Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurechnung des Sanierungsgewinns und Bilanzenzusammenhang bei Ausscheiden der Kommanditisten im Jahr nach der Sanierung

 

Leitsatz (NV)

1. Im Falle einer unternehmensbezogenen Sanierung sind auch Kommanditisten mit negativem Kapitalkonto am Sanierungsgewinn mit der Folge zu beteiligen, daß das negative Kapitalkonto steuerfrei aufgefüllt wird. Das gilt auch für Kommanditisten, die zum Zweck der Sanierung aus der KG ausscheiden.

2. Das FA kann sich gegenüber einem ausscheidenden Kommanditisten nicht auf den Bilanzenzusammenhang berufen, wenn es den Vorjahresbescheid den übrigen Gesellschaftern, nicht aber dem Kommanditisten, wirksam bekanntgegeben hat.

3. Da kein Bilanzposten berührt wird, ist bei der Prüfung des Bilanzenzusammenhangs die Frage, ob ein im Vorjahr angefallener Sanierungsgewinn steuerfrei war, unerheblich.

 

Normenkette

EStG § 3 Nr. 66, § 4 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Jahr 1983 Alleingesellschafter der M-GmbH und Kommanditist der M-GmbH und Co. KG (M-KG). Weitere Kommanditisten waren an der M-KG nicht beteiligt. Nach den gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen hatte die M-GmbH als Komplementär und Geschäftsführer der M-KG Anspruch auf eine angemessene Vergütung, während sämtliche Gewinne und Verluste dem Kommanditisten zuzurechnen waren. Geschäftsführer der M-GmbH war der Beigeladene zu 3.

Die M-KG erwirtschaftete in den Jahren 1979 bis 1982 ausschließlich Verluste. Ein wesentlicher Teil der Geschäfte wurde mit der A-KG abgewickelt, über deren Vermögen im Februar 1983 das Konkursverfahren eröffnet wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatte die A-KG gegen die M-KG offene Forderungen in Höhe von rd. 1,6 Mio. DM. Der Beigeladene zu 3 hielt die M-KG ebenfalls für überschuldet und beantragte beim zuständigen Amtsgericht ein Vergleichsverfahren. Daraufhin eröffnete das Amtsgericht im April 1983 ein Konkursverfahren, das aus formellen Gründen vom Landgericht wieder aufgehoben wurde. Die M-KG führte ihren Geschäftsbetrieb fort. Nach Verhandlungen mit dem Konkursverwalter der A-KG kam es am 15. Dezember 1983 zu einer Sanierungsvereinbarung zwischen der A-KG und der M-KG. Gegen die sofortige Zahlung von 450 000 DM verzichtete die A-KG auf ihre restlichen Forderungen in Höhe von 1,15 Mio. DM. Mit notariellem Vertrag vom 30. Dezember 1983 erwarb der Beigeladene zu 3 die Kommanditanteile des Klägers an der M-KG und die Anteile an der M-GmbH mit Wirkung zum 1. Januar 1984.

Bereits im Vorfeld der Sanierungsvereinbarung verhandelte die M-KG mit dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt -- FA --) über die Frage, ob ein steuerfreier Sanierungsgewinn vorliege. Ohne Bindungswirkung vertrat das FA im Dezember 1983 die Auffassung, daß dem Grunde nach ein Sanierungsgewinn anzuerkennen sei. Dieser Auffassung schloß sich auch die später beteiligte Oberfinanzdirektion (OFD) an. Allerdings sei der Sanierungsgewinn, insbesondere aufgrund des Ausscheidens des Klägers als Kommanditist, der M- GmbH zuzurechnen. Dieser Rechtsansicht folgend erließ das FA für die Jahre 1983 und 1984 gesonderte und einheitliche Feststellungsbescheide.

