Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Auch die Sonderausgaben im Sinne des § 10a EStG (steuerfreier nicht entnommener Gewinn) sind wie die übrigen Sonderausgaben von den nicht nach § 34 EStG begünstigten Einkünften abzuziehen. Das Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs VI 3/46 S vom 16. April 1947 (MinBlFin 1949/1950 S. 325), das einen Steuerfall des Jahres 1943 bzw. § 3 der Steueränderungs-Verordnung vom 20. August 1941 betraf, und Abschn. 156 Abs. 3 Satz 1 EStR 1953 entsprechen nicht der heutigen Rechtslage.

 

Normenkette

EStG §§ 10a, 34 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der steuerfreie nicht entnommene Gewinn im Sinne des § 10a des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1953 anteilmäßig auf die ordentlichen und außerordentlichen Einkünfte aufzuteilen ist.

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist als Gesellschafter an zwei Personengesellschaften mit je 50 v. H. am Gewinn und Verlust beteiligt. Für das Jahr 1953 ergaben sich folgende Gewinne bzw. Verluste:

Gewinn Gesellschaft A. ------------------------- 49.684 DM Verlust Gesellschaft B. -------------------- ./. 2.317 DM außerordentlicher Gewinn Gesellschaft B. (aus Verkauf einer Betriebstätte) ------------------- 22.736 DM Gesamtgewinn: ---------------------------------- 70.103 DM.Der Bf. beantragte für den Veräußerungsgewinn in Höhe von 22.736 DM den ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 1 EStG. Die Hälfte des nicht entnommenen Gewinns lag mit 21.068 DM geringfügig über dem Höchstbetrag von 20.000 DM, so daß das Finanzamt den Höchstbetrag bei der Veranlagung berücksichtigte. Auf Grund des Abschnitts 156 Abs. 3 Satz 1 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1953 teilte das Finanzamt jedoch den steuerbegünstigten nicht entnommenen Gewinn zwischen den ordentlichen Einkünften und den außerordentlichen Einkünften aus Gewerbebetrieb auf. Danach entfielen auf den Veräußerungsgewinn von 22.736 DM rund 32 v. H. von 20.000 DM 6.400 DM, so daß nur (22.736 DM ./. 6.400 DM = ) 16.336 DM zuzüglich nachbezahlter Zinsen auf Grund des Wertpapierbereinigungsgesetzes in Höhe von (1.302 DM ./. 170 DM = ) 1.132 DM, insgesamt also 17.468 DM, mit dem ermäßigten Steuersatz zur Einkommensteuer herangezogen wurden.

Als Steuersatz wählte das Finanzamt entsprechend Abschnitt 157 Abs. 2 Satz 2 EStR 1953 rund die Hälfte des durchschnittlichen Steuersatzes, der bei einer Veranlagung des gesamten Einkommens ohne die Vergünstigung des § 34 Abs. 1 EStG zum Zuge gekommen wäre. Hiernach ergab sich für den ermäßigt zu versteuernden Betrag von 17.468 DM ein Steuersatz von 18 v. H. = 3.144 DM, während die Einkommensteuer nach der Tabelle 4.571 DM betrug. Außerdem setzte das Finanzamt den nach § 10a Abs. 1 letzter Satz EStG 1953 besonders festzustellenden Betrag des steuerbegünstigten nicht entnommenen Gewinns auf 20.000 DM fest.

Mit der Sprungberufung wandte sich der Bf. gegen die Verteilung der Sonderausgaben des nicht entnommenen Gewinns. Die Vorschrift des § 34 EStG begründe eine echte Steuerherabsetzung; sie werde in unzulässiger Weise eingeschränkt, wenn auf die außerordentlichen Einkünfte Sonderausgaben nach § 10a EStG teilweise angerechnet würden. Außerdem sei es nicht folgerichtig, daß das Finanzamt den besonders festzustellenden Betrag für eine etwaige Nachversteuerung mit 20.000 DM angesetzt habe; entweder müsse der Betrag von 6.400 DM hiervon abgezogen werden, weil er die Höhe des Veräußerungsgewinns beeinflußt habe und daher nicht bzw. nicht in voller Höhe steuerbegünstigt berücksichtigt sei, oder dieser Betrag müsse bei einer etwaigen späteren Nachversteuerung steuerbegünstigt behandelt werden.

