Leitsatz (amtlich)

Berücksichtigungsfähige Ausschüttungen unterliegen dem ermäßigten Steuersatz von 15 v. H., auch soweit sie aus Erträgen aus Beteiligungen herrühren, die nach einem DBA mit Progressionsvorbehalt steuerfrei sind.

 

Normenkette

KStG § 19 Abs. 3; EStG § 3 Nr. 41; StAnpG § 9; DBA FRA i.d.F. des Revisionsprotokolls vom 9. Juni 1969 Art. 20 Abs. 1; DBA IND Art. 16 Abs. 3 a; DBA ESP Art. 23 Abs. 1a

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine AG mit Sitz im Inland, bezog im Streitjahr 1969 von ihren Tochtergesellschaften mit Sitz in Frankreich, Indien und Spanien Dividenden. Diese sind nach den Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA), die die Bundesrepublik Deutschland mit den genannten Staaten geschlossen hat, steuerfrei (Schachtelprivileg über die Grenze). Bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer der Klägerin für das Streitjahr teilte der Beklagte und Revisionskläger (FA) die berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen der Klägerin in die nach den DBA steuerfreien Einkommensteile und in die nichtsteuerfreien Einkommensteile nach folgender Methode auf (angenommene Zahlen):

Gewinn der Gesellschaft 100 000 DM

davon entfallen auf das Inland 80 000 DM

auf ausländische Einkünfte 20 000 DM

Ausschüttungsbetrag 40 000 DM

Anteil der ausländischen Einkünfte 1/5

berücksichtigungsfähige Ausschüttungen daher

40 000 DM ./. 8 000 DM = 32 000 DM

Körperschaftsteuer: 15 v. H. von 32 000 DM

51 v. H. von 48 000 DM

Die Klägerin begehrt dagegen folgende Besteuerung:

15 v. H. von 40 000 DM

51 v. H. von 40 000 DM

Die Sprungklage hatte Erfolg. Das FG, dessen Entscheidung in EFG 1974, 225 und in Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters 1974 S. 283 (AWD 1974, 283) veröffentlicht ist, hat ausgeführt, Bestandteile des Gesamteinkommens, die durch ein DBA nach der Aufteilungsmethode einem andern Staat zugeteilt würden, seien bei der Festsetzung der Steuer in keiner Weise zu berücksichtigen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des FA, mit der Verletzung des § 3 Nr. 41 EStG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 und 3 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und Grundsteuern vom 21. Juli 1959 - DBA Frankreich 1959 - (BStBl I 1961, 343), Art. XVI Nr. 3 a des Abkommens zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung von Indien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung des Einkommens vom 18. März 1959 - DBA-Indien - (BStBl I 1960, 429) und Art. 23 Nr. 1 a des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 5. Dezember 1966 - DBA-Spanien - (BStBl I 1968, 297) gerügt wird. Das FA meint, nach dem Sinn und Zweck der DBA sei der Progressionsvorbehalt als schlichter Tarifvorbehalt anzusehen. Aus dem gespaltenen Körperschaftsteuersatz für ausgeschüttete und nichtausgeschüttete Gewinne ergebe sich ein Mischsteuersatz, auf den sich der Progressionsvorbehalt auswirke. Außerdem folge aus den Anrechnungsvorschriften der §§ 34 c EStG, 19 a KStG, daß der deutsche Steueranspruch nur soweit zurückgedrängt werden solle, als er - gemessen am Gesamteinkommen - auf die ausländischen Einkünfte entfalle. Diese Grundkonzeption gelte auch für ein DBA mit Aufteilungsmethode. Denn beide Methoden verfolgten dasselbe Ziel.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Der Bundesminister der Finanzen (BdF), der dem Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 FGO beigetreten ist, teilt die Auffassung des FA aus folgenden Gründen:

Die Freistellung der ausländischen Schachteldividenden von der deutschen Steuer sage nichts aus über die tariflichen Auswirkungen auf die nicht von der deutschen Steuer befreiten Einkünfte. Hinsichtlich dieser Einkommensteile bleibe die deutsche Tarifhoheit unberührt. Die nicht von der deutschen Steuer befreiten Einkünfte könnten demnach zu der Steuer herangezogen werden, die sich ohne Abkommen ergäbe. Das heiße aber, daß der ermäßigte Steuersatz für ausgeschüttete Gewinne nur in Höhe des Teils des Ausschüttungsbetrages anzuwenden sei, der dem Verhältnis des nichtsteuerfreien Einkommensteils zum Gesamteinkommen entspreche. Das folge auch positiv aus dem Progressionsvorbehalt im Abkommen selbst. Dieser sei nicht auf die Einkommensteuer und nicht auf Tarifvariationen beschränkt, die sich unmittelbar aus der Höhe des Einkommens ergäben, sondern gelte auch für die Körperschaftsteuer und für mittelbare Auswirkungen auf den Steuersatz, z. B. den Umfang der Ausschüttungen. Im Fall des gespaltenen Körperschaftsteuersatzes unterliege das Gesamteinkommen der Kapitalgesellschaft der einheitlichen, wenn auch in seiner Höhe vom Umfang der Ausschüttungen abhängigen Steuer, nicht etwa einer Steuer vom ausgeschütteten und einer Steuer vom nichtausgeschütteten Gewinn, die zu addieren seien. Damit handle es sich um eine Steuer mit variabler Belastung, für die der "Satzvorbehalt" der DBA gelte.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das Einkommen der Klägerin unterliegt in Höhe der berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen dem Steuersatz von 15 v. H. (§ 19 Abs. 1 Nr. 1, 3 KStG). Die berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen betragen in dem Berechnungsbeispiel, das im Tatbestand dieses Urteils enthalten ist, 40 000 DM.

1. Die Körperschaftsteuer, die bei unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften 51 v. H. beträgt, ermäßigt sich für berücksichtigungsfähige Ausschüttungen auf 15 v. H. des Einkommens (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 KStG). Berücksichtigungsfähige Ausschüttungen sind die aufgrund eines den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschlusses vorgenommenen Gewinnausschüttungen (§ 19 Abs. 3 Satz 1 KStG). Der Begriff der berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen ist damit gesellschaftsrechtlich bestimmt, er bezieht sich auf den Handelsbilanzgewinn und nicht auf das steuerrechtliche Einkommen. Das steuerrechtliche Einkommen der Kapitalgesellschaft unterliegt in Höhe der gesellschaftsrechtlichen Gewinnausschüttungen dem ermäßigten Steuersatz von 15 v. H., ohne Rücksicht darauf, woher die Ausschüttungen stammen. Sie können aus der Auflösung offener - versteuerter oder unversteuerter - Rücklagen herrühren (Urteile des BFH vom 14. Mai 1969 I R 10/67, BFHE 95, 534, BStBl II 1969, 503, und vom 18. November 1970 I R 88/69, BFHE 100, 400, BStBl II 1971, 73). Sie können auch aus steuerfreien Einnahmen oder Einlagen stammen (BFH-Urteil vom 12. Juli 1972 I R 205/70, BFHE 107, 186, BStBl II 1973, 59).

Daher führen berücksichtigungsfähige Ausschüttungen zu einer Ermäßigung des Steuersatzes auf 15 v. H., auch soweit sie aus Erträgen herrühren, die nach § 9 KStG (Schachtelprivileg) bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz bleiben.

2. Das gilt auch, wenn Erträge aus Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften aufgrund eines DBA steuerfrei sind (§ 9 StAnpG, § 3 Nr. 41 EStG, § 6 Abs. 1 Satz 1 KStG), wie im Streitfall die Erträge der Klägerin aus Schachtelbeteiligungen an Tochtergesellschaften mit Sitz in Frankreich, Indien und Spanien (Art. 20 Abs. 1 b, aa, DBA-Frankreich i. d. F. des Revisionsprotokolls vom 9. Juni 1969 - DBA-Frankreich 1969 -, BStBl I 1970, 902, Art. XVI Abs. 3 a DBA-Indien; Art. 23 Abs. 1 a DBA-Spanien). Sind Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach einem DBA von der deutschen Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer befreit, so bedeutet das, daß sie weder der deutschen Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer unterliegen noch eine Auswirkung haben auf den Steuersatz für die verbleibenden steuerpflichtigen Einkünfte. Soll die Auswirkung auf den Steuersatz für die verbleibenden steuerpflichtigen Einkünfte aufrechterhalten werden, bedarf es dazu des sog. Progressionsvorbehalts (BFH-Urteil vom 9. November 1966 I 29/65, BFHE 87, 273, BStBl III 1967, 88; Beschluß des BVerfG - vom 10. März 1971 2 BvL 3/68, HFR 1971, 353, AWD 1971, 349).

Dieser Progressionsvorbehalt ist in den DBA mit Frankreich, Indien und Spanien enthalten (Art. 20 Abs. 1 a Satz 2 DBA-Frankreich 1969 - sachlich übereinstimmend mit Art. 20 Abs. 1 DBA-Frankreich 1959 -; Art. XVI Abs. 3 a DBA-Indien; Art. 23 Abs. 1 a Satz 2 DBA-Spanien). Nach diesen Bestimmungen behält die Bundesrepublik Deutschland das Recht, die nach dem jeweiligen DBA von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommenen Einkünfte bei der Festsetzung des Steuersatzes zu berücksichtigen.

