Entscheidungsstichwort (Thema)

Verrechnungsvertrag; Erstattung an einen Dritten; Rückforderungsanspruch

 

Leitsatz (NV)

1. Zu den Voraussetzungen für die Wirksamkeit eines Verrechnungsvertrages über Steuererstattungsansprüche.

2. Nimmt das FA aufgrund einer (wirksamen) Verrechnungsvereinbarung eine Verrechnung des Erstattungsanspruchs mit den Steuerschulden eines Dritten vor, so erbringt es damit eine Leistung an den Erstattungsberechtigten. Fehlt der rechtliche Grund für die Erstattung, so besteht der Rückforderungsanspruch des FA gegen diesen Erstattungsempfänger und nicht gegen den Dritten.

 

Normenkette

AO 1977 § 37 Abs. 2; BGB §§ 133, 157, 242

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), vertreten durch ihren persönlich haftenden Gesellschafter (G), der zur damaligen Zeit als alleiniger Geschäftsführer bestellt und vom Verbot des Selbstkontrahierens befreit war, gab am 8. Mai 1973 die Umsatzsteuervoranmeldung für Mai 1972 ab. Danach hatte die Klägerin ein Guthaben von 167 000 DM. Am 14. Mai 1973 gab G die Umsatzsteuerjahreserklärung 1972 zu Protokoll, die ein Guthaben von 161 000 DM auswies. G erklärte gleichzeitig namens der Klägerin sein Einverständnis damit, daß von diesem Guthaben ein Betrag von 144 000 DM auf sein eigenes Steuerkonto zum Ausgleich der von ihm geschuldeten Umsatzsteuer umgebucht werde.

Die Umsatzsteuerjahresveranlagung 1972 wurde am 1. Juni 1973 vorläufig durchgeführt. Das zuständige Finanzamt (FA) buchte den Betrag von 144 000 DM am 4. Juni 1973 auf das Steuerkonto von G um. Später stellte sich heraus, daß der Klägerin kein Umsatzsteuerguthaben zustand. Das FA berichtigte am 30. April 1974 den Umsatzsteuerbescheid 1972 und setzte die Umsatzsteuer auf 0 DM fest. Die Klägerin nahm am 16. November 1976 den gegen den Umsatzsteuerbescheid 1972 gerichteten Einspruch zurück. Sie wehrte sich aber dagegen, daß von der errechneten Abschlußzahlung in Höhe von 161 000 DM der Betrag von 144 000 DM von ihr verlangt wurde, obschon dieser Betrag nicht ihr, sondern G zugute gekommen sei.

Auf die Bitte der Klägerin erteilte das FA am 11. März 1977 einen Abrechnungsbescheid. Danach hatte die Klägerin 161 000 DM zurückzuzahlen. Hiergegen legte sie Einspruch ein, den das FA zurückwies.

Das Finanzgericht (FG) wies die gegen die ablehnende Einspruchsentscheidung gerichtete Klage mit folgender Begründung ab:

Dem FA stehe gegen die Klägerin ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch in Höhe von 144 000 DM zu. Die Klägerin habe diesen Betrag ohne Rechtsgrund von dem FA erhalten. Er sei der Klägerin als Vorsteuerüberschuß nach § 18 Abs. 4 letzter Satz des Umsatzsteuergesetzes (UStG) gezahlt worden. Dieser Überschuß habe der Klägerin nie zugestanden, weil, wie sich später herausgestellt habe, sie nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen sei.

Die Klägerin sei Leistungsempfänger. Das FA habe mit der Umbuchung (Verrechnungsvertrag) seine angebliche Verbindlichkeit gegenüber der Klägerin erfüllen wollen. Diese Verbindlichkeit habe das FA durch Leistung an einen Dritten gemäß § 362 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) erfüllen wollen. Nach § 185 Abs. 1 BGB habe dies zur wirksamen Erfüllung gegenüber der Klägerin geführt. Aufgrund der Einwilligung der Klägerin habe G über die Forderung der Klägerin verfügen können. G sei nicht durch § 181 BGB gehindert gewesen, die Einwilligung zur Zahlung an sich selbst zu erteilen. Er habe nicht ohne Vertretungsmacht gehandelt. Ein durchschaubarer Mißbrauch der Vertretungsmacht habe nicht vorgelegen. Das FA habe annehmen können, daß die Umbuchung lediglich aus Vereinfachungsgründen vorgenommen werden sollte und im Innenverhältnis zwischen der Klägerin und G ein Ausgleich geschaffen würde.

