Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Rentenzahlungen an gesetzlich Unterhaltsberechtigte, die, ohne Kaufpreisrenten zu sein, im Zusammenhang mit der übertragung eines Betriebs auf den Unterhaltsverpflichteten vereinbart werden, sind im allgemeinen dann in vollem Umfang keine Sonderausgaben, wenn der Unterhaltscharakter der Renten überwiegt. Ein wesentlicher Anhaltspunkt dafür kann sein, daß der Wert des übertragenen Vermögens schon bei überschläglicher Berechnung nicht wenigstens die Hälfte des Wertes der Rentenverpflichtung erreicht.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1, § 12 Nr. 2

 

Tatbestand

Streitig ist die einkommensteuerliche Behandlung von Rentenzahlungen.

Der Bf. übernahm zum 1. Juli 1953 auf Grund eines als "Kaufvertrag" bezeichneten Vertrages von seinen Eltern eine auf gemietetem Grundstück betriebene mechanische Werkstätte, bestehend aus Werkstattraum und Lagerraum, Büro, Betriebs- und Geschäftsausstattung. Als Gegenleistung verpflichtete sich der Bf. zu einer monatlichen Rentenzahlung von 200 DM für die Lebenszeit beider Elternteile. Der Vater war zur Zeit der Betriebsübergabe 70 Jahre, die Mutter 63 Jahre alt. Der Bf. passivierte in der Eröffnungsbilanz zum 1. Juli 1953 die mit 21.600 DM angesetzte Rentenlast als Kaufpreisrente und aktivierte einen Geschäftswert von 19.430 DM. Das Finanzamt sah die Rente nicht als Kaufpreisrente, sondern als außerbetriebliche Versorgungsrente an. Die einzelnen Rentenzahlungen ließ es als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG zum Abzug zu. Dagegen erhob der Bf. bis zur Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 1959 keine Einwendungen. Für 1959 machte er die nach dem Tode seines Vaters an die Mutter geleisteten Zahlungen von 2.400 DM als Betriebsausgaben geltend, da es sich um eine betriebliche Kaufpreisrente oder um eine betriebliche Versorgungsrente handele.

Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht verneinte das Vorliegen einer betrieblichen Veräußerungsrente, da Leistung und Gegenleistung nicht nach den im Wirtschaftsleben üblichen Grundsätzen wie unter Fremden gegeneinander abgewogen worden seien. Der Vertrag weise keine Wertansätze für die Wirtschaftsgüter aus. Nach dem Gesamtbild des Vertrages sei anzunehmen, daß für die Höhe der vom Bf. übernommenen Rentenverpflichtung weniger der Wert des übernommenen Betriebsvermögens als die Versorgung der alten Eltern im Vordergrund gestanden habe. Eine betriebliche Versorgungsrente im Sinn des Urteils des Bundesfinanzhofs IV 265/58 U vom 30. Juli 1959 (BStBl 1959 III S. 406, Slg. Bd. 69 S. 387), auf das sich der Bf. berufe, liege nicht vor, da nicht ersichtlich sei, daß die Mutter aus betrieblichen Gründen versorgt werde.

Mit der Rb. rügt der Bf. unrichtige Rechtsanwendung und Verstoß gegen den Akteninhalt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Eine betriebliche Veräußerungsrente liegt, wie die Vorinstanz zutreffend ausführte, vor, wenn die Werte der Leistung und der Gegenleistung nach kaufmännischen Grundsätzen wie unter Fremden gegeneinander abgewogen sind (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs I 232/54 U vom 12. Juli 1955, BStBl 1955 III S. 302, Slg. Bd. 61 S. 272; VI 27/56 U vom 8. Februar 1957, BStBl 1957 III S. 207, Slg. Bd. 64 S. 550). Diese Voraussetzungen können auch bei Rentenverhältnissen zwischen gesetzlich Unterhaltspflichtigen und Unterhaltsberechtigten gegeben sein. Doch bilden solche Fälle erfahrungsgemäß die Ausnahme. Die Feststellung der Vorinstanz, daß die Rente nicht nach dem Werte des Betriebes bemessen worden sei, läßt einen Rechtsirrtum oder Aktenverstoß nicht erkennen. Die Annahme einer Kaufpreisrente wird durch das vom Finanzgericht zutreffend gewürdigte Mißverhältnis zwischen den übernommenen Werten und dem Kapitalwert der Leibrente, das der Bf. in der Eröffnungsbilanz zum 1. Juli 1953 durch den Ansatz eines Firmenwertes auszugleichen versuchte, ausgeschlossen. Zwar unterlief der Vorinstanz insofern ein Versehen, als sie die Sozialversicherungsrente mit der der Mutter des Bf. erbrachten Rentenleistung verwechselte. Aber dieser Fehler war für die Entscheidung nicht ursächlich, da es sich nur um einen von mehreren Gründen handelte, die das Finanzgericht für seine Annahme einer außerbetrieblichen Versorgungsrente anführte.

