Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Anwendung der Tarifvergünstigung des § 34b EStG 1955 wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß die in einem forstwirtschaftlichen Betrieb angefallenen außerordentlichen Holznutzungen einkommensteuerlich zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb zu rechnen sind, vorausgesetzt, daß die gesamten Einnahmen und Betriebsausgaben des forstwirtschaftlichen Betriebes von den übrigen gewerblichen Einnahmen und Betriebsausgaben klar abgrenzbar sind.

 

Normenkette

EStG § 34b

 

Tatbestand

Der Bg. ist mit seinen beiden Brüdern Gesellschafter der Firma X. Offene Handelsgesellschaft (OHG); jeder Gesellschafter ist zu 1/3 am Betriebsvermögen und am Gewinn beteiligt. Die OHG betreibt eine Brauerei, ein Hotel mit Gastwirtschaft, die Vermietung von Grundstücken sowie eine Land- und Forstwirtschaft. Die Eltern der Gesellschafter hatten diese Betriebe früher als Einzelunternehmen geführt. Innerhalb einer zusammengefaßten Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung stellt die OHG ihr Vermögen und ihre Gewinnermittlungen für die einzelnen Betriebszweige getrennt auf. Das Gesamtergebnis wird vom Finanzamt einheitlich als Gewinn aus Gewerbebetrieb festgestellt und auf die drei Gesellschafter verteilt. Im Streitjahr erzielte die OHG folgende Erlöse aus Holznutzung:

------------------------------- fm -------- DM Ordentliche Holznutzung (laut Betriebsgutachten) ------ 70 ----- 6.960,20 Kalamitätsnutzung ------------ 107,12 -- 6.161,68 außerordentliche Holznutzung - 80,71 Nachholzung ------------------- 60 ---- 13.990,79 --------------------------------------- 27.112,67.Streitig ist, ob dem Bg. bei seiner Einkommensteuerveranlagung hinsichtlich der auf ihn entfallenden Einkünfte aus Holznutzung die ermäßigten Steuersätze gemäß § 34 b EStG 1955 zustehen. Das Finanzamt hatte diese Vergünstigung im Einkommensteuerbescheid vom 2. November 1956 gewährt. Im Anschluß an eine im Dezember 1957 bei der OHG erfolgte Betriebsprüfung, bei der der erklärte Gewinn aus Gewerbebetrieb von 73.277 DM auf 83.220 DM erhöht wurde, unterwarf jedoch das Finanzamt die fraglichen Einkünfte dem normalen Steuersatz (berichtigter Bescheid vom 22. April 1958). Das Finanzamt ist der Auffassung, daß die Vergünstigung des § 34 b EStG 1955 nur für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Frage komme, die OHG und damit auch der Bg. als ihr Gesellschafter jedoch nur Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt hätten.

Die hiergegen eingelegte Sprungberufung hatte Erfolg. Das Finanzgericht führte im wesentlichen zur Begründung seiner Entscheidung folgendes aus: Nach § 34 Abs. 3 EStG in der vor 1955 geltenden Fassung seien Einkünfte aus außerordentlichen Waldnutzungen auch dann steuerbegünstigt gewesen, wenn sie in einem gewerblichen Betrieb angefallen seien. Durch die Schaffung des neuen § 34 b EStG 1955, der die überschrift "Steuersätze bei außerordentlichen Einkünften aus Forstwirtschaft" trage, sei die Rechtslage nicht verändert worden; denn es könne nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber durch die überschrift des neuen § 34 b EStG 1955 die Steuerbegünstigung nur auf die Einkünfte aus dem Betrieb einer Forstwirtschaft im Sinne von § 2 Abs. 3 Ziff. 1, § 13 Abs. 1 Ziff. 1 EStG habe beschränken wollen.

Mit der Rb. wird vom Vorsteher des Finanzamts geltend gemacht, daß die vom Finanzgericht vertretene Auffassung dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes widerspreche. Wenn das Finanzgericht bei der Urteilsfindung davon ausgehe, daß durch die Neufassung, insbesondere die überschrift des § 34 b EStG 1955, gegenüber dem bisherigen § 34 Abs. 3 EStG nichts Neues geschaffen werden sollte, dann sei das wohl zutreffend. Nicht zutreffend sei aber die Auffassung des Finanzgerichts, daß nach § 34 Abs. 3 EStG alter Fassung sämtliche Einkünfte aus dem Betrieb einer Forstwirtschaft ohne Rücksicht darauf, ob es sich um Einkünfte aus Forstwirtschaft oder um gewerbliche Einkünfte handle, begünstigt gewesen seien. Die Vergünstigung nach § 34 b EStG 1955 bei außerordentlichen Waldnutzungen sei nur dann zu gewähren, wenn die Waldnutzung zu den land- und forstwirtschaftlichen Einkünften gehöre, nicht aber bei gewerblichen Einkünften (Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 304/37 vom 11. August 1937, RStBl 1937 S. 1094; Blümich-Falk, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 6. Aufl., Anm. 9 b zu § 34 EStG).