Das Finanzgericht hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen. Es hat im wesentlichen folgendes ausgeführt:

Die vom Bf. beanstandete Aufteilung des steuerfreien nicht entnommenen Gewinns 1953 in Höhe von 20.000 DM gehe auf das Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs VI 3/46 S vom 16. April 1947 (Ministerialblatt des Bundesministers der Finanzen 1949/50 S. 325) zurück. Dieses Urteil lasse nur die Auslegung zu, daß in jedem Falle die außerordentlichen Einkünfte vor der Berechnung der ermäßigten Steuer um den Teil des steuerfreien nicht entnommenen Gewinns zu kürzen seien, der verhältnismäßig auf sie entfalle. Dieser Aufteilung liege der Gedanke zugrunde, daß regelmäßig die Höhe der Steuervergünstigung des nicht entnommenen Gewinns durch die außerordentlichen Einkünfte beeinflußt werde. Ohne den Veräußerungsgewinn von 22.736 DM hätte der Bf. nur den Betrag von 9.700 DM als Sonderausgabe wegen nicht entnommenen Gewinns geltend machen können (50 v. H. vom Unterschiedsbetrag zwischen 70.103 DM und 22.736 DM abzüglich der Entnahmen von 27.968 DM). Der wirtschaftliche Zusammenhang der Entnahmen mit den außerordentlichen Einkünften zwinge zu der vorgenommenen verhältnismäßigen Aufteilung. Ob sich die anteilige Verrechnung des nicht entnommenen Gewinns auf die außerordentlichen Einkünfte zum Vorteil oder zum Nachteil des Steuerpflichtigen auswirke, hänge von dem jeweiligen Sachverhalt ab; daher müsse der für eine Nachversteuerung in Betracht kommende Betrag auch den Teil des nicht entnommenen Gewinns enthalten, der mit den außerordentlichen Einkünften verrechnet worden sei.

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) wird darauf gestützt, daß die Entscheidung auf unrichtiger Anwendung des bestehenden Rechts beruhe.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:

Nach § 34 Abs. 1 EStG 1953 ist die Einkommensteuer für außerordentliche Einkünfte, worunter auch der hier in Frage kommende, der Höhe nach unstreitige Veräußerungsgewinn fällt, auf 10 bis 40 v. H. der außerordentlichen Einkünfte zu bemessen, während auf die anderen Einkünfte die Einkommensteuertabelle anzuwenden ist. Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich, daß die außerordentlichen Einkünfte - abweichend von der nach § 2 Abs. 1 EStG vorgesehenen Besteuerung des Einkommens - getrennt von den anderen Einkünften zu versteuern sind, während für die anderen Einkünfte die Einkommensteuer nach der Einkommensteuertabelle festzusetzen ist, wobei auch neben dem in § 2 Abs. 2 EStG vorgesehenen Verlustausgleich der Abzug der Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG zu erfolgen hat. Wenn § 34 EStG auch keine neue Einkommensart schafft und die gesetzlichen Bestimmungen über die Ermittlung der Einkünfte nicht verändert (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 426/53 U vom 25. August 1955, BStBl 1955 III S. 378, Slg. Bd. 61 S. 462, Steuerrechtsprechung in Karteiform, EStG § 34 Abs. 4, Rechtsspruch 3), so ergibt sich doch aus der Fassung des § 34 Abs. 1 EStG, daß für die außerordentlichen Einkünfte die Einkommensteuer gesondert zu berechnen ist. Für das sonstige, nicht aus außerordentlichen Einkünften bestehende Einkommen ist die Einkommensteuer so zu berechnen, als ob außerordentliche Einkünfte nicht vorlägen. Daher sind im Rahmen dieser Veranlagung Verluste, die sich aus einzelnen Einkunftsarten ergeben, auszugleichen und ist auch der Abzug der Sonderausgaben vorzunehmen. Bei der Berechnung der auf die außerordentlichen Einkünfte entfallenden Einkommensteuer kommt somit weder ein Verlustausgleich noch ein Abzug von Sonderausgaben in Frage; die außerordentlichen Einkünfte sind gemäß § 34 EStG bis zur Höhe des Einkommens begünstigt, und zwar auch dann, wie der Oberste Finanzgerichtshof mit Urteil vom 16. April 1947 (a. a. O.) ausgeführt hat, wenn sich bei der Einkunftsart, der die außerordentlichen Einkünfte zuzurechnen sind, niedrigere Einkünfte oder sogar ein Verlust ergeben. So auch im Anschluß an dieses Urteil Abschnitt 156 Abs. 1 EStR 1953.

