Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Übergangsregelung des § 23 GrEStG 1983

 

Leitsatz (NV)

Verwirklicht i. S. des § 23 GrEStG 1983 ist ein Erwerbsvorgang dann, wenn das auf einen Erwerbsvorgang abzielende Wollen in rechtsgeschäftliche Erklärungen umgesetzt worden ist, wenn also die Parteien im Verhältnis zueinander gebunden sind.

 

Normenkette

GrEStG 1983 § 23

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Die Kläger erwarben durch notariellen Vertrag vom 13. Dezember 1982, ,,der erst am 29. Dezember 1982 wirksam wird", je zu 1/2 eine Eigentumswohnung zum Kaufpreis von insgesamt 99 000 DM. In Anrechnung auf den Kaufpreis sollte zum 31. Dezember 1982 eine Grundschuld übernommen und der Restkaufpreis bis zum 31. Dezember 1982 in bar gezahlt werden. Als Tag der Übergabe war der 31. Dezember 1982 vereinbart. In § 8 des Kaufvertrages erklärten die Beteiligten die Auflassung.

Die Kläger beantragten, die Grunderwerbsteuer unter Anwendung des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 auf 2 v. H. der Gegenleistung festzusetzen. Das Finanzamt (FA) vertrat die Auffassung, zwar seien die Erwerbsvogänge wegen der vereinbarten Zeitbestimmung erst am 29. Dezember 1982 verwirklicht worden; diese Vereinbarung der Zeitbestimmung erfülle jedoch den Tatbestand des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977). Es setzte daher mit Bescheiden von 25. Februar 1983 die Grunderwerbsteuer gemäß § 23 Abs. 1 GrEStG Berlin auf je 3 465 DM fest.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Zur Begründung führte das Finanzgericht (FG) aus, die Übergangsvorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 2 GrEStG 1983 sei deshalb nicht anzuwenden, weil die Wirksamkeitsbestimmung im Kaufvertrag als Steuerumgehung zu beurteilen sei. Zwar lägen tatbestandlich die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 GrEStG 1983 vor, denn verwirklicht sei ein Erwerbsvorgang im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld. Dies sei im Falle einer Zeitbestimmung gemäß § 163 i. V. m. § 158 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) der Eintritt der Frist. Danach sei der Erwerbsvorgang der Kläger zwar erst am 29. Dezember 1982 verwirklicht worden; gleichwohl sei § 23 Abs. 1 GrEStG 1983 nicht anzuwenden. Im Streitfall liege in der Vereinbarung einer Zeitbestimmung eine Steuerumgehung i. S. des § 42 AO 1977, weil die Beteiligten, obwohl der Vertrag erst am 29. Dezember 1982 wirksam sein sollte, bereits im Kaufvertrag die Auflassung vereinbart haben und damit der Veräußerer seine Hauptverpflichtung aus dem Kaufvertrag erfüllt habe. Entgegen der Auffassung der Kläger bezöge sich die Zeitbestimmung, auch wenn sie vor den Einzelbestimmungen nach der Überschrift ,,Kaufvertrag" niedergelegt sei, nur auf den obligatorischen Kaufvertrag und nicht auch auf die Auflassung in § 8 des Vertrages. Dies ergebe sich schon aus der Mitwirkung des beurkundenden Notars, dem bekannt sei, daß die Auflassung unter einer Zeitbestimmung unwirksam wäre (§ 925 Abs. 2 BGB).

Mit ihrer Revision machen die Kläger geltend, das FG sei zu Unrecht von einer wirksamen Auflassung ausgegangen: Die Wirksamkeitsvereinbarung sei dem gesamten Vertragstext vorangestellt und beziehe sich daher sowohl auf das obligatorische Rechtsgeschäft wie auch auf die Auflassung. Soweit das FG aus der Mitwirkung des Notars schließe, die Zeitbestimmung habe sich nicht auf die Auflassung beziehen sollen, sei die Begründung nicht haltbar, denn sonst gäbe es keine unwirksamen notariellen Verträge. Das FG habe daher zu Unrecht einen Gestaltungsmißbrauch i. S. des § 42 AO 1977 angenommen.

 

Entscheidungsgründe

Die - vom FG zugelassene - Revision ist unbegründet.

Der Kaufvertrag vom 13. Dezember 1982 unterlag gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG Berlin vom 18. Juli 1969 (BStBl I, 519) der Grunderwerbsteuer. Die Grunderwerbsteuer beträgt gemäß § 23 Abs. 1, § 20 Abs. 1 GrEStG Berlin 7 v. H. vom Wert der Gegenleistung.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanz lagen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 2 GrEStG 1983 nicht vor. Auf die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die vereinbarte Zeitbestimmung eine Steuerumgehung i. S. des § 42 AO 1977 darstellt, kam es daher nicht an.

Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 GrEStG 1983 ist dieses Gesetz auf Antrag auch auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die vor dem 1. Januar 1983, jedoch nach dem Tag der Verkündung des Gesetzes, 22. Dezember 1982, verwirklicht wurden. Was ,,Erwerbsvorgänge" sind, ergibt sich aus der Überschrift zu § 1 GrEStG 1983, die insoweit seit dem GrEStG 1940 nicht verändert ist. Danach sind Erwerbsvorgänge im Sinne dieser Vorschrift u. a. Rechtsvorgänge, die gemäß dem Besteuerungstatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 der Grunderwerbsteuer unterliegen.

Vom Erwerbsvorgang zu unterscheiden ist der ,,Erwerb", von dem die §§ 3 f. GrEStG 1983 sprechen, als der auf seiten des Erwerbers eintretende Erfolg des Erwerbsvorgangs (vgl. Boruttau / Egly / Sigloch, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 12. Aufl., 1986, Vorbemerkung 159; vgl. auch die Urteile vom 21. Dezember 1961 II 146/61 U, BFHE 74, 431, BStBl III 1962, 162; vom 10. Oktober 1962 II 5/61 U, BFHE 76, 41, BStBl III 1963, 16; vom 7. April 1965 II 15/62, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1965, 418; vom 18. Mai 1966 II 144/64, BFHE 86, 262, BStBl III 1966, 399; vom 18. Mai 1966 II 56/63, BFHE 86, 174, BStBl III 1966, 381; vom 5. März 1968 II 165/64, BFHE 92, 43, BStBl II 1968, 416; vom 20. Juni 1968 II R 15/68, BFHE 93, 340, BStBl II 1968, 783; vom 23. April 1975 II R 195/72, BFHE 116, 284, BStBl II 1975, 742, in denen die Unterscheidung zwischen Erwerbsvorgang und Erwerb nie in Zweifel gezogen wurde).

Verwirklicht ist ein Erwerbsvorgang dann, wenn das auf einen Erwerbsvorgang abzielende Wollen in rechtsgeschäftliche Erklärungen umgesetzt worden ist, wenn also die Beteiligten im Verhältnis zueinander gebunden sind. Dazu gehört nicht der Eintritt der Steuerpflicht (Sigloch, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1983, 1817; Boruttau /Egly / Sigloch, a.a.O., § 23 Anm. 9 f. und Vorbemerkung 158; Hofmann, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 5. Aufl., 1986, § 23 Anm. 1; vgl. auch Padberg, Kommentar zum Grunderwerbsteuerrecht, Band II, § 23 Anm. 9 ff.). Die von der Finanzverwaltung (vgl. die gleichlautenden Länder-Einführungserlasse vom 21. Dezember 1982 A 14.1 - z. B. Niedersächsisches Finanzministerium S 4430-28-32-3, BStBl I, 968 -) und im Schrifttum (Beck, Der Betrieb - DB - 1983, 414; Forst, Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1983, 78; Moench / Merl, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1983, 63; Möllinger, Deutsche Verkehrsteuer-Rundschau - DVR - 1983, 42 und 146) vertretenen abweichenden Auffassungen sind entweder nicht begründet oder unterscheiden nicht zwischen Erwerbsvorgang und Erwerb. Aus den Entscheidungen vom 30. Oktober 1979 II R 142/78 (BFHE 131, 399, BStBl II 1980, 754) und vom 25. Juni 1980 II R 28/79 (BFHE 132, 316, BStBl II 1981, 322), die beide zu § 5 des Gesetzes zur Grunderwerbsteuerbefreiung beim Erwerb von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen (GrEStEigWoG) ergangen sind, ergibt sich nichts anderes; denn in beiden Fällen war nicht entscheidend, ob die Verwirklichung des Erwerbsvorgangs zeitlich vor der Entstehung der Steuer lag. Darüber hinaus betraf § 5 GrEStEigWoG eine Steuerbefreiungsvorschrift, während § 23 GrEStG 1983 als Kollisionsnorm eine andere, den gesamten steuerlichen Anknüpfungspunkt erfassende Zielsetzung hat.

Entscheidend ist danach, wann die Beteiligten im Verhältnis zueinander gebunden sind, unabhängig davon, ob dieser Rechtsvorgang bereits die Entstehung der Steuer auslöst oder nicht.

Im Streitfall war der Erwerbsvorgang i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 bereits mit Abschluß des Kaufvertrages am 13. Dezember 1982 verwirklicht. Die Voraussetzungen, unter denen nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG 1983 die Anwendung des GrEStG 1983 beantragt werden konnte, lagen danach nicht vor, wobei offenbleiben kann, wann die Grunderwerbsteuer entstanden ist (vgl. Boruttau /Egly / Sigloch, a.a.O., § 14 Rdnr. 48, unter Abweichung von der 11. Aufl., § 19 Rdnr. 4 a).

 

Fundstellen

BFH/NV 1987, 807

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