Der Progressionsvorbehalt greift im Streitfall nicht ein. Der Senat braucht nicht abschließend zu prüfen, ob der Progressionsvorbehalt auf die Körperschaftsteuer anwendbar ist. Er führt jedenfalls nicht zu einer Kürzung der berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen beim Vorliegen von Erträgen aus ausländischen Schachtelbeteiligungen, die nach den DBA steuerfrei sind. Durch den Progressionsvorbehalt soll sichergestellt werden, daß die Besteuerung nach Maßgabe der Leistungsfähigkeit, die im Ertragsteuerrecht der meisten Staaten durch progressive Gestaltung des Steuertarifs bewirkt wird, durch den Abschluß eines DBA unberührt bleibt (BFH-Urteil vom 25. Mai 1970 I R 109/68, BFHE 99, 367, BStBl II 1970, 660). Seine Anwendung setzt daher voraus, daß ein Steuertarif vorliegt, dessen Steuersätze im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Einkommen steigen.

Diese Voraussetzung trifft auf die Körperschaftsteuersätze von 15 v. H. für berücksichtigungsfähige Ausschüttungen und von 51 v. H. für das übrige Einkommen nicht zu. Die Höhe des Einkommens ist ohne Einfluß auf die Höhe dieser beiden Steuersätze. Es ist allerdings möglich, aus der Körperschaftsteuer, wie sie sich nach Anwendung der beiden Steuersätze von 15 v. H. und 51 v. H. ergibt, einen durchschnittlichen Steuersatz, bezogen auf das Gesamteinkommen, zu errechnen, dessen Höhe von dem Verhältnis der dem Steuersatz von 51 v. H. unterliegenden Einkommensteile zu den dem Steuersatz von 15 v. H. unterliegenden Einkommensteilen abhängt. Dieser "Mischsteuersatz", wie ihn das FA nennt, ist eine Größe, die für steuerliche oder betriebswirtschaftliche Überlegungen der Kapitalgesellschaft von Bedeutung sein kann (vgl. Albach, Steuersystem und unternehmerische Investitionspolitik, 1970, 103, 106 ff.). Er ist aber nicht der gesetzliche Steuersatz, auf den sich der Progressionsvorbehalt eines DBA bezieht.

Die Auffassung des BdF, der Progressionsvorbehalt sei von dem Gedanken der Leistungsfähigkeit zu lösen und erlaube auch eine Erhöhung der effektiven steuerlichen Belastung des Einkommens durch Verschiebungen in der Zusammensetzung dieses Einkommens, steht weder mit dem Wortlaut des Progressionsvorbehalts noch mit dessen Zweck in Einklang.

3. Die Kürzung der berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen, wie sie im Streitfall das FA vorgenommen hat, kann schließlich nicht auf eine Parallele zum Anrechnungsverfahren gestützt werden. Es kann auf sich beruhen, ob dann, wenn die Doppelbesteuerung nicht durch Steuerbefreiung nach einem DBA (Aufteilungsmethode), sondern durch Anrechnung der ausländischen Steuer auf die inländische Steuer (Anrechnungsmethode) vermieden wird, bei der Berechnung der zur Anrechnung bereitstehenden deutschen Steuer die berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen auf die inländischen und ausländischen Einkommensteile aufzuteilen sind, wie das FA annimmt. Unzulässig wäre es, diese Rechtsfolge auf die Vermeidung der Doppelbesteuerung nach der Aufteilungsmethode zu übertragen. Die beiden Methoden haben das gleiche Ziel, erreichen es aber mit unterschiedlichen Wirkungen (vgl. Bühler, Prinzipien des internationalen Steuerrechts, 193 ff.). Die Anrechnungsmethode beseitigt die deutsche Steuer nur in Höhe des ausländischen Steuerbetrags, der niedriger sein kann als der auf die betreffenden Einkünfte entfallende inländische Steuerbetrag. Die Aufteilungsmethode befreit dagegen von der deutschen Steuer ohne Rücksicht darauf, wie hoch die ausländische Steuer wäre und ob der ausländische Staat überhaupt von seinem Besteuerungsrecht Gebrauch macht (BFH-Urteil vom 13. September 1972 I R 130/70, BFHE 107, 158, BStBl II 1973, 57). Ein weiterer Unterschied liegt darin, daß bei der Anrechnungsmethode ein ausländischer Verlust ausgleichsfähig bleibt (§ 2 EStG), bei der Aufteilungsmethode dagegen nicht (BFH-Urteil vom 25. Februar 1976 I R 150/73, BFHE 118, 334, BStBl II 1976, 454). Bei dieser Sachlage ist es ausgeschlossen, Grundsätze der einen Methode auf die andere zu übertragen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72149

BStBl II 1977, 97

BFHE 1977, 521

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