Leitsatz (amtlich)

Erhalten Eltern für ihre Kinder bei der Veranlagung der Vermögensteuer einen Freibetrag, so ist bei der Ermittlung des Gesamtvermögens ein Schuldabzug für die Unterhaltsverpflichtung nicht möglich. Dies gilt auch dann, wenn der Kapitalwert der Unterhaltslast den Freibetrag übersteigt.

 

Normenkette

VStG § 5 Abs. 1

 

Tatbestand

Der im Jahre 1951 geborene Sohn der Kläger ist wegen Krankheit dauernd erwerbsunfähig. Die Kläger machten bei der Vermögensteuerveranlagung zum 1. Januar 1969 neben dem Kinderfreibetrag einen Schuldabzug in Höhe der kapitalisierten Kosten von jährlich 5 000 DM geltend, die ihnen über den normalen Lebensunterhalt hinaus erwachsen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) hat diesen Schuldabzug abgelehnt.

Der Einspruch war erfolglos.

Das FG hat die Klage abgewiesen.

Die Revision der Kläger rügt, das FG habe § 118 Abs. 1 Nr. 1 BewG 1965 unrichtig angewendet. Auch die Unterhaltspflicht könne zu einem Schuldabzug führen. Ihr Kind sei Vollinvalide, so daß die Notwendigkeit bestehe, es durch Pflegepersonal dauernd beaufsichtigen zu lassen. Hierdurch entständen erhebliche Kosten, die über die Aufwendungen zur Erfüllung der allgemeinen Unterhaltspflicht hinausgingen. Unter diesen Umständen sei es ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz, nur den allgemeinen Kinderfreibetrag zuzubilligen.

Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung und den Vermögensteuerbescheid aufzuheben und bei der Festsetzung der Vermögensteuerjahresschuld 1969 die über den üblichen Unterhalt hinausgehende kapitalisierte Unterhaltslast abziehen zu lassen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unbegründet.

1. Es trifft zu, daß nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BewG 1965 zur Ermittlung des Werts des Gesamtvermögens vom Rohvermögen die Schulden und Lasten des Inhabers des Vermögens abzuziehen sind. Eine ausdrücklich geregelte Ausnahme besteht für Schulden und Lasten, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einem gewerblichen Betrieb stehen. Diese Ausnahme ist darin begründet, daß diese Schulden schon bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens berücksichtigt werden (vgl. § 103 BewG 1965). Die Regelung für gewerbliche Schulden beruht auf dem allgemeinen Rechtsgedanken, daß solche Schulden und Lasten bei der Ermittlung des Gesamtvermögens nicht abgezogen werden dürfen, die anderweitig berücksichtigt werden.

2. Die Unterhaltsverpflichtung der Eltern gegenüber ihren Kindern ist eine Verpflichtung zu wiederkehrenden Leistungen, die an sich unter die Schulden des § 118 Abs. 1 Nr. 1 BewG 1965 fällt. Sie ist jedoch, wie das FG zutreffend entschieden hat, vom Schuldenabzug bei der Ermittlung des Gesamtvermögens deshalb ausgeschlossen, weil sie nach der Gesetzessystematik durch einen Freibetrag bei der Vermögensteuerveranlagung berücksichtigt wird (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 VStG). Im Urteilsfall III R 108/66 vom 30. April 1971 (BFH 102, 291, BStBl II 1971, 609) konnte die Unterhaltslast deshalb berücksichtigt werden, weil dem Vater für sein nicht eheliches Kind ein Freibetrag nicht zustand.

Bei dieser Freibetragsregelung ist der Gesetzgeber ersichtlich von der Überlegung ausgegangen, daß die unterschiedlichen Gründe, auf denen die Unterhaltspflicht beruhen kann, und die daraus sich ergebende unterschiedliche Höhe der Belastung im Interesse einer praktikablen Durchführung einer Massenbesteuerung am zweckmäßigsten typisiert mit einem festen Abzugsbetrag berücksichtigt wird (vgl. auch Entscheidung des BFH VI R 236/67 vom 23. Februar 1968, BFH 91, 418, BStBl II 1968, 374). Die Gewährung des Freibetrags wird dementsprechend nur davon abhängig gemacht, daß der Steuerpflichtige Kinder hat, die noch nicht 18 Jahre alt sind. Dagegen wird nicht verlangt, daß er dartut, er gewähre seinen Kindern tatsächlich Unterhalt. Auch wird nicht unterschieden zwischen den unterschiedlichen Aufwendungen für den Unterhalt für ein Kleinkind, ein Schulkind, einen in Berufsausbildung stehenden Lehrling, ein Kind, das eine weiterführende Schule besucht oder möglicherweise an einer Hochschule studiert. Erst wenn ein Kind das 18. Lebensjahr vollendet hat, werden für die Gewährung des Freibetrags weitere Nachweise als das Vorhandensein des Kindes verlangt. Die Höhe des Freibetrags wird dadurch jedoch nicht berührt.

