Entscheidungsstichwort (Thema)

Vermietung innerhalb der Sechsmonatsfrist des §21 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 EStG

 

Leitsatz (NV)

Die Sechsmonatsfrist des §21 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 EStG wird nicht gewahrt, wenn innerhalb dieser Frist ein Mietvertrag abgeschlossen wird, dieser aber wieder aufgehoben wird, ohne daß dem Mieter die Wohnung innerhalb der Sechsmonatsfrist zur jederzeitigen Nutzung zur Verfügung stand.

 

Normenkette

EStG § 21a Abs. 1 S. 3 Nr. 2

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die in den Jahren 1983 bis 1986 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Die Klägerin ist alleinige Eigentümerin eines Zweifamilienhauses, für das am 18. Januar 1982 der Antrag auf Baugenehmigung gestellt worden war.

Die Kläger nutzten die 128 qm große Hauptwohnung selbst. In ihren Steuererklärungen für die Jahre 1983 bis 1986 erklärten sie ab dem 1. Juli 1983 Mieteinnahmen für eine Einliegerwohnung und errechneten durch Einnahme-Überschußrechnung gemäß §21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für die Haupt- und Einliegerwohnung Werbungskostenüberschüsse.

Nach einer Prüfung Anfang 1987 durch das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) davon aus, daß die Einliegerwohnung in den Streitjahren nicht steuerlich wirksam vermietet gewesen sei. Er ermittelte die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für das Objekt in dem streitigen Zeitraum nach §21 a EStG.

Die nach im wesentlichen erfolglosem Einspruch hiergegen erhobene Klage hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, daß die Einkünfte aus dem Zweifamilienhaus bis einschließlich Februar 1985 durch Einnahme-Überschußrechnung mit den sich dabei ergebenden zeitanteiligen Werbungskostenüberschüssen gemäß §21 Abs. 2 EStG zu ermitteln seien. Von den vier in den Jahren 1983 bis 1986 bestehenden Mietverhältnissen seien nur zwei, nämlich die mit dem Bruder der Klägerin und dem Zeugen A, steuerlich anzuerkennen; dagegen seien die sich zeitlich anschließenden Vereinbarungen mit der Schwester und der Mutter des Klägers nicht zu berücksichtigen. Für die Wahrung der Sechs-Monats- Frist des §21 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 EStG sei unerheblich, daß mit dem Zeugen A nur der Mietvertrag geschlossen worden sei, ohne daß gleichzeitig eine Nutzung der Wohnung durch den Mieter begonnen habe.

Mit der Revision rügt das FA eine Verletzung des §21 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 EStG.

Das FA beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben, soweit dieses die Einkünfte der Kläger aus Vermietung und Verpachtung über den 31. Oktober 1984 hinaus durch Einnahme-Überschußrechnung gemäß §21 Abs. 2 EStG zu ermitteln hat.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist hinsichtlich der Streitjahre 1984 und 1985 aufzuheben, weil das FG zu Unrecht die Tatbestandsvoraussetzungen des §21 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 EStG in dem mit der Revision geltend gemachten Umfang bejaht hat.

1. Gemäß §21 a Abs. 1 Satz 1 EStG wird der Nutzungswert einer Wohnung im eigenen Einfamilienhaus (pauschal) aufgrund des Einheitswerts ermittelt. Die Pauschalierung gilt gemäß Satz 2 dieser Norm auch bei einer Wohnung im eigenen Haus, das kein Einfamilienhaus ist. §21 a Abs. 1 Satz 2 EStG ist u. a. nicht anzuwenden, wenn der Steuerpflichtige in dem eigenen Haus mindestens eine Wohnung innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung einer Vermietung zur dauernden Nutzung vermietet (§21 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 EStG). Kann keine Wohnung binnen dieser Frist vermietet werden, so ist der Nutzungswert der eigengenutzten Wohnung bereits ab Beginn der Sechs-Monats-Frist (oder dem späteren Beginn der Selbstnutzung) nach §21 a EStG zu ermitteln, und zwar unabhängig davon, aus welchen Gründen die Vermietung unterblieb oder nicht rechtzeitig erfolgte (Senatsurteil vom 14. Februar 1995 IX R 74/92, BFH/NV 1995, 1051).