Im Feststellungsbescheid vom 9. Februar 1988 für das Jahr 1983 folgte das FA grundsätzlich der Erklärung der M-KG und setzte in der Anlage EST 1,2,3 B die erklärten Verluste des Klägers fest. Im Bescheid wich es von der Erklärung nur in der Spalte "B. Begründung und Nebenbestimmungen" durch den Zusatz "die Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns wird anerkannt, kommt aber ausschließlich dem Kapitalkonto des Komplementärs zugute" ab. Den Feststellungsbescheid adressierte das FA an den Beigeladenen zu 3 als Empfangsbevollmächtigten. Ein Einspruch wurde nicht eingelegt.

Aufgrund der Zurechnung des Sanierungsgewinns an die M-GmbH errechnete das FA abweichend von den Bilanzen der M-KG ein negatives Kapitalkonto des Klägers in Höhe von X DM, das es im Jahr 1984 aufgrund des Ausscheidens des Klägers aus der M-KG als Veräußerungsgewinn versteuerte. Den Feststellungsbescheid für 1984 vom 3. Mai 1988 gab das FA auch den Gesellschaftern persönlich bekannt. Einspruch und Klage blieben erfolglos (Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1997, 169).

Mit der Revision macht der Kläger geltend, der steuerfreie Sanierungsgewinn sei trotz des Ausscheidens als Kommanditist seinem Kapitalkonto im Jahr 1983 zuzurechnen. Das Kapitalkonto sei daher im Jahr 1984 nicht negativ, sondern positiv gewesen. Den positiven Betrag habe er sogar gemäß den Vereinbarungen mit dem Beigeladenen zu 3 entnehmen dürfen. Damit komme eine gewinnerhöhende Auflösung eines negativen Kapitalkontos im Feststellungsbescheid für 1984 nicht in Betracht. Sollte der Sanierungsgewinn aufgrund seines Ausscheidens als Kommanditist steuerpflichtig gewesen sein, so ändere dies nichts an der Zurechnung zu seinem Kapitalkonto. Auch in diesem Fall könne im Jahr 1984 kein Gewinn versteuert werden, denn ggf. habe der Sanierungsgewinn bereits im Jahr 1983 erfaßt werden müssen. Dies könne nicht nachgeholt werden.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben und für das Jahr 1984 einen Gewinnanteil in Höhe von 0 DM festzustellen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Stattgabe der Klage (§126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Das FG hat zu Unrecht ein negatives Kapitalkonto des Klägers gewinnerhöhend aufgelöst. Das Kapitalkonto war im Streitjahr 1984 positiv.

1. Der im Jahr 1983 angefallene Sanierungsgewinn war dem Kapitalkonto des Klägers zuzurechnen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Sanierungsgewinn nach §3 Nr. 66 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei war oder nicht. Die Gewinnverteilung ist in beiden Fällen nach denselben Grundsätzen vorzunehmen.

Der Senat geht mit dem FG und den Beteiligten davon aus, daß es sich im Streitfall um eine unternehmensbezogene Sanierung gehandelt hat. Ziel einer solchen Sanierung war die wirtschaftliche Gesundung der KG als solcher. Damit scheidet eine Zurechnung des Sanierungsgewinns beim persönlich haftenden Gesellschafter unter dem Gesichtspunkt einer unternehmerbezogenen Sanierung aus (zur Abgrenzung zwischen unternehmensbezogener und unternehmerbezogener Sanierung vgl. u. a. Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 18. Dezember 1990 VIII R 39/87, BFHE 164, 404, BStBl II 1991, 784, m. w. N.; vom 17. September 1992 IV R 110/90, BFH/NV 1993, 476, unter II. 2. der Gründe).

Bei einer unternehmensbezogenen Sanierung sind auch Kommanditisten mit negativem Kapitalkonto am Sanierungsgewinn beteiligt. Ihr negatives Kapitalkonto kann in diesem Fall steuerfrei aufgefüllt werden. Das Gesetz bietet keinen Anhaltspunkt dafür, daß die nach den allgemein geltenden Grundsätzen gebotene Gewinnverteilung in Sanierungsfällen nicht gelten soll (BFH- Urteil vom 18. April 1996 IV R 48/95, BFHE 180, 367, BStBl II 1996, 574).

2. An diesem Ergebnis ändert sich auch dann nichts, wenn die Kommanditisten im zeitlichen Zusammenhang mit dem Schulderlaß aus der KG ausscheiden.

Der IV. Senat des BFH hat in seinem Urteil vom 12. September 1996 IV R 19/95 (BFHE 181, 447, BStBl II 1997, 234) entschieden, daß im Falle einer unternehmensbezogenen Sanierung auch solche Kommanditisten mit negativem Kapitalkonto am steuerfreien Sanierungsgewinn teilhaben, die alsbald nach dem Sanierungszeitpunkt aus der KG ausscheiden. Das gelte jedenfalls dann, wenn das Unternehmen zunächst mit ihnen fortgeführt werden und den Altgesellschaftern damit die Möglichkeit gegeben werden sollte, weiterhin als Mitunternehmer Einkünfte zu erzielen. So liegt der Fall hier zwar nicht; die Kommanditisten sollten vielmehr ausscheiden und damit den Eintritt neuer Gesellschafter ermöglichen. Der Sanierungsgewinn ist den Altgesellschaftern aber auch in diesem Fall steuerfrei zuzurechnen. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

a) Bei einer unternehmensbezogenen Sanierung soll der Fortbestand des Unternehmens gesichert werden. Die Sanierungsmaßnahme kommt deshalb dem Unternehmensträger zugute. Das aber sind bei einer Personengesellschaft nicht deren Gesellschafter; Unternehmensträger ist die Personengesellschaft selbst. Sie ist es, die als selbständiges "Subjekt der Gewinnerzielung, Gewinnermittlung und Einkünftequalifikation" den Sanierungsgewinn erzielt (zur beschränkten Rechtssubjektivität von Personengesellschaften vgl. zuletzt BFH- Beschlüsse vom 3. Juli 1995 GrS 1/93, BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617, unter C. IV. 2. b aa der Gründe, m. w. N., und vom 26. November 1996 VIII R 42/94, BFHE 182, 101). Dementsprechend ist auch ein Sanierungsgewinn grundsätzlich den Gesellschaftern zuzurechnen, die im Zeitpunkt der Sanierung Gesellschafter der Personengesellschaft waren; er ist deren Kapitalkonten nach Maßgabe des handelsrechtlich gültigen Gewinnverteilungsschlüssels zuzuschreiben (BFH-Urteil in BFHE 181, 477, BStbl II 1997, 234, unter 3. a der Gründe, m. w. N.).

Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, daß das negative Kapitalkonto gewinnerhöhend aufzulösen ist, wenn erkennbar wird, daß es durch künftige Gewinne nicht mehr aufgefüllt werden kann (BFH-Beschluß vom 10. November 1980 GrS 1/79, BFHE 132, 244, BStBl II 1981, 164, und ständige Rechtsprechung, vgl. dazu die Nachweise bei Schmidt, Einkommensteuergesetz, 16. Aufl., §15 a Rz. 14 ff.). Dieser Grundsatz ist in Sanierungsfällen nicht anwendbar. Die negativen Kapitalkonten müssen nicht notwendig mit steuerpflichtigen Gewinnen aufgefüllt werden; hierzu ist auch ein steuerfreier Sanierungsgewinn geeignet (BFH in BFHE 180, 367, BStBl II 1996, 574). Das negative Kapitalkonto war im Streitfall auch nicht schon vor dem Schulderlaß aufzulösen. Solange die Gesellschaft eine Sanierung anstrebt, ist im Regelfall davon auszugehen, daß die Entstehung künftiger Gewinne -- einschließlichi eines Sanierungsgewinns -- noch möglich ist.

b) Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nur dann, wenn der Betrieb der Gesellschaft endgültig eingestellt werden soll. In diesem Fall wäre die Sanierung nicht mehr unternehmens-, sondern unternehmerbezogen (vgl. BFH-Urteile vom 22. Januar 1985 VIII R 37/84, BFHE 143, 420, BStBl II 1985, 501; vom 7. Februar 1985 IV R 177/83, BFHE 143, 531, BStBl II 1985, 504; in BFHE 164, 404, BStBl II 1991, 784, m. w. N.; in BFH/NV 1993, 476) mit der Folge, daß der Sanierungsgewinn den Kommanditisten nicht mehr zugerechnet werden kann. Im Streitfall sollte das Unternehmen jedoch nicht eingestellt, sondern fortgeführt werden.