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:

Die Frage, ob die von einer Unternehmergemeinschaft erzielten Einkünfte als außerordentliche Holznutzungen im Sinne des § 34 b EStG 1955 angesehen werden können, muß in dem Verfahren der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung (§ 215 AO) entschieden werden. In diesem Verfahren muß auch mit verbindlicher Wirkung für alle Beteiligten (§ 218 Abs. 2 AO) festgestellt werden, ob die Voraussetzungen für die Gewährung der Steuervergünstigung des § 34 b EStG 1955 sämtlich erfüllt sind, also auch die hier streitige Vorfrage, ob in den Fällen, in denen eine OHG neben mehreren Gewerbebetrieben eine Land- und Forstwirtschaft betreibt, die Steuervergünstigung des § 34 b EStG 1955 für die Erlöse aus außerordentlichen Holznutzungen im Hinblick auf den gewerblichen Charakter der gesamten Einkünfte der OHG gewährt werden kann. In dem Veranlagungsverfahren der Gesellschafter wird zwar über die Anwendung der Vergünstigungsvorschriften entschieden; es entspricht jedoch dem Sinn und Zweck des § 215 AO, diese Vorfrage im einheitlichen Feststellungsverfahren zu klären, um widersprechende Entscheidungen für mehrere Beteiligte auszuschließen. Aus diesem Grunde hat auch der I. Senat im Urteil I 294/56 U vom 10. September 1957 (BStBl 1957 III S. 414, Slg. Bd. 65 S. 468) ausgesprochen, daß die Frage, ob ein von einer Personengesellschaft erzielter Gewinn ein laufender oder ein Veräußerungsgewinn sei, grundsätzlich im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung nach § 215 AO zu entscheiden sei (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs IV 141/58 U vom 1. Oktober 1959, BStBl 1960 III S. 23, Slg. Bd. 70 S. 57, wonach das gleiche wegen einer Entschädigung im Sinne von § 24 Ziff. 1 EStG zu gelten hat). Die Vorschrift des § 215 AO ist in erster Linie von Zweckmäßigkeitserwägungen bestimmt. Daher wird dieser Gesichtspunkt bei ihrer Anwendung besonders in dem Fall zu berücksichtigen sein, in dem widersprechende Entscheidungen für mehrere Beteiligte nicht in Frage kommen können. Da im vorliegenden Fall sowohl die einheitliche Gewinnfeststellung für die OHG wie auch die Veranlagungen sämtlicher Gesellschafter von der gleichen Veranlagungsstelle des Finanzamts vorgenommen werden und auch die Rbn. für sämtliche Beteiligten vorliegen, hat der erkennende Senat - auch aus prozeßökonomischen Erwägungen - davon abgesehen, die Vorentscheidung aus diesem Grunde aufzuheben, zumal im Ergebnis der Entscheidung des Finanzgerichts beizutreten sein wird.

Wie bereits im Urteil des Bundesfinanzhofs IV 223/58 S vom 17. Dezember 1959 (BStBl 1960 III S. 72, Slg. Bd. 70 S. 195) ausgeführt ist, ist § 34 Abs. 2 Ziff. 2 EStG 1953 auf alle Entschädigungen anwendbar, gleichgültig, im Rahmen welcher der Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 EStG sie angefallen sind. Der Senat hält an der einengenden Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (vgl. z. B. Urteil VI 349/43 vom 5. Juli 1944, RStBl 1944 S. 641) nicht mehr fest. Aus den gleichen Erwägungen wird man auch entgegen der Auffassung der Rb. keine allgemeine Einschränkung dergestalt annehmen können, daß Forstnutzungen innerhalb bestimmter Einkunftsarten von vornherein von der Tarifvergünstigung ausgeschlossen seien. Es ist nicht einzusehen, warum aus der Gesamtheit der Einkünfte aus Gewerbebetrieb, auch wenn diese durch Vermögensvergleich ermittelt worden sind, nicht bestimmte, klar abgrenzbare Einkünfte zum Zwecke der Anwendung eines Vorzugstarifs sollten ausgesondert werden können. Wenn der Reichsfinanzhof in der von der Rb. erwähnten Entscheidung VI A 304/37 vom 11. August 1937 ausgeführt hat, daß es der Vorschrift des § 5 EStG zuwiderlaufen würde, wollte man bei dem für die Gewinnermittlung des buchführenden Kaufmanns vorgesehenen Bestandsvergleich eine Aussonderung bestimmter Einnahmen zulassen, so wird dem zuzustimmen sein; darum geht es aber hier nicht. An der Grundlage der Gewinnermittlung wird durch die Aussonderung bestimmt abgrenzbarer Teile dieses Gewinns zwecks Anwendung eines günstigeren Tarifs nichts geändert. Voraussetzung ist jedoch, daß diese Einkünfte in einem nach forstwirtschaftlichen Grundsätzen geführten Betrieb angefallen sind. Es scheiden also die Fälle aus, in denen es an einem forstwirtschaftlichen Betrieb überhaupt fehlt, wie etwa bei einem Grundstücksmakler oder Holzhändler, der erworbene Waldparzellen abholzen läßt, um den Grund und Boden weiterzuveräußern. Ferner liegt kein forstwirtschaftlicher Betrieb vor, wenn einem Erben in einem Erbauseinandersetzungsvertrag das Recht eingeräumt wird, den Holzbestand nach Schlagreife abzuholzen (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 202/52 U vom 28. August 1952, BStBl 1952 III S. 268, Slg. Bd. 56 S. 697), oder beim Abholzen von Baumreihen, die ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück einrahmen oder durchziehen (Urteil des Reichsfinanzhofs VI 440/41 vom 22. Juli 1942, RStBl 1942 S. 872). Voraussetzung ist auch, daß sich die Einkünfte und auch die Betriebsausgaben des forstwirtschaftlichen Betriebes von den gewerblichen klar abgrenzen lassen, so daß eine Verschiebung dieser Einkünfte und eine zu weitgehende Tarifvergünstigung ausgeschlossen sind.

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts war daher als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BStBl III 1960, 486

BFHE 1961, 633

BFHE 71, 633

StRK, EStG:34b R 1

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