Entscheidungsstichwort (Thema)

Formelle und inhaltliche Anforderungen an die Vereinbarung einer dauernden Last

 

Leitsatz (NV)

1. Die steuerrechtliche Anerkennung einer anläßlich der Vermögensübergabe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vereinbarten Versorgungszusage als dauernde Last setzt u. a. voraus, daß die gegenseitigen Rechte und Pflichten klar und eindeutig vereinbart sind. Die klaren und ernsthaft gewollten Vereinbarungen müssen zu Beginn des maßgeblichen Rechtsverhältnsises oder bei Änderung des Verhältnisses für die Zukunft getroffen werden.

2. Es kann dahingestellt bleiben, ob - bei Anwendung des Fremdvergleichs - eine ,,Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen" im Rechtssinne vorliegt, wenn ein 47 Jahre alter Vater den Kundenstamm seines überschuldeten Unternehmens gegen Zahlung einer lebenslänglichen Rente auf seine Söhne überträgt.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a, § 12 Nr. 2

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbekagten (Kläger) sind Eheleute und werden zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger ist von Beruf Gebäudereinigungsmeister. Er und sein Bruder gründeten mit Vertrag vom 7. Januar 1980 mit Wirkung vom 1. Januar 1980 eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GdbR). Der damals 47 Jahre alte Vater des Klägers (X) übertrug den Kundenstamm seines bisher von ihm geführten Reinigungsunternehmens auf die GdbR. ,,Als Gegenleistung" dafür sollte er ,,eine monatliche Vergütung" in Höhe von 8 v. H. des monatlichen Nettoumsatzes der GdbR erhalten, mindestens jedoch monatlich 2000 DM, höchstens 3500 DM. Der Vater sollte zur Mitarbeit gegen einen monatlichen Nettolohn von 1600 DM berechtigt, nicht jedoch verpflichtet sein.

,,Daneben" übernahmen der Kläger und sein Bruder für den Vater durch Erklärung vom 2. April 1980 gegenüber dem Finanzamt eine Bürgschaft für Steuerschulden und durch Erklärung vom 13. Mai 1980 gegenüber der AOK eine Bürgschaft. Der Kläger zahlte - ebenso wie sein Bruder - im Streitjahr 1980 insgesamt 17 000 DM, teils an die AOK, teils an das Finanzamt.

Durch bestandskräftigen Bescheid des Finanzamts F wurden Einkünfte der GdbR in Höhe von . . . DM festgestellt. Mit dem Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid für 1980 verfolgten die Kläger ihren Antrag weiter, die Zahlungen in Höhe von 17 000 DM zum Abzug als dauernde Last (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) zuzulassen. Dies lehnte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ab.

Mit der Klage haben die Kläger vorgetragen: Die Vereinbarung vom 7. Januar 1980, nach welcher der Vater eine umsatzabhängige Mindestvergütung erhalten sollte, sei ,,niemals vollzogen worden". Vielmehr hätten die Gesellschafter monatlich 2000 DM an die AOK gezahlt. Bei diesen Zahlungen handele es sich um eine dauernde Last. § 12 EStG stehe deren Abzug nicht entgegen. Das FA habe den Wert des Kundenstammes nach der sog. Mittelwertmethode mit 90 000 DM errechnet. Diese Bewertung führe zu einem unzutreffenden Ergebnis, weil das arithmetische Mittel aus Substanz- und Ertragswert in zu weitgehendem Umfang einen Substanzwert berücksichtige. Der Unternehmenswert betrage 180 000 DM, der Kapitalwert der Zahlungen an den Vater 336 000 DM. Leistung und Gegenleistung seien wie unter fremden Dritten nach wirtschaftlichen Grundsätzen gegeneinander abgewogen. Demgegenüber hat das FA den ,,Wert des Kundenstammes" mit 49 333 DM beziffert.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Die Zahlungen des Klägers seien steuerrechtlich eine dauernde Last. Es sei unerheblich, daß die Zahlungen unmittelbar an die Gläubiger geleistet worden seien. Dadurch sei lediglich der Zahlungsweg verkürzt worden; den Versorgungscharakter der Zahlungen habe dies nicht berührt. Entgegen der Auffassung der Beteiligten hänge die Abziehbarkeit der dauernden Last nicht davon ab, ob der Vater eine annähernd angemessene Gegenleistung erbracht habe. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (Urteile vom 16. September 1965 IV 67/61 S, BFHE 83, 568, BStBl III 1965, 706; vom 3. Juni 1986 IX R 2/79, BFHE 146, 442, BStBl II 1986, 674) finde in den Fällen der unentgeltlichen Betriebsübertragung von Eltern auf Kinder keine Verrechnung mit dem Wert einer Gegenleistung statt. Es sei nichts dafür ersichtlich, daß der Vertrag vom 7. Januar 1980 ein betrieblicher Veräußerungs-/Erwerbsvorgang sei, dessen steuerliche Folgen nur im Feststellungsverfahren der GdbR berücksichtigt werden könnten.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts und unzureichende Sachverhaltsermittlung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

