Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuordnung von Zuckerrübenlieferrechten zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen

 

Leitsatz (NV)

1. Vom Eigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebs gehaltene Berechtigungen ("Aktienanteile") gegenüber einer Zuckerrübenverwertungsgenossenschaft und -- ggf. damit verbundene -- Zuckerrübenlieferrechte an eine Zuckerfabrik-AG sind regelmäßig dazu bestimmt, dauernd dem landwirtschaftlichen Betrieb zu dienen. Die Berechtigungen und die Lieferrechte gehören nur dann zum sonstigen Vermögen, wenn sie aufgrund der Ausnahmeregelung des § 33 Abs. 3 Nr. 1 BewG nicht zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehören.

2. Eine Urkunde über eine "Beteiligung" an von der Genossenschaft gehaltenen Aktien der Zuckerfabrik-AG ist selbst kein Wertpapier i. S. von § 33 Abs. 3 Nr. 1 BewG.

3. Sind die von der Genossenschaft gehaltenen Aktien -- ggf. anteilig -- dem Eigentümer des landwirtschaftlichen Betriebs über § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 zuzurechnen, so gehören diese nach § 33 Abs. 3 Nr. 1 BewG nicht zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen. Die Zuckerrübenlieferrechte werden in diesem Fall nur dann von der Vorschrift (mit)erfaßt, wenn sie aufgrund satzungsrechtlicher Regelung der AG "untrennbar" mit den Aktien verbunden sind.

 

Normenkette

BewG § 33 Abs. 1, 3 Nr. 1; AO 1977 § 39 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Eigentümerin landwirtschaftlicher Grundstücke und eines landwirtschaftlichen Betriebs. Im Jahre 1986 verpachtete sie diesen Betrieb für neun Jahre.

Für diesen Betrieb standen der Klägerin sog. Zuckerrübenlieferrechte zu. Diese hatte die Klägerin jedoch dem vorherigen Pächter des Betriebs bei Auflösung des Vertrags überlassen müssen. Durch Vertrag vom 7. März 1988 erwarb die Klägerin von einem anderen Landwirt von einer Zuckerrübenverwertungs-Genossenschaft (ZVG) als "Aktienanteile" bezeichnete Berechtigungen verbunden mit einem Lieferrecht für Zuckerrüben an die X-AG von 150 dt je Anteil. Der Kaufpreis dafür betrug ... DM. Kurz danach kaufte sie von demselben Landwirt weitere vier Aktienanteile für ... DM. Nach dem Vertrag vom 7. März 1988 stand der Klägerin ein befristetes Rücktrittsrecht zu, wenn die Übertragung nach den Bestimmungen der ZVG nicht möglich sei oder das zu übertragende Lieferrecht einem Anbau von 1 500 dt Rüben nicht entspräche. Nach einem von der ZVG ausgestellten Anteilschein war die Klägerin damit mit insgesamt 14 Aktienanteilen an den durch die ZVG erworbenen Aktien der X-AG beteiligt. Nach den Richtlinien der ZVG zur Übertragung von Aktienanteilen sowie den Lieferrechten war die Übertragung solcher Aktienanteile und Lieferrechte nur an die ZVG oder mit deren Zustimmung an einen anderen Landwirt gestattet und hatte die Weitergabe außerhalb eines Betriebs in der Regel ganz oder anteilig alle Lieferrechte zu umfassen. Die Übertragung hatte im Einvernehmen mit dem jeweiligen Landesverband zu erfolgen. Der mit der ZVG vertraglich festgelegte Preis dafür betrug ... DM für einen Aktienanteil mit einem Lieferrecht von 150 dt. Nach den Richtlinien der ZVG zur Übertragung von Aktienanteilen und den Lieferrechten war ferner die Übertragung von Aktienanteilen und den Lieferrechten an den oder die Betriebsnachfolger bei Hofübergabe, Verpachtung oder Verkauf grundsätzlich möglich und hatte in der Regel Vorrecht vor jeder anderen Weitergabe und wurde bei Verpachtung dem Verpächter dringend empfohlen, Zeichnungen und Lieferrechte weiterhin selbst zu behalten und dem Pächter nur die Nutzung der Lieferrechte zu überlassen.

Am 31. Januar 1989 wurde der Vertrag über die Verpachtung des der Klägerin gehörenden landwirtschaftlichen Betriebs aus dem Jahre 1986 schriftlich dahin ergänzt, daß die Klägerin nunmehr dem Pächter auch die erworbenen Lieferrechte zur Nutzung überließ.