Eine als Betriebsausgabe abzugsfähige Versorgungsrente ist nur gegeben, wenn die Rentenzahlung nicht das Entgelt für veräußerte Wirtschaftsgüter, sondern eine Vergütung für die dem Betriebe erbrachten Leistungen darstellt, oder wenn die Rente auf ähnlichen betrieblichen Erwägungen beruht. Solche Renten werden vorwiegend beim Ausscheiden von Gesellschaftern aus Personengesellschaften vereinbart; in Ausnahmefällen können sie auch beim Wechsel der Inhaber von Einzelunternehmen in Betracht kommen. Die Gründe des Urteils des Bundesfinanzhofs IV 265/58 U treffen auf den Streitfall nicht zu. Denn in der dort entschiedenen Sache ging es um die übertragung des Betriebes einer Tante auf ihren Neffen, also nicht um ein Rentenverhältnis zwischen Unterhaltsberechtigten. Es waren Kaufpreiszahlung und zusätzliche Versorgungsrente vereinbart. Der Senat kam damals auf Grund der besonderen Umstände zu der Bejahung der betrieblichen Natur der Rentenzahlung. Die Abfindung der hochbetagten Inhaberin mit nur einem geringfügigen Kaufpreis wäre dem geschäftlichen Ansehen des Erwerbers nachteilig gewesen. Das Vorliegen solcher besonderen Umstände ist im Streitfalle nicht festgestellt und vom Bf. nicht behauptet. Der Hinweis des Bf. darauf, daß seine Mutter sich, wie das bei kleineren Betrieben üblich ist, ebenfalls um den Betrieb gekümmert habe, reicht für die Annahme einer betrieblichen Versorgungsrente nicht aus.

Bei Betriebsübertragungen von Eltern auf Kinder oder unter sehr nahen Verwandten spricht im allgemeinen die Vermutung für außerbetriebliche Erwägungen; diese Vermutung ist nur in Ausnahmefällen widerlegbar (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs I 347/56 U vom 8. Oktober 1957, BStBl 1957 III S. 440, Slg. Bd. 65 S. 535; I 141/58 U vom 16. Juni 1959, BStBl 1962 III S. 271, Slg. Bd. 75 S. 4). In der Regel ist mit der Betriebsübertragung in solchen Fällen eine Unterhaltsregelung oder die Vorwegnahme einer erbrechtlichen Auseinandersetzung beabsichtigt. Die Rente steht zwar auch in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Gegenleistung; sie ist aber weniger nach diesem Wert als nach den Versorgungsbedürfnissen des Rentenberechtigten unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Rentenverpflichteten bemessen. Es liegt daher keine Veräußerungsrente, sondern grundsätzlich eine Versorgungsrente vor. Wird eine Versorgungsrente einer gesetzlich unterhaltsberechtigten Person zugewendet, so entfällt im allgemeinen die Anwendbarkeit des § 12 Ziff. 2 EStG, da die Rente nicht in Erfüllung der Unterhaltspflicht, sondern im Hinblick auf die Gegenleistung und das durch die Tätigkeit im Betrieb gerechtfertigte Versorgungsbedürfnis gezahlt wird. Der Verpflichtete kann die Rente nach § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG als Sonderausgabe absetzen; der Empfänger hat die empfangenen Rentenbezüge nach § 22 Ziff. 1 a EStG zu versteuern (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 856/33 vom 22. November 1933, RStBl 1934 S. 338; Urteil des Bundesfinanzhofs VI 27/56 U).