1. Das FG hat zu Unrecht entschieden, daß § 12 EStG nicht anwendbar sei.

Als Sonderausgaben abziehar sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG). Dauernde Lasten sind in vollem Umfang abziehbar (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG). Leibrenten können - nach näherer Maßgabe des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 2 EStG - nur mit dem Ertragsanteil abgezogen werden, der sich aus der in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG aufgeführten Ertragstabelle ergibt.

2. Der Große Senat des BFH hat sich in zwei Entscheidungen mit der Übergabe von Vermögen gegen Versorgungsleistungen befaßt.

a) In seinem Beschluß vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, 326 f., BStBl II 1990, 847, dort unter C. II. 1. a) hat er die zivil- und steuerrechtliche Sonderstellung des Vermögensübergabevertrages hervorgehoben.

Der Gesetzgeber hat die Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen dem Rechtsinstitut der dauernden Last zugeordnet; dies gilt unabhängig davon, ob der Übergabevertrag bürgerlich-rechtlich ein Altenteils- bzw. Leibgedingvertrag ist (unter C. II. 1. Buchst. a bis c).

b) Mit Beschluß vom 15. Juli 1991 GrS 1/90 (BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78, unter C. II. 2. und 3.) hat der Große Senat zur Unterscheidung von Leibrente und dauernder Last entschieden:

In sachlichem Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe vereinbarte wiederkehrende Geld- und Sachleistungen sind dauernde Lasten, wenn sie nicht gleichbleibend sind (unter C. II. 3.). Auch soweit Geldleistungen Inhalt eines solchen Versorgungsvertrages sind, haben die Vertragschließenden die rechtlich anerkannte Möglichkeit, diese als abänderbar und damit als dauernde Last zu vereinbaren.

3. Auch bei Zuordnung von Versorgungsleistungen zum Rechtsinstitut ,,dauernde Last" behält § 12 EStG seine Bedeutung für die Abgrenzung zwischen den abziehbaren privaten Versorgungsleistungen und den nicht abziehbaren Unterhaltsleistungen (Großer Senat in BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78, unter C. II. 4.). Der Große Senat hat unter Hinweis auf die Rechtstradition des Einkommensteuerrechts dargestellt, daß die Abziehbarkeit der Versorgungsleistungen gerechtfertigt sei als ,,Folgerung aus der Übergabe von Vermögen seitens der Eltern an die Kinder" (unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil vom 23. Januar 1964 IV 8/62 U, BFHE 79, 516, BStBl III 1964, 422). Für den Vertragstypus ,,Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen" seien kennzeichnend dessen Bedeutung für die Vorwegnahme der Erbregelung sowie die durch die Vermögensübergabe notwendig gewordene Versorgung der Eltern; typisch sei ferner, daß die Rente nicht nach dem Wert der Gegenleistung, sondern nach dem Versorgungsbedürfnis des Berechtigten und nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Verpflichteten bemessen werde. Eine nichtabziehbare Unterhaltsleistung liegt nach Auffassung des Großen Senats dann vor, wenn der Unterhaltscharakter der Zahlung ,,unter Berücksichtigung der Gegenleistung . . . offensichtlich überwiegt".