G habe dem FA nicht als Leistungsberechtigter gegenübergestanden. Die angebliche Forderung der Klägerin gegen das FA sei nicht an ihn abgetreten worden. Die Erklärung vom 14. Mai 1973, mit der G als Vertreter der Klägerin sich bereit erklärt habe, daß umgebucht werde, könne nicht als Abtretung ausgelegt werden. Für die Frage, wer Leistungsempfänger sei, komme es nicht darauf an, ob der Anspruch der Klägerin wirklich bestanden habe. Entscheidend sei, auf wessen Forderung das FA habe zahlen wollen. Die Klägerin stützt ihre Revision auf folgende Gesichtspunkte: Das FG verwende den Begriff des Verrechnungsvertrages fehlerhaft. Die maßgeblichen Regeln für die Tatsachenaufklärung und die Auslegung von Willenserklärungen seien verletzt. Die Anwendung der den öffentlich-rechtlichen Bereicherungsanspruch betreffenden Rechtsnormen sei unrechtmäßig. Das FG habe den Grundsatz von Treu und Glauben nicht beachtet. Es sei nicht einzusehen, warum die Auslegung der Erklärung vom 14. Mai 1973 als Verrechnungsvertrag gegenüber einer Abtretung den Vorzug verdiene. Liege eine Abtretung vor, habe das von den Parteien beabsichtigte ,,Erfüllungsgeschäft" fehlschlagen müssen, weil eine abzutretende Vorsteuerforderung der Klägerin nicht bestanden habe. Dieses Erfüllungsgeschäft habe ausschließlich zwischen dem FA und G als Zessionar stattgefunden. Der Rückforderungsanspruch könne deshalb nur gegen diesen bestehen. Auch durch den Hinweis des FG auf einen Verrechnungsvertrag könne nicht das grundsätzliche Erfordernis einer Verrechnung - sei es als Aufrechnung im engeren Sinn oder als Verrechnungsvertrag - ersetzt werden. Es fehle an der Forderung, mit der habe verrechnet werden können. Ein Verrechnungsvertrag ginge deshalb wie eine Aufrechnung ins Leere. Das FG wolle die Klägerin zur Leistungsempfängerin stempeln, obwohl diese unstreitig nie etwas erhalten habe. Angesichts der problematischen Schuldnerqualität des G habe sich das FG mit dem bei Verrechnungsgeschäften beachtlichen Grundsatz von Treu und Glauben eingehend auseinandersetzen müssen.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung der Vorentscheidung den angefochtenen Abrechnungs- und Rückforderungsbescheid soweit aufzuheben, als ein Betrag von 144 000 DM zurückgefordert wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Der Abrechnungs- und Rückforderungsbescheid des FA in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist insoweit zu Recht ergangen, als das FA damit als Umsatzsteuer 1972 den Betrag von 144 000 DM zurückfordert.

1. Das FA hat gegen die Klägerin wegen der an diese von Anfang an ohne Rechtsgrund erstatteten Vorsteuerbeträge einen dem öffentlichen Recht angehörenden Rückforderungsanspruch (vgl. § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Zwar war eine derartige Forderung in der im Streitfall noch anzuwendenden Reichsabgabenordnung (AO) nicht ausdrücklich geregelt. Wie sich aber aus § 229 Nr. 7 AO ergibt, wurde sie als bestehend vorausgesetzt. Diese Vorschrift bestimmt, daß der Einspruch gegen Bescheide über Erstattungs- oder Vergütungsansprüche, die aus Rechtsgründen zugelassen sind, und gegen Bescheide über Rückforderungen erstatteter oder vergüteter Beträge gegeben ist. Dies zeigt, daß der Rückforderungsanspruch ein öffentlich-rechtlicher Anspruch ist und daß ein mit dem Einspruch anfechtbarer Rückforderungsbescheid seine Grundlage nur im öffentlichen Recht haben kann (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29. Juni 1978 VI R 20/77, BFHE 125, 343, BStBl II 1978, 608, und vom 22. August 1980 VI R 102/77, BFHE 131, 371, BStBl II 1981, 44, 46).