a) Der erkennende Senat hat durch Urteil vom 4. März 1997 IX R 16/95 (BFH/NV 1997, 561) entschieden, daß die Sechs-Monats-Frist des §21 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 EStG nicht bereits durch den Abschluß eines Mietvertrages allein gewahrt wird, sondern nur, wenn innerhalb dieser Frist die Gebrauchsüberlassung gegen Entgelt beginnt, d. h. dem Mieter die Wohnung zur jederzeitigen Nutzung zur Verfügung gestellt wird und der Mieter für diese Nutzungsmöglichkeit ein Entgelt zu entrichten hat. Dies gilt nicht nur in den Fällen, in denen eine Wohnung nach Fertigstellung oder Anschaffung vermietet werden soll, sondern auch für die Fälle, in denen die Wohnung nach Beendigung einer Vermietung erneut zur dauernden Nutzung vermietet wird. Die gegenteilige Auffassung des FG und der Kläger hält der Senat aus den im Urteil in BFH/NV 1997, 561 dargelegten Gründen für nicht zutreffend. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist er auf die Ausführungen in diesem Urteil.

b) Nach den bindenden (vgl. §118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) Feststellungen des FG haben die Kläger zwar nach der steuerrechtlich wirksamen, zum 31. Oktober 1984 beendeten Vermietung an den Bruder der Klägerin innerhalb der Sechs-Monats-Frist mit dem Zeugen A -- einem fremden Dritten -- einen Mietvertrag mit Wirkung ab 1. Oktober 1985 abgeschlossen. Dieser Mietvertrag ist jedoch spätestens im Februar 1985 wieder aufgehoben worden, ohne daß dem Mieter die Wohnung innerhalb der Sechs-Monats- Frist zur jederzeitigen Nutzung zur Verfügung stand. Da die Einliegerwohnung somit nicht binnen der vom Gesetz geforderten Frist i. S. des §21 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 EStG vermietet worden ist, ist der Nutzungswert der eigengenutzten Wohnung bereits ab Beginn der Sechs-Monats-Frist und damit ab dem 31. Oktober 1984 nach §21 a EStG zu ermitteln.

2. Da das FG von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, ist die Vorentscheidung für die mit der Revision angegriffenen Streitjahre 1984 und 1985 aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.

a) Nutzt der Eigentümer eines Zweifamilienhauses eine Wohnung selbst und vermietet er die andere Wohnung, so sind die Einkünfte für die vermietete Wohnung nach §21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu ermitteln. Aufwendungen für eine leerstehende Wohnung können als vorab entstandene Werbungskosten abgezogen werden, wenn der Entschluß zur Einkunftserzielung endgültig gefaßt und später nicht wieder weggefallen ist (ständige Rechtsprechung; vgl. zuletzt Senatsurteil vom 27. Januar 1993 IX R 64/88, BFH/NV 1993, 528). Auch wenn für die eigengenutzte Wohnung der Nutzungswert nach §21 a EStG zu ermitteln ist, weil die Einliegerwohnung nicht innerhalb der Sechs-Monats-Frist vermietet werden kann, können für die leerstehende Wohnung (vorab entstandene) Werbungskosten abgezogen werden, wenn die Einkünfteerzielungsabsicht besteht. Wird die Wohnung jedoch an Familienangehörige vermietet und hält der Mietvertrag -- wie vom FG im Streitfall für die Mietverhältnisse mit der Schwester und der Mutter des Klägers bindend entschieden -- einem Fremdvergleich nicht stand und kann er deshalb der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden, hat dies zur Folge, daß der Nutzungswert des gesamten Hauses einschließlich der an die Familienangehörigen überlassenen Wohnung durch Pauschalierung nach §21 a EStG zu ermitteln ist (Senatsurteil vom 22. März 1994 IX R 78/92, BFH/NV 1995, 99, m. w. N.).

b) Das FG hat im Streitfall festgestellt, daß die Kläger auch nach Ende der Vermietung an den Bruder der Klägerin die Einliegerwohnung an einen fremden Dritten vermieten wollten. Dies wird durch den mit dem Zeugen A abgeschlossenen Mietvertrag dokumentiert.

Jedenfalls für den Zeitraum bis zur Aufhebung dieses Mietvertrages im Januar oder Februar 1985 ist von einer fortgesetzten Einkunftserzielungsabsicht der Kläger für die Einliegerwohnung auszugehen, so daß insoweit anteilige Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden können. Aus dem angefochtenen Urteil läßt sich jedoch nicht entnehmen, ab welchem Zeitpunkt in der Folgezeit die Einkunftserzielungsabsicht der Kläger weggefallen ist und welche der von den Klägern geltend gemachten Werbungskosten in den Streitjahren auf die Einliegerwohnung entfallen. Die Sache geht an das FG zurück, damit es die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nachholt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 67291

BFH/NV 1998, 848

HFR 1998, 647

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge