Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerpflichtiger bei Lotto- und Toto-Annahmestellen

 

Leitsatz (NV)

1. Steuerpflichtiger bei Lotto- und Toto-Annahmestellen ist regelmäßig der Vertragspartner der Lotto- und Toto-Gesellschaft, nicht der Ladeninhaber.

2. Fehlende tatsächliche Feststellungen in einem FG-Urteil können nicht durch allgemeine Bezugnahmen auf die Prozeßakten und Beiakten ersetzt werden.

 

Normenkette

UStG 1980 § 2 Abs. 1, § 13 Abs. 2; FGO § 105 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt eine Buchhandlung, in der ihr Ehemann als Angestellter tätig ist. Der Ehemann hat in denselben Geschäftsräumen eine Lotto- und Totoannahmestelle als Wetteinnehmer für die . . . Fußball-Toto GmbH und die . . . Zahlenlotto GmbH (Gesellschaften) eingerichtet. Ihm obliegt die Vermittlung der Teilnahme am Zahlenlotto, Fußball-Toto und Rennquintett gegen Provision. Er ist verpflichtet, die Geschäfte der Wettannahmestelle persönlich zu führen. Seiner vertraglichen Verpflichtung, die Teilnahme an den Wettspielen zu vermitteln, ist er nachgekommen. Er führt für die Umsätze als Wetteinnehmer ein gesondertes Bankkonto und von der Buchhandlung getrennte Kassenaufzeichnungen.

Nach einer Außenprüfung nahm der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) an, daß zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann eine Ladengemeinschaft bestehe, die umsatzsteuerrechtlich nicht anzuerkennen sei, und daß daher die Umsätze aus der Vermittlung der Wettspiele der Klägerin zuzurechnen seien.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus: Der Ehemann der Klägerin habe durch seine Tätigkeit bewirkt, daß zwischen den Gesellschaften und den Wettspielern Spielverträge zustande gekommen seien. Er habe eine Leistung im umsatzsteuerrechtlichen Sinn nicht nur gegenüber den Gesellschaften, sondern jeweils auch gegenüber den Wettspielern erbracht. Diese Leistung bestehe u.a. darin, daß er sich gegenüber den Wettspielern verpflichtet habe, die abgegebenen Wettscheine an die Gesellschaften weiterzuleiten; denn erst bei Vorlage der Spielscheine bei diesen sei der jeweilige Wettvertrag abgeschlossen. Für diese Leistungen habe er ein Entgelt erhalten, nämlich die Provision. Die von ihm ausgeführten Vermittlungsumsätze seien jedoch der Klägerin zuzurechnen. Nach der äußeren Gestaltung des Ladens hätten Außenstehende davon ausgehen müssen, daß die Klägerin in ihrem Geschäft neben dem Buchhandel auch eine Toto- und Lottoannahmestelle betreibe. Selbst die innerhalb des Ladens getrennt geführten Kassen verdeutlichten dem Kunden nicht, daß es sich um verschiedene Unternehmer handle. Es fehle auch an einer reinlichen Trennung des Innenverhältnisses zwischen der Klägerin und ihrem Mann.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung der §§ 1, 2, 3 und 10 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980. Die Umsätze des Ehemannes könnten - so meint sie - ihr nicht zugerechnet werden. Grund für die Zahlung der Provisionen sei in erster Linie die Vermittlungstätigkeit für die Gesellschaften, nicht die Verpflichtung des Vermittlers gegenüber den Wettspielern, die abgegebenen Wettscheine an die Gesellschaften weiterzuleiten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Die Umsätze des Ehemannes aus der Vermittlungstätigkeit können der Klägerin nicht zugerechnet werden.

a) Schuldner der Umsatzsteuer ist nach § 13 Abs. 2 UStG 1980 der Unternehmer. Gemäß § 2 Abs. 1 UStG 1980 ist Unternehmer, wer selbständig eine gewerbliche oder berufliche, d.h. eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen ausübt.

Im allgemeinen darf für die Ermittlung der Leistung nach Inhalt und Umfang sowie für die Bestimmung des Leistungsempfängers und des Leistenden auf das zugrunde liegende außersteuerrechtliche - meist zivilrechtliche - Rechtsverhältnis zurückgegriffen werden. Die vom UStG 1980 besteuerten Leistungen werden im Regelfall in Erfüllung außersteuerrechtlicher, zivilrechtlich begründeter Leistungspflichten ausgeführt.

b) Aus dem Vertrag mit den Gesellschaften war allein der Ehemann zu Vermittlungsleistungen verpflichtet, nicht aber die Klägerin. Ob die Klägerin gegenüber den Wettteilnehmern aufgrund der äußeren Umstände ,,als Leistende" (anstelle ihres Mannes) bezüglich der auch insoweit gegebenen Vermittlungs- bzw. Besorgungsleistungen (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 19. Mai 1965 I b ZR 97/63, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1965, 1583) anzusehen ist, kann offenbleiben. Denn im Streitfall geht es nur um die Leistungen, deren Entgelt die Provisionen der Gesellschaften sind. Leistungen an die Wettspieler - seien sie von der Klägerin oder ihrem Mann ausgeführt worden - waren nach dem festgestellten Sachverhalt nicht als entgeltliche Umsätze ausgestaltet.

Die tatsächlichen Leistungsverhältnisse wichen von den zivilrechtlichen Vertragsbeziehungen nicht ab. Das FG hat festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO), daß der Ehemann entsprechend seiner vertraglichen Verpflichtung die Vermittlungsleistung gegenüber den Gesellschaften erbracht habe. Er hat auch - wie vereinbart - die Provision von den Gesellschaften auf ein eigenes Bankkonto erhalten.

Daß abweichend von den zivilrechtlichen Beziehungen die Klägerin die Vermittlungsumsätze an die Gesellschaften im eigenen Namen ausgeführt hätte, läßt sich nicht aus der äußeren Gestaltung des Ladens sowie aus dem Fehlen von vertraglichen Regelungen über dessen Mitbenutzung durch ihren Mann herleiten. Entscheidend ist, daß der Ehemann gegenüber den Gesellschaften, von denen er die Provision erhielt, als leistender Unternehmer aufgetreten ist (vgl. Senatsurteile vom 24. September 1987 V R 152/78, BFHE 151, 90, BStBl II 1988, 29, und vom 28. November 1990 V R 31/85, BFHE 164, 134, BStBl II 1991, 381). Auf das Innenverhältnis der Ehegatten kommt es nicht an.

2. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Den Feststellungen des FG läßt sich nicht entnehmen, welche Umsätze und Vorsteuerbeträge der Klägerin zu Unrecht zugerechnet wurden. Fehlende tatsächliche Feststellungen können nicht durch allgemeine Bezugnahmen auf die Prozeßakten und Beiakten ersetzt werden (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 21. Januar 1981 I R 153/77, BFHE 133, 33, BStBl II 1981, 517).

 

Fundstellen

Haufe-Index 418505

BFH/NV 1993, 282

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