Entscheidungsstichwort (Thema)

Kapitalisierte Pflegeverpflichtung keine Anschaffungskosten; Nichtbeanstandungsgrenzen auch für Gerichte verbindlich

 

Leitsatz (NV)

Bei Vermögensübertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge rechnet die der Versorgung des Übergebenden dienende Pflegeverpflichtung nicht zu den Gegenleistungen für die Übertragung des Vermögens; denn sie ist als typischer Bestandteil eines Leibgedings- oder Altenteilsvertrags einkommensteuerrechtlich aus dem Bereich der Entgeltlichkeit ausgegrenzt (Anschluß an Urteil vom 24. April 1991 XI R 9/84, BFHE 164, 354).

Wird in einer allgemeinen Verwaltungsanweisung eine sog. Nichtbeanstandungsgrenze festgelegt, so ist diese im Interesse der Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen von den Finanzämtern und Finanzgerichten zu beachten.

 

Normenkette

EStG §§ 7b, 9 Abs. 1 S. 3, § 33a Abs. 3

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 1980 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Sie haben zwei Kinder.

Mit notariell beurkundetem Übertragungsvertrag vom 18. Oktober 1979 erwarben die Kläger von den Eltern der Klägerin ein Zweifamilienhaus-Grundstück. Sie hatten dafür folgende Leistungen zu erbringen:

1. Lebenslanges unentgeltliches Wohnungs- und Nutzungsrecht an den Räumen im Obergeschoß zugunsten der Veräußerer;

2. Pflegeverpflichtung zugunsten der Veräußerer;

3. dingliche Übernahme der Grundpfandrechte in Abteilung III Nrn. 2 und 3;

4. Zahlung eines Betrages von . . . DM an die Veräußerer zur Abfindung der Geschwister.

In ihrer Einkommensteuererklärung 1980 machten die Kläger bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung des Zweifamilienhauses u. a. erhöhte Absetzungen nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) und Schuldzinsen für den zur Zahlung des Barbetrags aufgenommenen Kredit als Werbungskosten geltend. Außerdem beantragten sie, Kinderbetreuungskosten nach § 33 a Abs. 3 EStG von pauschal 600 DM je Kind zu berücksichtigen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte den Abzug der erhöhten Absetzungen und der Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ab, weil die Kläger das Grundstück unentgeltlich erworben hätten. Es berücksichtigte auch nicht die Kinderbetreuungskosten, da die Kläger nicht angegeben hätten, für welche Dienstleistungen Kosten entstanden seien. Der Einspruch, mit dem die Kläger u. a. vortrugen, daß Kinderbetreuungskosten durch die Berufstätigkeit beider Eltern anfielen, aber jedenfalls für eine Klassenfahrt der Tochter und Pfadfinderbeitrag und -fahrt des Sohnes nachweisbar seien, hatte insoweit Erfolg, als das FA Kinderbetreuungskosten von . . . DM berücksichtigte.

Der Klage, mit der die Kläger u. a. begehrten, bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erhöhte Absetzungen von . . . DM und die geltend gemachten Schuldzinsen als Werbungskosten abzuziehen und Kinderbetreuungskosten von 1200 DM pauschal ohne Nachweis zu gewähren, hat das Finanzgericht (FG) insoweit stattgegeben. Es führt im wesentlichen aus, den Klägern seien für den Erwerb des Grundstücks Anschaffungskosten entstanden. Hierzu rechneten die Barzahlung zur Abfindung der Geschwister und die Pflegeverpflichtung, nicht jedoch das von den Eltern vorbehaltene Wohnungsrecht und die Übernahme der Grundpfandrechte. Von den Anschaffungskosten entfielen . . . DM auf das Gebäude. Den Klägern ständen danach die von ihnen beantragten erhöhten Absetzungen von . . . DM zu. Die bisher vom FA nach § 11 d der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) gewährte Absetzung für Abnutzung (AfA) des Rechtsvorgängers sei um den auf den entgeltlichen Erwerb entfallenden Anteil von ‹ zu kürzen. Die Schuldzinsen seien Werbungskosten. Die geltend gemachten Kinderbetreuungskosten ständen den Klägern ohne Nachweis in der Form der Glaubhaftmachung entsprechender Aufwendungen zu. Nach Abschn. 68 a Abs. 3 Satz 2 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1981 könne in der Regel von einer Nachprüfung gänzlich abgesehen werden, wenn die beantragten Abzugsbeträge für Verheiratete je Kind 600 DM nicht überstiegen. Dieser Regelung hätten die Ende 1979 im Erlaßwege ausgesprochenen Verwaltungsanweisungen der Länder und das Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 10. Juli 1980 IV B 5 - S 2288 a - 43, 80 (BStBl I 1980, 436) entsprochen. Aus Gründen der Gleichbehandlung habe der Steuerpflichtige einen Anspruch auf Einhaltung dieser sog. Nichtbeanstandungsgrenze.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Streitsache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

