Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Tätigkeit als "künstlerisch" anzusehen ist, darf sich das Finanzgericht nicht ausschließlich auf eine nicht mit Gründen versehene Begutachtung durch den bei einer Oberfinanzdirektion gebildeten Gutachterausschuß stützen.

Der Bau von Architekturmodellen stellt im allgemeinen keine der Tätigkeit eines Architekten vergleichbare und keine künstlerische Tätigkeit dar.

 

Normenkette

GewStG § 2 Abs. 1; EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1, § 15/1

 

Tatbestand

Zu entscheiden ist, ob der Bau von Architekturmodellen als gewerbliche oder als freiberufliche Tätigkeit anzusehen ist und ob der Steuerpflichtige (Stpfl.) seine Arbeitskraft in steuerschädlicher Weise vervielfältigt hat.

Der Stpfl., der als Architekt ausgebildet worden ist, baut seit 1952 in selbständiger Tätigkeit Modelle von Gebäuden, die andere Architekten entworfen haben.

Das Finanzamt hat den Stpfl. im Verfahren des Gewerbesteuermeßbescheids für 1956 aus folgenden zwei Erwägungen für gewerbesteuerpflichtig gehalten:

Seine Tätigkeit sei weder künstlerisch noch der eines Architekten vergleichbar,

er habe seine Arbeitskraft in steuerschädlicher Weise vervielfältigt.

Der Stpfl. ist der Ansicht, seine Tätigkeit sei eine künstlerische und mit der eines Architekten zu vergleichen.

Den von ihm eingelegten Einspruch gegen den Bescheid hat das Finanzamt zurückgewiesen. Die vom Stpfl. gegen die Einspruchsentscheidung durchgeführte Berufung hatte Erfolg. Das Finanzgericht hob die Einspruchsentscheidung und den Gewerbesteuermeßbescheid auf und stellte den Stpfl. von der Gewerbesteuer frei. Es nahm an, der Stpfl. übe eine künstlerische Tätigkeit aus; es liege auch keine Vervielfältigung seiner Arbeitskraft vor.

Hiergegen richtet sich die Rb. des Vorstehers des Finanzamts, mit der er Wiederherstellung des Bescheids erstrebt. Er macht geltend, die vom Stpfl. erstellten Modelle seien Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens und keine Kunstwerke. Nach der Fertigstellung des Bauwerkes habe das Modell seine werbende Wirkung erfüllt, es werde zerstört oder als überflüssig beiseite gestellt. Außerdem müsse auch von einer Vervielfältigung der Arbeitskraft des Stpfl. gesprochen werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts hat Erfolg.

I. Das Finanzgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dem Stpfl. sei von einem bei der Oberfinanzdirektion gebildeten Gutachterausschuß für Architektur (allerdings für den Bereich der Umsatzsteuer) bestätigt worden, daß er Künstler im Sinne des § 4 Ziff. 17 UStG sei. Der Vorsitzende des vom Finanzgericht wegen eines weiteren Gutachtens befragten Gutachterausschusses bei der Oberfinanzdirektion für die Bereiche der bildenden und angewandten Kunst habe erklärt, der Ausschuß würde, da schon eine gutachtliche äußerung des Ausschusses für Architektur vorliege, voraussichtlich diesen Ausschuß auch für die neue Anfrage für zuständig ansehen. Denn die Wahl des Ausschusses richte sich nicht nach der Art der Steuer, sondern nach der Art des Schaffens. Aus dem früheren Gutachten ergebe sich, daß die Tätigkeit des Stpfl. eine künstlerische sei. Der Gutachterausschuß habe sich seine Ansicht auf Grund von Arbeitsproben des Stpfl. gebildet, sich also nicht nur dazu geäußert, ob der Stpfl. Künstler sei, sondern auch - worauf es ankomme -, ob er tatsächlich Kunstwerke geschaffen habe.

