Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerlegung der Beschaffenheitsvermutung nach dem ZG

 

Leitsatz (NV)

1. Zur Widerlegung der Beschaffenheitsvermutung nach dem ZG ist die Feststellung des Gegenteils durch das Tatsachengericht erforderlich, und zwar in der Weise, daß jede Möglichkeit der Vermutung der Warenbeschaffenheit auszuschließen ist.

2. Ob die vom FG festgestellten Tatsachen die Vermutung widerlegen, ist eine Würdigung tatsächlicher Art, an deren Ergebnis der BFH als Revisionsgericht grundsätzlich gebunden ist.

 

Normenkette

ZG § 17; FGO § 118 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ließ in der Zeit vom 17. Januar 1975 bis zum 10. März 1976 in 19 Partien Walzstahlerzeugnisse (Stahlflacherzeugnisse) aus der CSSR zum freien Verkehr abfertigen. Die Erzeugnisse waren in den Rechnungen als Vorgerüstbrammen bezeichnet und wurden als ,,Brammen und Platinen" der Tarifstelle 73.07 B I des Deutschen Gebrauchszolltarifs angemeldet und entsprechend - nach einem Zollsatz von 4% - verzollt. In drei Fällen wurden die Partien beschaut mit dem Ergebnis, daß Übereinstimmung mit den Anmeldungen festgestellt wurde.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt - HZA -) gelangte aufgrund einer Betriebsprüfung zu der Auffassung, die streitbefangenen Erzeugnisse seien Grobbleche der Tarifstelle 73.13 B I a des Deutschen Gebrauchszolltarifs. Da für diese Erzeugnisse ein Zollsatz von 7% galt, forderte das HZA mit Steuerbescheid vom 23. Februar 1977 von der Klägerin Eingangsabgaben in Höhe von . . . DM nach. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Die Klage führte zur Aufhebung des Steuerbescheids und der Einspruchsentscheidung.

Das Finanzgericht (FG) begründet seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt: Nach § 17 Abs. 2 des Zollgesetzes (ZG) sei die von der Klägerin angemeldete Beschaffenheit der streitbefangenen Erzeugnisse als Brammen der Tarifstelle 73.07 B I des Deutschen Gebrauchszolltarifs zu vermuten. Für die Partien, die beschaut worden seien, trete die Vermutung nach § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG hinzu. Die Vermutung sei nicht widerlegt.

Zur Begründung seiner Revision führt das HZA folgendes aus: § 17 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 ZG seien verletzt. Das FG habe an die Widerlegung der Vermutung unerfüllbare Anforderungen gestellt, die eine Widerlegung unmöglich machten. Das habe dazu geführt, daß das FG sich der Auffassung des HZA, die Vermutung sei durch sein Vorbringen widerlegt, nicht angeschlossen habe. Mehr als die vom HZA in der Vorinstanz dargelegten - und in der Revisionsbegründung im einzelnen bezeichneten - Tatsachen und Beweise könne ein Beteiligter nicht vorbringen.

Das HZA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß aufgrund der Anmeldung der Erzeugnisse als Brammen und Platinen nach § 17 Abs. 2 ZG sowie - in den Fällen, in denen eine Zollbeschau durchgeführt worden ist - aufgrund des Ergebnisses der Zollbeschau nach § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG die Beschaffenheit der Erzeugnisse entsprechend deren Anmeldung oder den Ergebnissen der Zollbeschau zu vermuten ist (vgl. Urteil des Senats vom 9. Dezember 1986 VII R 170/82, BFHE 148, 388). Darüber streiten die Beteiligten auch nicht mehr.

2. Das FG ist entgegen der Auffassung des HZA auch ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, daß die Vermutung nicht widerlegt sei.

a) Das FG ist bei seiner Entscheidung über die Frage, ob die Vermutung widerlegt ist, rechtlich zutreffend davon ausgegangen, daß zur Widerlegung die Feststellung des Gegenteils durch das Tatsachengericht erforderlich ist, und zwar in der Weise, daß jede Möglichkeit der Vermutung der Warenbeschaffenheit auszuschließen ist (vgl. BFHE 148, 388, 394).

b) Die Feststellungen des FG rechtfertigen die Entscheidung, daß diese Voraussetzung im Streitfall nicht erfüllt ist.

aa) Das FG hat insoweit folgendes ausgeführt:

Das HZA könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, der Abfertigungsbeamte, der die Beschau durchgeführt habe, habe nicht die erforderliche Sachkunde besessen. Eine Widerlegung der Beschaffenheitsvermutung könne nicht daraus hergeleitet werden, daß in dem Herstellungsland nur eine Universalwalzstraße für Brammen und Bleche vorhanden sei und nicht eine spezifische Straße für Brammen; denn für die tarifliche Abgrenzung zwischen Brammen und Blechen komme es auf die Beschaffenheitsmerkmale der eingeführten Ware und nicht auf die Art der Fertigungsstätte oder Fertigungsstraße an. Auch den Angaben der Angehörigen des Herstellungswerks sei nicht die die Vermutung widerlegende Auskunft zu entnehmen, die eingeführten Waren hätten den Charakter von Blechen. Eine Klärung der Frage, ob die eingeführten Erzeugnisse im Zollgebiet als Brammen verkauft worden seien, führe ebenfalls nicht zur Widerlegung der Vermutung, da nach dem unstreitigen und auch überzeugenden Vortrag der Klägerin gut bearbeitete Brammen - meist aus Preisgründen - durchaus als Bleche verwendet würden und zu dieser Verwendung sehr gefragt seien, sofern nicht besondere Qualitäten und Festigkeiten gefordert würden. Auch den vom HZA ins Feld geführten Hinweis der Klägerin an einen ihrer Abnehmer, darauf zu achten, daß die Ware tariflich als Bramme und nicht als Grobblech behandelt werde, könne nicht die Beschaffenheit der Ware als Blech entnommen werden. Daraus könne nur gefolgert werden, daß die Klägerin wegen der Schwierigkeiten für die Tarifierung die nach ihrer Ansicht richtige und günstige tarifliche Einordnung als Brammen habe gewährleisten wollen. Eine Widerlegung der Vermutung könne auch nicht mit dem Einwand des HZA begründet werden, die Klägerin habe beim Weiterverkauf Preise erzielt, die man derzeit nur für Bleche, nicht aber für Brammen, habe erzielen können. Möge der Preis auch ein Indiz für das Vorliegen des einen oder anderen Erzeugnisses sein, so sei er doch nicht ein tarifliches Merkmal. Abgesehen davon, seien aussagefähige Preisbetrachtungen auf der Grundlage der Marktverhältnisse im Verkaufszeitpunkt nicht mehr realistisch nachvollziehbar. Hinzu komme, daß von Käufern aus Preisgründen gute Brammen als Grobbleche verlangt würden. Gerade dieser Gesichtspunkt führe aber auch auf dem Gebiet der Preisbildung des Blechmarkts zu einer Überschneidung von Grobblechen und Brammen, die zwingende Schlüsse zur Widerlegung der Vermutung nicht zuließen.

Diese Ausführungen lassen erkennen, welche Tatsachen das FG bei der Entscheidung über die Frage nach der Widerlegung der Vermutung berücksichtigt hat. Ob die insoweit berücksichtigten Tatsachen geeignet sind, die Vermutung zu widerlegen, ist eine Würdigung tatsächlicher Art, an deren Ergebnis der Senat nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) grundsätzlich gebunden ist. Die Würdigung dient der Beurteilung, ob das Gegenteil des Ergebnisses der Beschaffenheitsvermutung festgestellt werden kann (BFHE 148, 388, 394). Als Revisionsgericht kann der Senat insoweit nur prüfen, ob das FG ohne Verfahrensfehler die für die Würdigung maßgebenden Tatsachen ermittelt und ob die Gesamtwürdigung durch Denkfehler oder Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflußt und möglich ist (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 118 Anm. 10 A). Insoweit sind Fehler aber nicht zu erkennen.

bb) Auch den Einwänden des HZA sind derartige Fehler nicht zu entnehmen.

Wie bereits dargelegt, ist das FG bei der Entscheidung über die Frage nach der Widerlegung der Vermutung von der zutreffenden Rechtsgrundlage ausgegangen. Es hat demnach insoweit - entgegen der Auffassung des HZA - an die Widerlegung der Vermutung keine zu strengen Anforderungen gestellt.

Mit dem Einwand, Vertreter der Lieferfirma hätten erklärt, daß zwischen Brammen und Blechen keine Unterschiede bestünden, soll offenbar geltend gemacht werden, durch die Angaben der bezeichneten Vertreter der Lieferfirma sei bewiesen, daß die eingeführten Erzeugnisse Bleche und nicht Brammen gewesen seien. Insoweit wendet das HZA sich also gegen die Beweiswürdigung des FG; denn - wie dargelegt - hat das FG die Angaben der Vertreter der Lieferfirma bei seiner Entscheidung berücksichtigt und ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, daß diese Angaben die Vermutung nicht widerlegen. Diese Schlußfolgerung wäre, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, nur dann fehlerhaft, wenn das Ergebnis der Würdigung nicht möglich wäre. Das trifft aber nicht zu. Auch wenn den aufgezeigten Angaben entnommen wird, daß die Lieferfirma nicht zwischen Brammen und Blechen unterschieden hat, muß daraus nicht zwingend gefolgert werden, daß die tatsächlich hergestellten Waren die Beschaffenheit von Blechen im tariflichen Sinne - und nicht von Brammen - hatten.

Auch mit den Einwendungen, in der CSSR gebe es keine Vorgerüststraße zum Herstellen von Brammen oder Platinen, die Klägerin habe die Waren als Bleche weiterverkauft und die für die eingeführten Waren gezahlten Preise hätten für Brammen nicht erzielt werden können, wendet die Klägerin sich gegen die Beweiswürdigung durch das FG. Auch insoweit ist nicht erkennbar, daß das FG zu Schlußfolgerungen gelangt ist, die nicht möglich waren.

Soweit das HZA sich im übrigen zur Begründung seiner Revision auf Ausführungen in den Akten beruft, sollen offenbar Verstöße gegen den Inhalt der Akten gerügt werden. Diese Rügen greifen ebenfalls nicht durch. Insoweit ergeht die Entscheidung ohne Begründung (Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).

 

Fundstellen

Haufe-Index 415465

BFH/NV 1988, 610

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