Der BFH hat in ständiger Rechtsprechung einen Rückforderungsanspruch bei von Anfang an zu Unrecht erstatteten Steuern bejaht. Ein solcher Anspruch ist Ausdruck des übergeordneten und allgemein herrschenden Prinzips, daß der, der vom Staat auf Kosten der Allgemeinheit etwas zu erhalten hat, grundsätzlich verpflichtet ist, das Erhaltene zurückzuzahlen. Rückforderungsansprüche sind nichts anderes als umgekehrte Erstattungs- oder Vergütungsansprüche.

Im Streitfall war die Klägerin nach den Feststellungen des FG zum Vorsteuerabzug nicht berechtigt. Sie hatte deshalb keinen Anspruch auf den Abzug und die Erstattung von Vorsteuern. Da das FA ihr gleichwohl Vorsteuern in der hier streitigen Höhe von 144 000 DM ausgezahlt hat, ist die Klägerin Schuldnerin des vom FA erhobenen Rückforderungsanspruchs geworden.

2. Dem steht nicht entgegen, daß das FA die vermeintlichen Vorsteuerabzugsbeträge auf das Konto des G zum Ausgleich der von diesem persönlich geschuldeten Steuerschulden umgebucht hat.

Das FA nahm diese Umbuchung vor, nachdem G, handelnd als alleiniger persönlich haftender Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin, sich damit einverstanden erklärt hatte, daß von dem Guthaben der Klägerin aus zu erstattender Vorsteuer ein Betrag von 144 000 DM auf sein persönliches Steuerkonto zum Ausgleich seiner Mehrwertsteuerschulden umgebucht werde. Diese Erklärung des G vom 14. Mai 1973 war vom FG unter Beachtung der Vorschriften auszulegen, die für die Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen gelten. Das FG hatte mithin bei der Auslegung der Erklärung des G den wirklichen Willen zu erforschen und durfte nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks haften (§ 133 BGB). Bei Vorliegen eines Vertrages war dieser so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern (§§ 157, 242 BGB). Das FG ist im Wege der Auslegung der Erklärung vom 14. Mai 1973 zu dem Ergebnis gelangt, daß zwischen der Klägerin und dem FA ein Verrechnungsvertrag zustande gekommen ist. Diese Auslegung läßt keinen Verstoß gegen die genannten gesetzlichen Auslegungsregeln erkennen. Das Ergebnis der vom FG als Tatsacheninstanz vorzunehmenden Auslegung verstößt auch nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze.

Das FG ist rechtsfehlerfrei zu der Auffassung gelangt, daß in der Erklärung vom 14. Mai 1973 kein Abtretungsvertrag liegt. Ein derartiger Vertrag müßte zwischen Zedent und Zessionar geschlossen werden. Im Streitfall war die Klägerin (vermeintliche) Gläubigerin des Anspruchs auf Erstattung von Vorsteuern. Das FA war Schuldner des vermeintlichen Erstattungsanspruchs. Zwischen dem FA und der Klägerin konnte mithin kein Abtretungsvertrag abgeschlossen werden (vgl. §§ 398 BGB, 159 AO, 46 Abs. 2 und 3 AO 1977). Die Erklärung vom 14. Mai 1973 könnte allenfalls als Anzeige einer Abtretung an das FA angesehen werden. Demgegenüber verdient aber die Auffassung des FG vom Vorliegen eines Verrechnungsvertrages den Vorzug. Denn aus der Erklärung vom 14. Mai 1973 geht die Anzeige einer bereits vollzogenen Rechtsänderung, wie bei der Abtretung, nicht hervor. Die Erklärung des G stellt sich demzufolge als ein Angebot an das FA zum Abschluß eines Verrechnungsvertrages dar. Das FA hat dieses Angebot spätestens am 1. Juni 1973 durch die vorgenommene Umbuchung konkludent angenommen (§ 151 BGB).