4. Der Übergabevertrag muß steuerrechtlich anzuerkennen sein. Dies setzt unter nahen Angehörigen jedenfalls voraus, daß die gegenseitigen Rechte und Pflichten klar und eindeutig vereinbart sind (vgl. zu dieser Voraussetzung allgemein BFH-Urteil vom 17. Januar 1991 IV R 132/85, BFHE 163, 449, 452, BStBl II 1991, 607, mit Nachweisen der Rechtsprechung; zur Abgrenzung der Betriebsausgaben von außerbetrieblichen Zuwendungen BFH-Urteile vom 21. August 1985 I R 73/82, BFHE 145, 316, BStBl II 1986, 250, und vom 13. November 1986 IV R 322/84, 148, 168, BStBl II 1987, 121; zur Verpflichtung von Versorgungsleistungen in einem Vermögensübergabevertrag BFH-Urteil vom 28. April 1987 IX R 40/81, BFH/NV 1987, 712, unter 3.). Die klaren und ernsthaft gewollten Vereinbarungen müssen zu Beginn des maßgeblichen Rechtsverhältnisses oder bei Änderung des Verhältnisses für die Zukunft getroffen werden; rückwirkende Vereinbarungen sind steuerrechtlich nicht anzuerkennen (vgl. BFH-Urteil vom 29. November 1988 VIII R 83/82, BFHE 155, 114, 116, BStBl II 1989, 281).

5. Das angefochtene Urteil weicht von den vorstehend dargestellten Grundsätzen ab.

a) Das FG hat nicht die vorrangig zu beantwortende Frage gestellt, ob hier überhaupt ein Vertrag vorliegt, der nach dem Sonderrecht der Vermögensübergabe zu beurteilen ist. Denn nur dann ist eine Ausnahme von dem Grundsatz gerechtfertigt, daß eine freiwillig eingegangene Verpflichtung zu wiederkehrenden Leistungen nicht dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 2 EStG unterliegt. Es hätte zunächst der Prüfung bedurft, ob die Übertragung des Kundenstammes vom 47jährigen Vater auf die von den Söhnen gegründete GdbR im Zusammenhang mit einer Vorwegnahme der Erbfolge gestanden hat. Nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt spricht wenig dafür, daß die Übertragung den wesentlichen Zweck gehabt hätte, den bisher vom Vater geführten Betrieb als lebenden Organismus der Familie zu erhalten. Eher liegt die Annahme nahe, daß die Verbürgung für Betriebsschulden durch die Söhne und die Übertragung des Kundenstammes ein wirtschaftlich und rechtlich einheitlicher Vorgang sind und daß durch die Gründung einer Auffanggesellschaft der Betrieb des Vaters saniert werden sollte.

Unter diesen Voraussetzungen hätte - unabhängig von den nachrangigen Überlegungen zum Ertragswert - nach den allgemeinen Grundsätzen über Veräußerungsgeschäfte zwischen nahen Angehörigen geprüft werden müssen, ob die Zusage einer lebenslänglichen Rente an einen 47 Jahre alten Veräußerer für die Übertragung (nur) eines Kundenstammes inhaltlich den Anforderungen an den Fremdvergleich entspricht. Indes kann die rechtliche Beurteilung eines solchen dem betrieblichen Bereich der GdbR zuzurechnenden Geschäftsvorfalls dahingestellt bleiben, da sie dem Verfahren der einheitlichen und gesonderten Feststellung vorbehalten gewesen wäre.

b) Die Abziehbarkeit der Zahlungen als private Versorgungsrente scheitert jedenfalls an § 12 EStG.

aa) Der Kläger hatte vor dem FG vorgetragen, daß der Vertrag vom 7. Januar 1980 ,,niemals vollzogen worden" sei, die Zahlungen vielmehr auf die Bürgschaften geleistet worden seien. Dieser vom FG übernommene Vortrag schließt die Annahme aus, daß die Bürgschaften in Erfüllung der Verpflichtung aus der Vereinbarung vom 7. Januar 1980 eingegangen worden wären und daß die Zahlungen an AOK und Finanzamt auf die wiederkehrend zu zahlende ,,Vergütung" für den Kundenstamm angerechnet werden sollten. Stand mithin die Übernahme der Bürgschaften in keinem solchen rechtlichen Zusammenhang mit der Vereinbarung vom 7. Januar 1980, der die Beurteilung als abgekürzter Zahlungsweg zulassen würde, ist die letztere Vereinbarung nicht, jedenfalls nicht wie vereinbart durchgeführt worden.

bb) Hinzu kommt, daß die im Vertrag vereinbarten Mindestleistungen von 24 000 DM nicht erbracht wurden. AOK und Finanzamt erhielten lediglich 17 000 DM, und dies frühestens ab April 1980.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418605

BFH/NV 1992, 816

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