner kirchlich angetrauten Braut. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auch insoweit auf das Urteil VI R 53/85 verwiesen.

Hinsichtlich des geltend gemachten Verstoßes gegen Treu und Glauben sind die Ausführungen des FG revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.

Die Vorentscheidung muß dennoch aufgehoben werden. Denn der Kläger hat auch Fahrtkosten für eine Heimfahrt in Höhe von 765 DM als Kosten der doppelten Haushaltsführung geltend gemacht. Diese Aufwendungen hat das FG nicht unter dem Gesichtspunkt des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG geprüft. Dies wird es unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Senats nachzuholen haben (Urteile vom 13. Dezember 1985 VI R 7/83, BFHE 145, 386, BStBl II 1986, 221, und vom 9. Juni 1988 VI R 85/85, BFHE 154, 59, BStBl II 1988, 990).

 

Fundstellen

BFH/NV 1989, 439

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