1. Rechtsfehlerfrei hat das FG zwar die Übertragung des Grundstücks als teilentgeltliches Rechtsgeschäft beurteilt und den Klägern erhöhte Absetzungen nach § 7 b EStG gewährt. Die Vorentscheidung ist jedoch aufzuheben, weil das FG zu Unrecht den Kapitalwert der Pflegeverpflichtung in das Entgelt einbezogen hat. Nach der Entscheidung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) bilden bei der Übertragung von Vermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge die Abstandszahlung an den Übergeber und die Zahlung von Gleichstellungsgeldern an Angehörige sowie die Übernahme von Verbindlichkeiten Anschaffungskosten. Dagegen führt die Zusage von Versorgungsleistungen und der Vorbehalt eines Nutzungsrechts nicht zu Anschaffungskosten. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im Beschluß in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 unter C. II. 2., 3. und 1. Auch die der Versorgung des Übergebenden dienende Pflegeverpflichtung rechnet nicht zu den Gegenleistungen für die Übertragung des Vermögens; denn sie ist als typischer Bestandteil eines Leibgedings- oder Altenteilsvertrags einkommensteuerrechtlich aus dem Bereich der Entgeltlichkeit ausgegrenzt (Senatsurteil vom 24. April 1991 XI R 9/84, BFHE 164, 354).

Bei Anwendung der vorgenannten Rechtsgrundsätze sind den Klägern in Höhe des an die Eltern der Klägerin gezahlten Einmalbetrags Anschaffungskosten entstanden. Die übrigen Leistungen führen nicht zu Anschaffungskosten; dies gilt insbesondere für die Übernahme der Grundpfandrechte - wie das FG zutreffend ausgeführt hat -. Nur wenn mit den Grundpfandrechten die noch bestehenden Verbindlichkeiten übernommen werden, besteht für den Übernehmer im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Verpflichtung zu Aufwendungen für den Erwerb des Grundstücks.

Die Kläger haben Anspruch auf erhöhte Absetzungen nach § 7 b EStG von den auf das Gebäude entfallenden Anschaffungskosten. Soweit sie das Grundstück unentgeltlich erworben haben (vgl. zur Aufteilung Senatsurteil vom 24. April 1991 XI R 5/83, BFHE 164, 352), kommt § 11 d EStDV zur Anwendung.

2. Rechtsfehlerfrei hat das FG die Kinderbetreuungskosten von 1 200 DM als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt. Nach § 33 a Abs. 3 Nr. 1 EStG 1979 wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, daß Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen für Dienstleistungen zur Beaufsichtigung oder Betreuung eines Kindes i. S. des § 32 Abs. 4 EStG erwachsen, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Abziehbar ist höchstens ein Betrag von 1 200 DM für jedes Kind, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (§ 33 a Abs. 3 Nr. 1 EStG in der Fassung des durch das Haushaltsbegleitgesetz 1983 vom 20. Dezember 1982, BGBl I 1982, 1857, BStBl I 1982, 972 eingefügten § 53 a EStG). Zwar setzt auch § 53 a Abs. 1 EStG 1983 voraus, daß dem Steuerpflichtigen Kinderbetreuungskosten entstanden sind; werden je Kind jedoch nicht mehr als 600 DM an Kinderbetreuungskosten im Kalenderjahr geltend gemacht, so kann das FA nach der zu § 33 a Abs. 3 Nr. 1 EStG 1981 und § 53 a Abs. 1 EStG 1983 ergangenen Verwaltungsanweisung in der Regel von einer Nachprüfung absehen (sog. Nichtbeanstandungsgrenze in Abschn. 191 a/68 a Abs. 3 Satz 2 EStR/LStR 1981, denen das BMF-Schreiben vom 10. Juli 1980, a. a. O., entspricht). Im Interesse der Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen haben FA und FG diese Nichtbeanstandungsgrenze zu beachten (BFH-Urteil vom 18. April 1990 III R 102/87, BFHE 160, 519, BStBl II 1990, 886).

3. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden; denn das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, in welchem Umfang die Kläger den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung verwirklichen. Hinsichtlich der von den Eltern aufgrund des vorbehaltenen Wohnungsrechts genutzten Wohnung erfüllen die Kläger nicht diesen Tatbestand. Insoweit sind ihnen weder Einnahmen zuzurechnen noch können sie Werbungskosten abziehen (vgl. BFH-Urteile vom 16. Oktober 1984 IX R 81/82, BFHE 143, 310, BStBl II 1985, 390, und vom 13. Februar 1990 IX R 99/85, BFH/NV 1990, 628 mit weiteren Hinweisen). Die Streitsache wird zur Nachholung der entsprechenden Feststellungen und zur erneuten Entscheidung an das FG zurückverwiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63611

BFH/NV 1992, 35

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