Diese Begründung trägt die Entscheidung des Finanzgerichts nicht. Es ist nicht erkennbar, woraus das Gericht seine überzeugung geschöpft hat, daß es sich bei der Tätigkeit des Stpfl. um eine künstlerische Tätigkeit handele. Das Urteil läßt jede Auseinandersetzung mit dem Begriff des Künstlerischen vermissen. Es beruft sich allein auf ein Gutachten. Dieses Gutachten selbst gibt aber keinen Hinweis, woraus die Gutachter ihre überzeugung geschöpft haben. Damit setzt das Finanzgericht, das allein zur Entscheidung berufen ist, an die Stelle seiner Entscheidung die nicht nachprüfbare Entscheidung eines Gutachterausschusses.

II. Der Senat ist in der Lage, unter Aufhebung der Vorentscheidung an Stelle des Finanzgerichts zu entscheiden, und zwar im Sinn der Zurückverweisung der Berufung.

Der Stpfl. ist nicht freiberuflich tätig, sondern Gewerbetreibender.

Gemäß § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG in der für den Veranlagungszeitraum 1956 geltenden Fassung sind Einkünfte aus selbständiger Arbeit Einkünfte aus freien Berufen. Zu den freien Berufen gehören insbesondere die wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit, die Berufstätigkeit der ärzte, Rechtsanwälte und Notare, der Ingenieure, der Architekten, der Handelschemiker, der Heilpraktiker, der Dentisten, der Landmesser, der Wirtschaftsprüfer, der Steuerberater, der Buchsachverständigen und ähnlicher Berufe.

Es liegt auf der Hand, daß der Stpfl. keinen der einzeln aufgeführten Berufe ausübt. Er ist zwar als Architekt ausgebildet, übt aber den Beruf des Architekten in seiner typischen Form der Bauplanung und der Bauleitung nicht aus. Er übt auch keinen ähnlichen Beruf aus. Man könnte nur an eine ähnlichkeit mit dem Beruf des Architekten denken, während eine ähnlichkeit mit den anderen erwähnten Berufen von vornherein ausscheidet. Die Herstellung von Modellen von Bauwerken weicht aber von der Planung und überwachung der Ausführung von Bauwerken so erheblich ab, daß die ähnlichkeit nicht bejaht werden kann. Während die eigentliche und typische Leistung des Architekten im Entwerfen (und danach erst der Ausführung des Entworfenen) liegt, der Architekt also im wesentlichen eine schöpferische Tätigkeit ausübt, stellt der Bau von Modellen nach einem vorgegebenen Plan im wesentlichen ein Schaffen dar, bei dem der Akzent der Tätigkeit auf der Ausführung liegt, wobei allerdings hinsichtlich der Ausgestaltung im einzelnen Raum für schöpferische Arbeit bleiben mag.

Da § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG nicht einen allgemeinen Begriff des Freischaffenden aufstellt, wobei dann der Stpfl. einen diesem allgemeinen Typ ähnlichen Beruf haben müßte, sondern da die ähnlichkeit mit einem der im einzelnen aufgezählten Berufe vorhanden sein muß (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs IV 131/51 U vom 27. März 1952, BStBl 1952 III S. 170, Slg. Bd. 56 S. 439; IV 6/53 U vom 4. Februar 1954, BStBl 1954 III S. 147, Slg. Bd. 58 S. 618), käme nur noch in Betracht, daß der Stpfl. eine "künstlerische" Tätigkeit ausübt.

Eine künstlerische Tätigkeit wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß sie der Gewinnerzielung dient. Nach den seit dem Urteil des Senats IV 560/56 U vom 20. Februar 1958 (BStBl III S. 182, Slg. Bd. 66 S. 47) in ständiger Rechtsprechung (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs IV 96/57 vom 17. Juli 1958, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Gewerbesteuergesetz § 2 Abs. 1, Rechtsspruch 96; IV 78/58 vom 2. Juni 1960, StRK, Gewerbesteuergesetz § 2 Abs. 1, Rechtsspruch 115; IV 105/58 vom 10. März 1960, StRK, Gewerbesteuergesetz § 2 Abs. 1, Rechtsspruch 111; IV 60/58 vom 20. Oktober 1960, StRK, Gewerbesteuergesetz § 2 Abs. 1, Rechtsspruch 126; IV 234/58 vom 2. Februar 1961, StRK, Gewerbesteuergesetz § 2 Abs. 1, Rechtsspruch 131; IV 321/61 U vom 24. Januar 1963, BStBl 1963 III S. 216, Slg. Bd. 76 S. 592) vertretenen Grundsätzen, die jetzt auch vom V. Senat vertreten werden (vgl. Entscheidung V 96/59 S vom 11. Juli 1960, BStBl 1960 III S. 453, Slg. Bd. 71 S. 549), wird eine freiberufliche Tätigkeit nicht zur gewerblichen, weil das Geschaffene zu gewerblichen Zwecken verwendet werden soll (z. B. zur Werbung). Das Vorbringen des Finanzamts, die Modelle würden nur zu Werbezwecken gebraucht, hätten sie ihren werbenden Zweck erfüllt, so würden sie zerstört oder als überflüssig beiseite gestellt, ist also nicht entscheidend.