3. Gegen die Wirksamkeit dieses Verrechnungsvertrages bestehen keine rechtlichen Bedenken. Ein Verrechnungs- bzw. Aufrechnungsvertrag kann abgeschlossen werden, wenn die Voraussetzungen für die (einseitige) Aufrechnung nicht gegeben sind, etwa wenn es an der Gegenseitigkeit und/oder Fälligkeit fehlt. Für die Aufrechnung öffentlich-rechtlicher Ansprüche ist die Zulässigkeit eines Aufrechnungsvertrages allgemein anerkannt, auch wenn die Forderung des Fiskus noch nicht fällig war (BFH-Urteil vom 13. Oktober 1972 III R 11/72, BFHE 107, 260, BStBl II 1973, 66, 68). Auch zum Zwecke der Aufrechnung trotz fehlender Gegenseitigkeit der Forderungen können die Beteiligten den in der AO nicht ausdrücklich geregelten Verrechnungsvertrag schließen. Die AO setzt es als selbstverständlich voraus, daß auch ein Dritter in sinngemäßer Anwendung des § 267 BGB durch Zahlung das Steuerschuldverhältnis zum Erlöschen bringen kann (vgl. § 120 Abs. 2 AO). Nichts anderes kann deshalb gelten, wenn mit Zustimmung des Gläubigers die Steuerschuld eines Dritten statt durch Zahlung durch Verrechnung mit Erstattungsansprüchen getilgt werden soll. Grundsätze des Steuerrechts stehen der Anerkennung eines Verrechnungsvertrages nicht entgegen, weil der Staat als Steuergläubiger nicht auf seinen Steueranspruch verzichtet und der Steuerpflichtige bis zur Tilgung der Schuld Steuerschuldner bleibt (BFH-Urteil vom 21. März 1978 VIII R 60/73, BFHE 125, 326, 329, 330, BStBl II 1978, 606).

4. Für den Abschluß eines wirksamen Verrechnungsvertrages genügt es, daß die Parteien über die zur Verrechnung bzw. Aufrechnung gestellten Forderungen verfügen können. Wenn auch im übrigen die Voraussetzungen der einseitigen Aufrechnung (Gegenseitigkeit, Gleichartigkeit, Vollwirksamkeit und Fälligkeit der Gegenforderung und Erfüllbarkeit der Hauptforderung) nicht vorliegen müssen, so ist es doch unverzichtbar, daß die zu verrechnenden Forderungen rechtsgültig sind (Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 44. Aufl., § 387 Anm. 8). Die Klägerin ist zu Unrecht der Auffassung, daß der zwischen ihr und dem FA abgeschlossene Verrechnungsvertrag ins Leere gegangen sei, weil der Klägerin kein Anspruch auf Erstattung von Vorsteuern zugestanden habe. Zwar ergab die im Jahre 1974 durchgeführte Umsatzsteuersonderprüfung, daß die Voraussetzungen für eine wirksame Umsatzsteueroption (§§ 9, 19 Abs. 4 UStG) im Streitfall nicht vorlagen und die Klägern zum Vorsteuerabzug nicht berechtigt war. Daraus folgt aber nicht, daß die Klägerin mit dem FA keinen wirksamen Verrechnungsvertrag über ihren vermeintlichen Erstattungsanspruch (§ 18 Abs. 2 Satz 5 UStG) und über den gegen ihren Vertreter gerichteten Steueranspruch schließen konnte. Bereits die von der Klägerin am 8. Mai 1973 eingereichte Umsatzsteuervoranmeldung gilt gemäß § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG als Steuererklärung (für Mai 1972). Die vorbehaltlose Entgegennahme dieser Voranmeldung durch das FA gilt als Steuerbescheid (§ 212 AO; vgl. jetzt § 168 AO 1977; Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 212 AO Tz. 2). Das FA setzte zudem am 1. Juni 1973 entsprechend der am 14. Mai 1973 zu Protokoll erklärten Umsatzsteuerjahreserklärung die Umsatzsteuer 1972 vorläufig gemäß § 100 Abs. 2 AO auf 161 000 DM (Guthaben) fest.

Ein Steuerbescheid setzt die Steuer bzw. ein Steuerguthaben verbindlich fest. Er gilt solange und soweit er nicht im Rechtsbehelfsverfahren oder aufgrund der Berichtigungs- oder Änderungsvorschriften der AO bzw. AO 1977 aufgehoben oder geändert wird. Zwar begründet eine fehlerhafte (zu hohe) Festsetzung grundsätzlich keine Schuld. Eine unzutreffende Festsetzung erlangt gleichwohl eine Bindungswirkung über die materielle Bestandskraft (vgl. auch Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 155 AO 1977 Tz. 4). Steuerbescheide und Freistellungsbescheide können auch die Grundlage für Erstattungen abgeben (Tipke/Kruse, a. a. O., Tz. 5). Gegenstand des zwischen der Klägerin und dem FA abgeschlossenen Verrechnungsvertrages war der sich aus der vermeintlichen Vorsteuerabzugsberechtigung der Klägerin ergebende Steuererstattungsanspruch, welcher der Höhe nach durch Steuerbescheid zum Zeitpunkt des Abschlusses der im Streitfall getroffenen Verrechnungsvereinbarung vorläufig festgesetzt war. Insoweit bestand für die Zahlung des hier streitigen Betrages durch das FA im Wege der Verrechnung mit den persönlichen Umsatzsteuerschulden des G auch eine Rechtsgrundlage. Der Umstand, daß der Klägerin materiell-rechtlich kein Vorsteuerguthaben zustand, berührt die Wirksamkeit des zwischen ihr und dem FA geschlossenen Verrechnungsvertrages zu dem Zeitpunkt nicht, in dem der Steuererstattungsanspruch der Klägerin durch einen vorläufigen Steuerbescheid (noch) festgesetzt war und Gegenstand rechtsgeschäftlicher Verfügungen sein konnte.