Nach der Entscheidung VI 27/56 U greift das Abzugsverbot des § 12 Ziff. 2 EStG erst dann ein, wenn die Leistung des Rentenberechtigten bei vernünftiger Beurteilung nicht als Gegenleistung gedacht sein kann, sondern eine vor allem aus steuerlichen Gründen gewählte Form der Unterhaltsleistung darstellt. Der Entscheidung liegt die Erwägung zugrunde, daß das Abzugsverbot des § 12 Ziff. 2 EStG im Hinblick auf die ausdehnende Auslegung des Begriffes "gesetzlich unterhaltsberechtigte Person" durch die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs sehr weit reicht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs VI 84/60 U vom 24. Februar 1961, BStBl 1961 III S. 188, Slg. Bd. 72 S. 515). Nach der Entscheidung VI 27/56 U, die teilweise von der bisherigen Rechtsprechung abweicht, brauchen die Finanzbehörden grundsätzlich nicht zu prüfen, ob Leistung und Gegenleistung in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Diese Auffassung wurde dann dahin eingeschränkt, daß die Finanzbehörden die Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung zu prüfen haben, wenn im Einzelfall zweifelhaft ist, ob die Gegenleistung eines Unterhaltsberechtigten in erheblichem Umfange hinter dem Wert der Rente zurückbleibt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs VI 321/61 U vom 28. Juni 1963, BStBl 1963 III S. 424).

Der erkennende Senat tritt dieser Rechtsprechung darin bei, daß nicht schon die Tatsache einer Gegenleistung ohne jede Berücksichtigung der Wertverhältnisse die Anwendung des § 12 Ziff. 2 EStG ausschließt. Denn es kann unter dem Gesichtspunkt der gleichmäßigen Behandlung aller Steuerpflichtigen nicht zugelassen werden, daß Rentenzahlungen an gesetzlich Unterhaltsberechtigte nur deshalb als Sonderausgabe abgezogen werden dürfen, weil der Rentenverpflichtete einen Betrieb des Rentenberechtigten übernimmt, ohne daß dessen Wert in einem beachtlichen Verhältnis zum Werte der Rentenverpflichtung steht. Das Abzugsverbot des § 12 Ziff. 2 EStG gilt für alle Zuwendungen, die nicht im Hinblick auf eine Gegenleistung, sondern im Hinblick auf die gesetzliche Unterhaltspflicht erbracht werden. Eine Rente wird aber nicht erst dann auf Grund der Unterhaltspflicht gezahlt, wenn der Wert der Gegenleistung so gering ist, daß er im Verhältnis zum Wert der Unterhaltsleistungen keinen wirtschaftlichen Gehalt besitzt. Eine Unterhaltsrente liegt vielmehr schon dann vor, wenn unter Berücksichtigung der Gegenleistung der Unterhaltscharakter offensichtlich überwiegt. Ein wesentlicher Anhaltspunkt für das überwiegen kann im allgemeinen darin gesehen werden, daß der Wert der Gegenleistung (des übernommenen Betriebsvermögens usw.) bei überschlägiger und großzügiger Berechnung weniger als die Hälfte des Wertes der Rentenverpflichtung beträgt. Der Wert der Gegenleistung bestimmt sich in der Regel nach dem Betrag, den ein fremder Erwerber als Kaufpreis zugestehen würde.

Von einer an sich möglichen Aufteilung der Rente in eine als Sonderausgabe abzugsfähige außerbetriebliche Versorgungsrente und in eine nichtabzugsfähige reine Unterhaltsrente nach dem Verhältnis des durch den Wert der Gegenleistung gedeckten und des nicht mehr gedeckten Teils der Rentenverpflichtung glaubt der Senat absehen zu sollen. Er tritt der in dem Urteil des VI. Senats VI 27/56 U dargelegten Auffassung bei, daß ein wirtschaftlich einheitlicher Vorgang auch steuerlich möglichst einheitlich behandelt werden muß. Eine Aufspaltung der einheitlichen Leistung setzt genaue Berechnungen der Werte voraus und führt zu praktischen Schwierigkeiten, die zu vermeiden vertretbar erscheint. Bei überwiegen des Unterhaltscharakters der Rente liegen daher in vollem Umfange eine nichtabzugsfähige Unterhaltsrente (§ 12 Ziff. 2 EStG) und bei überwiegen des Gesichtspunktes der Gegenleistung in vollem Umfange eine außerbetriebliche Versorgungsrente (§ 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG) vor.

Die Vorentscheidung, die von anderen Rechtsgrundsätzen ausging, ist aufzuheben. Die nicht spruchreife Sache wird an das Finanzgericht zurückverwiesen. Das Finanzgericht hat bei seiner erneuten Entscheidung das Wertverhältnis von Leistung und Gegenleistung unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen zu prüfen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411110

BStBl III 1964, 422

BFHE 1964, 516

BFHE 79, 516

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