c) Dagegen liegt keine Ausnahme von dem Grundsatz, daß auch negative Kapitalkonten von Kommanditisten steuerfrei aufgefüllt werden können, vor, wenn zwar die Personengesellschaft -- mit oder ohne Liquidation -- beendet, das Unternehmen aber fortgeführt werden soll. Ist -- wie auch im Streitfall -- gewährleistet, daß der Schulderlaß auch gegenüber dem neuen Rechtsträger wirkt, wird der Erlaß grundsätzlich der untergehenden Altgesellschaft gewährt, sofern dies in der Absicht geschieht, die Gesundung des notleidenden Unternehmens herbeizuführen und dadurch seinen Übergang auf die Nachfolgegesellschaft zu ermöglichen (zu dieser sog. übertragenden Sanierung vgl. BFH-Urteil vom 24. April 1986 IV R 282/84, BFHE 146, 549, BStBl II 1986, 672, und -- zur Abgrenzung -- Urteil vom 19. März 1991 VIII R 214/85, BFHE 164, 70, BStBl II 1991, 633). Selbst wenn man deshalb im Streitfall davon ausgehen wollte, daß infolge des Gesellschafterwechsels die bisherige KG beendet wurde (zum Streitstand vgl. u. a. Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., S. 1314), wäre dies kein Hindernis für die Zurechnung des Sanierungsgewinns bei den Altgesellschaftern und für die Steuerfreiheit dieses Gewinns nach §3 Nr. 66 EStG.

d) Die Auffüllung des negativen Kapitalkontos des Altgesellschafters durch den auf ihn entfallenden anteiligen Sanierungsgewinn entspricht im Streitfall auch dem mit §3 Nr. 66 EStG verfolgten Zweck. Der Schulderlaß begünstigt auch bei wirtschaftlicher Betrachtung weder allein den persönlich haftenden Gesellschafter der KG, noch sollte er allein dem Neugesellschafter zugute kommen.

aa) Der Zweck einer unternehmensbezogenen Sanierung ist nicht die Freistellung des persönlich haftenden Gesellschafters von seiner Haftung für die Gesellschaftsschulden, sondern die Sicherung des Fortbestehens des Unternehmens. Besteht die Gesellschaft mit den Kommanditisten fort, begünstigt der Schulderlaß deshalb auch die Kommanditisten; denn für sie entfällt nunmehr die an das negative Kapitalkonto anknüpfende "Verlusthaftung mit künftigen Gewinnen" (zu dieser BFH-Beschluß in BFHE 132, 244, BStBl II 1981, 164, unter C. I. 4. der Gründe). Scheiden die Gesellschafter anläßlich der Sanierung aus der Gesellschaft aus, müssen sie zwar -- von Sonderfällen abgesehen -- nicht mehr damit rechnen, daß sie die ihnen in der Vergangenheit zugerechneten Verluste ausgleichen müssen. Das ist jedoch entgegen einer verbreiteten Ansicht (vgl. u. a. Hessisches FG, Urteil vom 10. Oktober 1995 3 K 166/89, EFG 1997, 169; Bitz in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., §15 a EStG Rdnr. 2 b am Ende, m. w. N.; Schmidt, a.a.O., §15 a Rz. 21; Verfügung der OFD Münster vom 27. Juli 1983, Steuererlasse in Karteiform -- StEK --, Einkommensteuergesetz, §15 Nr. 115; offengelassen im BFH-Urteil in BFHE 181, 477, BStBl II 1997, 234, unter 3. c der Gründe) kein Grund, den Sanierungsgewinn nunmehr dem persönlich haftenden Gesellschafter zuzurechnen. Der Sanierungsgewinn soll steuerfrei bleiben, damit er seine sanierende Wirkung nicht zum Teil wieder verliert; käme es infolge des Schulderlasses zu einer weiteren Liquiditätsbelastung des Unternehmens, wäre die Sanierungsbereitschaft der Gläubiger erheblich gemindert. Dies gilt auch, wenn Schuldnerin eine Personengesellschaft ist; denn hier ist regelmäßig vereinbart bzw. muß als vereinbart gelten (vgl. dazu Karsten Schmidt, a.a.O., S. 1383, 1384), daß die Gesellschafter zumindest in Höhe ihrer Steuerbelastung die benötigten Geldmittel aus dem Gesellschaftsvermögen entnehmen dürfen (differenzierend zum Steuerentnahmerecht der Gesellschafter einer Personengesellschaft Urteil des Bundesgerichtshofs -- BGH -- vom 29. März 1996 II ZR 263/94, BGHZ 132, 263, 284, m. w. N.).