Bei der Abgrenzung der künstlerischen und der gewerblichen Tätigkeit kommt es darauf an, ob die Tätigkeit als solche als künstlerisch bezeichnet werden kann. Künstlerisch ist nach allgemeinem Sprachgebrauch eine Tätigkeit, die auf Grund einer persönlichen, nicht erlernbaren Begabung Gegenstände oder Gestaltung (nicht notwendigerweise körperlicher Art) hervorbringt (vgl. auch Urteile des Bundesfinanzhofs IV 560/56 U a. a. O. und IV 413/55 vom 21. März 1957, Der Betrieb, 1957, S. 447). Der Zweck des Schaffens kann allerdings insofern bedeutsam werden, als bei einer eindeutigen Zweckbestimmung unter Umständen kein Raum mehr ist für eine eigenschöpferische Tätigkeit, weil wegen des erstrebten Zweckes vom Auftraggeber bis ins einzelne gehende Anweisungen erteilt sind (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs IV 234/58 a. a. O. und IV 321/61 U a. a. O.).

Es kommt im vorliegenden Falle in erster Linie darauf an, ob dem Stpfl. die ihm von seinen Auftraggebern gestellten Aufgaben Raum für eine eigene schöpferische Tätigkeit ließen und ob er die persönliche, nicht erlernbare Begabung hat, ein Kunstwerk zu schaffen.

Schon das Vorliegen der erstgenannten Voraussetzung ist zu verneinen, wie der Senat auch ohne Einholung eines Gutachtens zu beurteilen vermag.

Das wesentliche Merkmal der Tätigkeit des Stpfl. besteht darin, einen von einem anderen geschaffenen Plan zu veranschaulichen. Dabei hat er zwar hinsichtlich der Gestaltung im einzelnen gewisse Freiheiten, z. B. in der Farbwahl, in der Wahl des Werkstoffes, der dem endgültig zu verwendenden Baustoff nicht entspricht, aber dennoch dessen Eindruck vermitteln soll, und in der Frage, wie bei Verkleinerungen trotz Weglassens von Details der Gesamteindruck erhalten bleibt. Es mag auch sein, daß der Stpfl. in Einzelfällen die Freiheit hat, gewisse änderungen vorzunehmen, die dem Auftraggeber dann Anlaß geben, seinen Plan entsprechend zu ändern. Diese Eigengestaltungsmöglichkeiten erscheinen dem Senat aber nicht ausreichend, um eine eigenschöpferische künstlerische Tätigkeit des Stpfl. bejahen zu können. Die Erzielung von Wirkungen durch Wahl von Farben und Werkstoffen und durch Weglassung von Details sind im allgemeinen ebenso erlernbar wie die harmonische Zusammenfügung des Modells. Auch wenn dabei änderungen kleineren Umfangs vorgenommen werden, die das Bauwerk selbst in seiner endgültigen Gestaltung beeinflussen, liegt darin keine so wesentliche Tätigkeit, daß man die Gesamtleistung des Stpfl. als künstlerisch ansprechen könnte. Die Modelle, deren Fotografien bei den Akten sind, zeugen zwar von einem hervorragenden Können. Sie sind aber keine "Kunstwerke" im allgemein üblichen Sinne.

 

Fundstellen

BStBl III 1963, 598

BFHE 1964, 758

BFHE 77, 758

StRK, EStG:18 R 290

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