Nun bestimmt der Abs. 3 des vorgenannten Abschnitts unter Berufung auf dieses Urteil, daß Sonderausgaben im Sinne des § 10a EStG (steuerfreier nicht entnommener Gewinn) anteilmäßig auf die ordentlichen und auf die außerordentlichen Einkünfte aufzuteilen seien, während die übrigen Sonderausgaben grundsätzlich von den nicht nach § 34 EStG begünstigten Einkünften abzuziehen seien. Mit den in dem genannten Urteil über die getrennte selbständige Berechnung der Steuer für die außerordentlichen Einkünfte entwickelten Grundsätzen, nach denen nicht einmal ein innerhalb derselben Einkunftsart entstandener Verlust ausgleichbar ist, erscheint es jedoch nicht vereinbar, wenn am Schluß der Entscheidung unter Hinweis auf Abschnitt 81 Abs. 5 der Einkommensteuer-Ergänzungsrichtlinien 1943 der anteilmäßige Abzug des steuerfreien nicht entnommenen Gewinns für erforderlich erachtet wird. Es ist nicht recht verständlich, warum gerade in diesem Punkte die von dem Urteil betonte steuerliche Begünstigung der außerordentlichen Einkünfte eingeschränkt werden sollte. Der am Ende des Urteils nur nebenbei erwähnte anteilmäßige Abzug ist nur so zu erklären, daß der strittige Steuerfall das Jahr 1943 betraf, für das die Begünstigung des nicht entnommenen Gewinns auf § 3 der Steueränderungs-Verordnung vom 20. August 1941 (RStBl 1941 S. 593) beruhte. Auf Grund dieser Vorschrift blieb auf Antrag ein Teil des nicht entnommenen Gewinns steuerfrei, und zwar im Sinne des § 3 der Steueränderungs-Verordnung der nach den Vorschriften des EStG ermittelte Gewinn. Es lag daher nahe, daß in den Fällen, in denen in dem Gewinn außerordentliche Einkünfte enthalten waren, eine anteilmäßige Aufteilung vorgenommen wurde. Nachdem aber durch das Gesetz Nr. 64 der Militärregierung zur vorläufigen Neuordnung von Steuern vom 20. Juni 1948 mit Anhang vom 22. Juni 1948 (Beilage Nr. 4 zum Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1948 Nr. 14) die Steuerbegünstigung des nicht entnommenen Gewinns in das EStG 1948 als § 10 Abs. 1 Ziff. 3 aufgenommen und später als § 10a EStG ab 1950 umgestaltet worden ist, kommt ihre Berücksichtigung nur noch als Sonderausgabe, also bei der Ermittlung des Einkommens und nicht mehr im Rahmen der in Frage kommenden Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft und Gewerbebetrieb, in Betracht. Daß die Vorschriften des § 10 Abs. 1 Ziff. 3 bzw. 10a EStG aus dem Rahmen der eigentlichen Sonderausgaben herausfallen, berechtigt nicht dazu, die Sonderausgabe des nicht entnommenen Gewinns bei der Besteuerung der außerordentlichen Einkünfte anders zu behandeln als die übrigen Sonderausgaben; sie sind daher ebenso wie die übrigen Sonderausgaben von dem Gesamtbetrag der sonstigen, nicht von den nach § 34 EStG begünstigten Einkünften abzuziehen. So auch Großkommentar zur Einkommensteuer von Hartmann-Böttcher, Anm. 1, Allgemeines, Buchst. c) zu § 10 EStG. Die gleiche Auffassung vertritt Glade, Verrechnung von nicht entnommenem Gewinn bei Betriebsveräußerung (Finanz-Rundschau 1958 S. 512). In den Einkommensteuerkommentaren von Herrmann-Heuer, Anm. 20 zu § 34 EStG, Blümich-Falk, 7. Auflage, Anm. 10 zu § 34 EStG und Anm. 7 zu § 10a EStG, sowie Littmann, 6. Auflage, Textziffer 82 zu § 10a EStG, wird (wenn auch ohne eigene Stellungnahme) auf die in Abschnitt 156 Abs. 3 EStR 1953 enthaltene Verwaltungsanweisung hingewiesen, so daß man hieraus eine stillschweigende Zustimmung entnehmen kann.

Da hiernach die Vorentscheidung auf einem Rechtsirrtum beruht, unterliegt sie der Aufhebung. Damit erledigt sich auch die weitere Frage, wie hoch der als steuerbegünstigt in Anspruch genommene Gewinn gemäß § 10a Abs. 1 letzter Satz EStG besonders festzustellen ist. Die Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen, das die Veranlagung des Bf. entsprechend den vorstehenden Ausführungen durchzuführen hat.

 

Fundstellen

BStBl III 1959, 404

BFHE 1960, 381

BFHE 69, 381

StRK, EStG:34/1 R 10

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