Entscheidungsstichwort (Thema)

Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte

 

Leitsatz (NV)

Ein lediger Zeitsoldat, der sich auf 12 Jahre verpflichtet, aber seinen Wohnsitz und den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen bei der Wohnung der Eltern - 340 km entfernt von seinem Standort - behalten hat, kann die Aufwendungen für Heimfahrten zur elterlichen Wohnung im Rahmen des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG als Werbungskosten geltend machen (Anschluß an BFHE 145, 386, BStBl II 1986, 221).

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 Nr. 4

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hatte sich im Streitjahr 1980 zum Zeitsoldaten auf 12 Jahre verpflichtet. Ab dem 1. Juli 1980 nahm er an der dreimonatigen Grundausbildung am Standort W teil. Danach war er ab 1. Oktober 1980 zu einem Offiziersanwärter-Lehrgang nach M abkommandiert. Zum 28. März 1981 war er wieder zu seinem Stammbataillon zurückversetzt worden. Ab dem 1. Oktober 1981 sollte er ein Studium an der Bundeswehrhochschule . . . aufnehmen. Der ledige Kläger hatte seinen Wohnsitz und Mittelpunkt seiner Lebensführung bei seinen Eltern in N behalten. Er fuhr im Streitjahr 1980 in der Regel jedes zweite Wohnenende nach Hause.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte im Verfahren über den Lohnsteuer-Jahresausgleich 1980 unter Anwendung des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10. November 1978 VI R 13-14/76 (BFHE 126, 420, BStBl II 1979, 157) wohl die Kosten für die Fahrten zwischen M und N zum Werbungskostenabzug an, versagte aber den Abzug der Kosten für die Fahrten zwischen W und N, da wegen der Entfernung von 340 Kilometern eine tägliche Rückkehr vom Arbeitsort nach N nicht möglich wäre.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus: Ein Werbungskostenabzug scheide unter dem Gesichtspunkt einer doppelten Haushaltsführung deshalb aus, weil beim Kläger als ledigem Steuerpflichtigen keine steuerlich anzuerkennende doppelte Haushaltsführung vorgelegen habe. Der Kläger habe entsprechend dem regelmäßigen Ablauf seines Ausbildungsganges damit rechnen müssen, an verschiedene Einsatzorte abkommandiert zu werden. Kehre aber ein lediger Arbeitnehmer nach Beendigung einer auswärtigen Tätigkeit voraussichtlich nicht wieder an seinen bisherigen Wohnort zurück, so bestehe kein Grund, ihn einem verheirateten Arbeitnehmer gleichzustellen. In diesem Fall sei ihm zuzumuten, seine bisherige Wohnung aufzugeben und an den jeweiligen neuen Ort seiner beruflichen Beschäftigung umzuziehen und dorthin den Mittelpunkt seiner Lebensführung zu verlegen. Die strittigen Kosten könnten auch nicht als Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgezogen werden, da es ein Arbeitnehmer auf Dauer nicht auf sich nehmen würde, arbeitstäglich die Strecke zwischen Beschäftigungsort und Wohnort bei einer einfachen Entfernung von 340 Kilometern zurückzulegen und am selben Tag noch seinen Dienst zu versehen.

Mit der Revision begehrt der Kläger den Abzug der strittigen Kosten nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Das FA tritt der Revision entgegen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage.

Der Senat hat nach Ergehen der Vorentscheidung die vom Kläger angegriffene Rechtsprechung durch Urteil vom 13. Dezember 1985 VI R 7/83 (BFHE 145, 386, BStBl II 1986, 221) aufgegeben. Nach dieser neuen Rechtsprechung sind Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ohne Rücksicht auf die Entfernung zur Arbeitsstätte und ohne Prüfung der Angemessenheit nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG als Werbungskosten zu berücksichtigen. Hat ein Arbeitnehmer zwei Wohnungen, von denen er sich abwechselnd zur Arbeitsstätte begibt, so muß die weiter entfernt liegende Wohnung allerdings den Lebensmittelpunkt des Arbeitnehmers darstellen.

Die Beteiligten und das FG gehen übereinstimmend davon aus, daß der Lebensmittelpunkt des Klägers in der elterlichen Wohnung in N verblieben war. Daher sind die Fahrtkosten ohne Rücksicht auf die weite Entfernung von 340 Kilometern zwischen W und N als Werbungskosten anzuerkennen.

Der dem Kläger zustehende Erstattungsbetrag berechnet sich wie folgt: . . .

 

Fundstellen

Haufe-Index 416015

BFH/NV 1989, 158

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