Aus der Regelung des Kinderfreibetrags bei der Vermögensteuer ist zu entnehmen, daß der Gesetzgeber mit dem Freibetrag auch Unterhaltslasten infolge Krankheit mit ihren erhöhten Aufwendungen abgegolten haben wollte. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 VStG wird der Kinderfreibetrag für ein Kind, das sich nicht in Berufsausbildung befindet, ohne Rücksicht auf das Lebensalter des Kindes gewährt, wenn es außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Das Antragserfordernis für die Gewährung dieses Freibetrags ist darin begründet, daß das FA im Steuerfestsetzungsverfahren den Sachverhalt zwar von Amts wegen zu ermitteln hat (vgl. § 204 AO), daß ihm aber nicht zugemutet werden kann, Ermittlungen in bezug auf eine Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber ihren über 18 Jahre alten Kindern ohne besonderen Antrag und entsprechende Darlegungen vorzunehmen. Der häufigste Fall, daß ein über 18 Jahre altes Kind, das nicht oder nicht mehr in Berufsausbildung steht, sich nicht selbst unterhalten kann, ist der der Erwerbsunfähigkeit infolge Krankheit (vgl. § 32 Abs. 2 Nr. 2b EStG). Diesen typischen Fall der Unterhaltsverpflichtung gegenüber volljährigen Kindern außerhalb der Berufsausbildung hat der Gesetzgeber ebenfalls typisiert in der Weise geregelt, daß ein Freibetrag wie für alle übrigen Kinder in Höhe von 20 000 DM zugestanden wird. Im Rahmen einer derartigen Unterhaltspflicht fallen aber regelmäßig krankheitsbedingte Kosten von nicht nur untergeordneter Bedeutung an. Deshalb muß davon ausgegangen werden, daß mit dem Kinderfreibetrag von 20 000 DM sämtliche Kosten aufgrund einer Unterhaltsgewährung gegenüber einem Kinde abgegolten sind.

3. Der Senat kann der Revision nicht folgen, daß durch diese Typisierung differenzierter Tatbestände der Unterhaltspflicht der Gleichheitssatz des Grundgesetzes verletzt werde. Es trifft zwar zu, daß es dem Gleichheitssatz nicht nur widerspricht, wenn Gleiches im Rechtssinn ungleich behandelt wird, sondern auch, wenn Ungleiches gleich behandelt wird. Der Gleichheitssatz wird jedoch nicht schon dadurch verletzt, daß die gesetzliche Regelung nicht die gerechteste oder zweckmäßigste ist (vgl. Entscheidungen des BVerfG - BVerfGE 23, 12 [25] - BFH-Entscheidung VI 289-290/58 U vom 21. August 1959, BFH 69, 398, BStBl III 1959, 409); erforderlich ist vielmehr, daß sich für die gesetzliche Differenzierung oder Typisierung ein vernünftiger oder sonst einleuchtender Grund nicht finden läßt, so daß sie als willkürlich erscheinen muß (BVerfGE 12, 341 [348], BStBl I 1961, 432 [433, 434]). Im Steuerrecht hat aber der Grundsatz der generellen Gleichmäßigkeit den Vorrang vor der individuellen Gerechtigkeit, wenn die individuell gerechte Lösung nicht durchführbar ist und damit sich mangels Praktikabilität in ihr Gegenteil verkehrt. Derartige steuerrechtliche Zweckmäßigkeitserwägungen sind im Rahmen der Prüfung, ob der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt ist, von Bedeutung. Sie sind ein verfassungsrechtlich anzuerkennender Grund für eine Typisierung und schließen damit eine Verletzung des Gleichheitssatzes aus (vgl. BVerfGE 9, 3 [13], BStBl I 1959, 68 [70]; BVerfGE 13, 331 [341], BStBl I 1962, 500 [502]; BVerfGE 21, 12 [27], BStBl III 1967, 7 [11]).

Der Senat ist der Überzeugung, daß die Berücksichtigung der Unterhaltsverpflichtung der Eltern gegenüber ihren Kindern bei der Vermögensbesteuerung, wie sie durch die Freibetragsregelung des § 5 Abs. 1 Nr. 3 VStG erfolgt, von derartigen Erwägungen bestimmt wurde, zumindest aber durch derartige Erwägungen gerechtfertigt wird. Hinzu kommt, daß die Erfüllung der Unterhaltsverpflichtung regelmäßig in erster Linie das Einkommen und nicht (nur) das Vermögen belastet. Die Tatsache, daß die Kläger ihrem kranken und dadurch erwerbsunfähigen Kind Unterhalt leisten müssen, wird aber bei der Einkommensteuer sowohl durch die Gewährung eines Freibetrags (§ 32 Abs. 2 Nr. 2b EStG) als auch durch die Anerkennung einer außergewöhnlichen Belastung mit Krankheitskosten berücksichtigt (vgl. BFH-Entscheidung VI 314/63 U vom 28. Februar 1964, BFH 79, 104, BStBl III 1964, 270).

4. Nach vorstehenden Ausführungen kann die kapitalisierte Unterhaltsverpflichtung der Kläger gegenüber ihrem kranken Kind bei der Ermittlung des Werts des Gesamtvermögens nicht nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BewG 1965 vom Rohvermögen abgezogen werden, weil die Unterhaltslast schon durch den Freibetrag nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 VStG berücksichtigt wird. Die Gerichte sind nicht befugt, die Gesetze über den erklärten Willen des Gesetzgebers hinaus anzuwenden, selbst wenn sie der Auffassung sein sollten, daß eine Ausdehnung auf den zu entscheidenden Einzelfall sachlich gerechtfertigt wäre.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70252

BStBl II 1973, 98

BFHE 1973, 310

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