5. Das FA hat durch die Umbuchung des vermeintlichen Steuerguthabens der Klägerin auf das Konto des G zur Verrechnung mit dessen persönlichen Steuerschulden die ihm nach der mit der Klägerin abgeschlossenen Verrechnungsvereinbarung obliegende Leistungspflicht gegenüber der Klägerin auch erfüllt. Zwar sind Zahlungsempfänger und Leistungsempfänger regelmäßig identisch, so daß mit einer Zahlung der Empfänger die Leistung erhält, um deren Rückforderung ggf. gestritten wird. Zwischen Leistungsempfänger und Zahlungsempfänger muß jedoch nicht in jedem Fall Identität bestehen. Das zeigt schon die jederzeit mögliche Anweisung des Leistungsberechtigten an den Leistungsverpflichteten, die Erfüllung von Erstattungs- bzw. Vergütungsansprüchen durch Zahlung an einen Dritten zu bewirken. Zahlt das zur Erstattung verpflichtete FA in Befolgung einer Anweisung oder in Erfüllung einer entsprechenden vertraglichen Verpflichtung den zu erstattenden Steuerbetrag an einen Dritten aus, so erbringt es mit dieser Zahlung eine Leistung an den erstattungsberechtigten Steuerpflichtigen. Ist also eine Erstattung zu Unrecht erfolgt, so richtet sich der Rückforderungsanspruch gegen den Leistungsempfänger, also denjenigen, der die Erstattung erhalten hat (vgl. auch Tipke/Kruse, a. a. O., § 37 AO 1977 Tz. 31).

Im Streitfall hat das FA gegenüber der Klägerin durch Verrechnung des der Klägerin vermeintlich zustehenden Vorsteuerguthabens mit den Steuerschulden des G eine Leistung erbracht, für die kein rechtlicher Grund bestand, da die Klägerin von Anfang an nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt war. Anspruchsbegründender Tatbestand für den Rückforderungsanspruch des FA ist die Zahlung des nicht geschuldeten Vorsteuerbetrages an die Klägerin durch Verrechnung mit den Schulden des G, die auch der Höhe nach nicht streitig ist. Es kann dahinstehen, ob dieser Rückforderungsanspruch des FA schon im Zeitpunkt entstanden ist, in dem der von ihm als Steuergläubiger nicht geschuldete Erstattungsbetrag (durch Verrechnung) ausgezahlt wurde, oder zu dem Zeitpunkt entstand, in dem das FA feststellte, daß die Voraussetzungen der Vergütung nicht vorlagen (vgl. Änderungsbescheid vom 30. April 1974), oder ob der Rückforderungsanspruch erst entstanden ist, als der Rückforderungsbescheid bekanntgegeben wurde. Im Streitfall ist der Rückforderungsanspruch des FA jedenfalls spätestens mit der Bekanntgabe des Abrechnungs- und Rückforderungsbescheides vom 11. März 1977 entstanden.

6. Auch Rückforderungsansprüche unterstehen den Grundsätzen von Treu und Glauben, die dann zu einer Beschränkung oder zum Wegfall des Rückforderungsanspruches führen können, wenn dessen Geltendmachung gegen das Verbot unzulässiger Rechtsausübung verstößt. Im Streitfall sind indessen keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß der vom FA geltend gemachte Rückforderungsanspruch gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstößt oder diese Grundsätze vom FG bei der Auslegung des zwischen der Klägerin und dem FA geschlossenen Verrechnungsvertrages nicht beachtet wurden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414241

BFH/NV 1986, 642

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