Vor allem aber müssen Gesellschafter, die zum Zweck der Sanierung aus der Gesellschaft ausscheiden sollen, mit dieser Maßnahme einverstanden sein. Ihre Bereitschaft, an der Sanierung mitzuwirken, wäre aber erheblich eingeschränkt, wenn diese mit der Nachversteuerung ihrer negativen Kapitalkonten verbunden wäre. Die (teilweise) Auffüllung ihrer negativen Kapitalkonten kann deshalb eine zur Sanierung geeignete und ggf. sogar erforderliche Maßnahme sein.

So lag der Fall auch hier. Das Ausscheiden des Klägers aus der KG und damit seine Mitwirkung bei der Sanierung war nach den Feststellungen des FG Bedingung für den Schulderlaß.

bb) Der Zweck der Steuerbefreiung des Sanierungsgewinns ist es im Streitfall auch nicht, den im zeitlichen Zusammenhang mit der Sanierung in die Gesellschaft eintretenden Neugesellschafter zu begünstigen. Ebensowenig wie es nach den bisherigen Ausführungen für die Anwendung des §3 Nr. 66 EStG erforderlich ist, daß die Gesellschafter ihr Engagement als Mitunternehmer fortsetzen, ist es erforderlich, daß sie sich mit dem Einsatz eigener Mittel an der Sanierung beteiligen (anderer Ansicht z. B. Hessisches FG in EFG 1997, 169). Insbesondere darf das Urteil des BFH in BFH/NV 1994, 468 nicht in diesem Sinne verstanden werden. In diesem Fall sollten im zeitlichen Zusammenhang mit der Sanierung -- "mit Bestätigung des Vergleichs" -- die Altgesellschafter aus der KG aus- und die Neugesellschafter eintreten. Die Sanierung war aber wirtschaftlich und rechtlich dadurch ausgelöst worden, daß die Neugesellschafter der KG neue Mittel zur Erfüllung des Sanierungsvergleichs zugeführt haben. Unter diesen Umständen ist der IV. Senat des BFH davon ausgegangen, daß das Unternehmen noch mit dem ungekürzten Bestand an Verbindlichkeiten und den negativen Kapitalkonten der Altgesellschafter auf die Neugesellschafter übergegangen ist, so daß ihnen und nicht den Altgesellschaftern der Sanierungsgewinn zuzurechnen war. So liegt der Fall hier nicht. Rechtlich betrachtet erwarb der Neugesellschafter die Gesellschaftsanteile erst nach Abschluß der Erlaßverträge, also nach dem für die Entstehung des Sanierungsgewinns maßgebenden Zeitpunkt. Der Forderungsverzicht ist im Streitfall auch wirtschaftlich nicht durch die Zuführung weiterer Mittel durch den Neugesellschafter ausgelöst worden, der sich im Rahmen der Sanierung zu keinem Beitrag verpflichtet hatte.

3. Der materiell-rechtlich zutreffenden Zurechnung des Sanierungsgewinns zugunsten des Klägers stehen weder der Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs noch der Feststellungsbescheid 1983 entgegen.

a) Nach §4 Abs. 1 Satz 1 EStG ist als "Betriebsvermögen am Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs" das Betriebsvermögen anzusetzen, das tatsächlich der Ermittlung des Gewinns dieses Wirtschaftsjahrs zugrunde gelegt worden ist (BFH-Beschluß vom 29. November 1965 GrS 1/65 S, BFHE 84, 392, BStBl III 1966, 142). Fehlerhafte Bilanzansätze sind grundsätzlich in der ersten Schlußbilanz richtigzustellen, in der dies unter Beachtung der für den Eintritt der Bestandskraft und der Verjährung maßgeblichen Vorschriften möglich ist. Das negative Kapitalkonto eines Kommanditisten steht einem Bilanzansatz i. S. des §4 Abs. 1 Satz 1 EStG gleich (z. B. BFH-Urteile vom 19. Januar 1993 VIII R 128/84, BFHE 170, 511, BStBl II 1993, 594 unter II. 3.; vom 12. Oktober 1993 VIII R 86/90, BFHE 172, 388, BStBl II 1994, 174, und vom 26. Januar 1995 IV R 54/93, BFHE 177, 18, BStBl II 1995, 473, unter I. 1. d). Ist ein negatives Kapitalkonto zu Unrecht nicht aufgelöst und die Veranlagung bestandskräftig geworden, so kann die Auflösung im Folgejahr nachgeholt werden (BFH-Urteil vom 10. Dezember 1991 VIII R 17/87, BFHE 167, 331, BStBl II 1992, 650). Fehlt im Vorjahr eine Veranlagung und kann sie wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht mehr nachgeholt werden, so ist der Bilanzenzusammenhang durchbrochen. Für das Folgejahr ist eine Eröffnungsbilanz ohne zwangsläufige Bindung an das Vorjahr aufzustellen (BFH-Urteil vom 28. Januar 1992 VIII R 28/90, BFHE 168, 30, BStBl II 1992, 881).

b) Zu Unrecht macht das FA geltend, nach diesen Grundsätzen sei im Streitjahr 1984 von einem negativen Kapitalkonto auszugehen, ohne daß es auf den materiell-rechtlich zutreffenden Kapitalkontenstand ankomme. Im Streitfall fehlt es am formellen Zusammenhang der Bilanzen 1983 und 1984.

aa) Das FA hat den Feststellungsbescheid 1983 an den Beigeladenen zu 3 als Empfangsbevollmächtigten bekanntgegeben. Dies steht aufgrund der ausdrücklichen Feststellungen des FG, die zudem mit dem Akteninhalt übereinstimmen, fest (§118 Abs. 2 FGO). Zum Zeitpunkt der Zustellung war der Kläger jedoch bereits aus der M-KG ausgeschieden. Hiervon hatte das FA aus dem Schriftwechsel zur Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns Kenntnis. Eine dem Kläger gegenüber wirksame Bekanntgabe des Feststellungsbescheids 1983 ist deshalb bisher nicht erfolgt (§183 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung -- AO 1977 --).

Ein Feststellungsbescheid, der (irrtümlich) nicht allen Adressaten bekanntgegeben worden ist, ist nicht insgesamt nichtig oder unwirksam. Gegenüber den Beteiligten, denen er bekanntgegeben worden ist, entfaltet er Wirksamkeit. Die fehlende, aber notwendige Bekanntgabe an einen weiteren Beteiligten führt allein dazu, daß der Feststellungsbescheid diesem gegenüber noch keine materiell-rechtliche Bindungswirkung entfaltet und von ihm grundsätzlich ohne zeitliche Begrenzung angefochten werden kann (BFH-Urteile vom 25. November 1987 II R 227/84, BFHE 152, 10, BStBl II 1988, 410; vom 16. März 1993 XI R 42/90, BFH/NV 1994, 75, und vom 27. April 1993 VIII R 27/92, BFHE 171, 392, BStBl II 1994, 3).

Daraus ergibt sich, daß sich das FA dem Kläger gegenüber nicht auf den Feststellungsbescheid 1983 berufen kann (§124 Abs. 1 AO 1977). Unzutreffend hat das FG statt dessen darauf abgestellt, daß der Feststellungsbescheid 1983 der M-KG gegenüber bestandskräftig geworden ist und das FA den Feststellungsbescheid nicht mehr frei ändern kann. Dies kann die Rechtsposition des Klägers nicht beeinträchtigen.

bb) Die Feststellungsverjährung ist für das Jahr 1983 noch nicht eingetreten. Das FA könnte dem Kläger den Feststellungsbescheid 1983 noch mit unverändertem Inhalt bekanntgeben. Der dem Beigeladenen zu 3 bekanntgegebene Feststellungsbescheid 1983 aber ist identisch mit der abgegebenen Steuererklärung der M-KG. Die Ansicht des FA, der steuerfreie Sanierungsgewinn sei der M-GmbH zuzurechnen, hat sich nicht auf die Feststellungen im Bescheid ausgewirkt. Eine gesonderte und einheitliche Feststellung der verrechenbaren Verluste erfolgte nicht. §15 a EStG war auf die M-KG noch nicht anwendbar (§52 Abs. 19 Satz 3 Nr. 1 EStG). Dementsprechend hat der Kläger zu Recht darauf hingewiesen, daß er durch die Feststellungen für 1983 nicht beschwert ist und die Frage, ob die Kapitalkontenberechnung des FA zutreffend ist, erst im Streitjahr 1984 geklärt werden kann. Damit kann es auch nicht darauf ankommen, ob für den Bilanzenzusammenhang auf die Kapitalkontenberechnung des FA oder des Klägers abzustellen ist. Jedenfalls könnte ein früherer fehlerhafter Kapitalkontenansatz im Jahr 1983 mangels steuerlicher Auswirkung rückwirkend korrigiert werden.

Unerheblich ist bei der Prüfung des Bilanzenzusammenhangs, ob der Sanierungsgewinn im Jahr 1983 steuerfrei i. S. des §3 Nr. 66 EStG war, denn diese Frage berührt keinen Bilanzposten. Der Sanierungsgewinn ist vielmehr ggf. außerhalb der Bilanz vom Gewinn abzusetzen (vgl. Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, §3 Nr. 66 EStG Anm. 22). Dies schließt die Korrektur einer fehlerhaft unterlassenen Versteuerung über den Bilanzenzusammenhang aus.

c) An dieser Beurteilung ändert sich auch nichts durch den im Feststellungsbescheid 1983 enthaltenen Zusatz, daß der Sanierungsgewinn dem Komplementär zuzurechnen sei. Der Zusatz ist als bloße -- unzutreffende -- Begründung anzusehen und nicht als verbindliche, gesonderte Feststellung der Höhe der Kapitalkonten.

Dies gilt auch dann, wenn das FA bereits bei Erlaß des Feststellungsbescheids 1983 die Kapitalkonten der Gesellschafter der M- KG gesondert feststellen wollte. Ob eine Erklärung des FA als Verwaltungsakt anzusehen ist, hängt nicht vom Willen der Behörde ab. Maßgebend ist unter Heranziehung des Rechtsgedankens von §133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vielmehr der objektive Erklärungsinhalt, wie ihn der Steuerpflichtige nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Dabei gehen Unklarheiten zu Lasten der Behörde (z. B. BFH-Urteile vom 28. November 1985 IV R 178/83, BFHE 145, 226, BStBl II 1986, 293; vom 18. Juli 1994 X R 33/91, BFHE 175, 294, BStBl II 1995, 4, m. w. N.).

Im Streitfall kann der Zusatz nur als Begründung des Feststellungsbescheids 1983 verstanden werden, denn er ist im Bescheid unter der Überschrift "B. Begründung und Nebenbestimmungen" angeführt worden. Um eine Nebenbestimmung (§120 AO 1977) handelt es sich nicht. Hinzu kommt, daß gemäß dem Buchstaben "A. Feststellungen" des Bescheids weitere Feststellungen aus der Anlage -- nicht also aus anderen Bescheidteilen -- ersichtlich sein sollen.

4. Die Sache ist entscheidungsreif. Bei Zurechnung des Sanierungsgewinns war das Kapitalkonto des Klägers beim Ausscheiden aus der M-KG positiv. Das Urteil des FG war aufzuheben und der Klage stattzugeben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 67466

BFH/NV 1998, 1073

HFR 1998, 728

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