Nach einer Auskunft der ZVG vom 24. Mai 1993 sind die privatrechtlichen Lieferrechte in Süddeutschland untrennbar an die jeweiligen finanziellen Zeichnungen gebunden und lauten Zeichnungen und Lieferrechte immer auf eine Person und nicht auf den landwirtschaftlichen Betrieb oder Grund und Boden.

Am 8. August 1990 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) durch Bescheid auf den 1. Januar 1989 über Vermögensteuer-Hauptveranlagung gegen die Klägerin deren Vermögensteuererklärung folgend Vermögensteuer fest. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Nach einer bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung setzte das FA am 10. März 1992 durch Änderungsbescheid gegen die Klägerin Vermögensteuer auf den 1. Januar 1989 in Höhe von nunmehr ... DM jährlich fest. Dabei behandelte das FA die Zuckerrübenlieferrechte als sonstiges Vermögen.

Mit der dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren gerichteten Klage wurde begehrt, den Vermögensteuer-Hauptveranlagungsbescheid auf den 1. Januar 1989 vom 10. März 1992 in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahin zu ändern, daß die Anteilscheine mit dem Betrag von ... DM beim sonstigen Vermögen erfaßt würden und der anteilige Kaufpreis für die Zuckerrübenlieferrechte außer Ansatz bliebe. Beim Zukerrübenlieferrecht handele es sich nicht um ein vom Grund und Boden losgelöstes immaterielles Wirtschaftsgut. Die Lieferrechte würden auch nicht auf Dauer gelten, weil die Marktordnung der Europäischen Union für Zucker vorsehe, daß dort Lieferrechte nur für ein Jahr gelten würden und jedes Jahr neu zu vergeben seien. Wegen der Unsicherheiten über das weitere Schicksal der Lieferrechte finde derzeit ein Handel mit Zuckerrübenlieferrechten überhaupt nicht mehr statt. Wenn das Zuckerrübenlieferrecht als sonstiges Vermögen anzusetzen wäre, müßte zum einen der Wert dieser Absatzmöglichkeit jedes Jahr neu ermittelt werden, und zum anderen müßte eine solche Wertermittlung auch für jeden anderen Verkauf oder Zukauf landwirtschaftlicher Betriebsmittel gelten. Das Zuckerrübenlieferrecht sei bereits im landwirtschaftlichen Einheitswert erfaßt. Die Lieferrechte fielen unter § 33 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG).

Das FA beantragte Klageabweisung. Die Zeichnungen und Lieferrechte für Zuckerrüben lauteten in Süddeutschland immer auf eine Person und nicht auf den landwirtschaftlichen Betrieb oder Grund und Boden. Die Lieferrechte seien untrennbar an die jeweiligen finanziellen Zeichnungen gebunden.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Anteilscheine fielen unter § 110 Abs. 1 Nr. 3 BewG und seien dort als zum sonstigen Vermögen gehörende Wirtschaftsgüter ausdrücklich genannt. Auch soweit mit diesen Anteilscheinen (entsprechend der Auskunft der ZVG) die Lieferrechte untrennbar verbunden seien und der von der Klägerin für die Anteilscheine mit den Lieferrechten bezahlte Kaufpreis im wesentlichen auf die Lieferrechte entfalle, liege insgesamt ein -- wenn auch in Einzelbestandteile aufteilbares -- Wirtschaftsgut i. S. von § 110 Abs. 1 BewG vor, das als sonstiges Vermögen bei der Vermögensteuer anzusetzen sei. Das Lieferrecht selbst stelle sich -- sowohl wenn es als eigenes Wirtschaftsgut als auch, wenn es als ein abtrennbarer Bestandteil eines einheitlichen Wirtschaftsguts angesehen werde -- als immaterielles Wirtschaftsgut dar. Als solches werde es von § 110 Abs. 1 BewG erfaßt. Die Entscheidung des FG ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1994, 778 veröffentlicht.

Mit der Revision macht die Klägerin (sinngemäß) Verletzung materiellen Rechts geltend. Sie beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung, den angefochtenen Ver mögensteuerbescheid zu ändern und die Vermögensteuer herabzusetzen. Zur Begründung wiederholt sie im wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Zur Stützung ihrer Rechtsauffassung weist sie jedoch nunmehr auch auf ein (rechtskräftiges) Urteil des Landgerichts Würzburg vom 10. März 1993 64 O 1701/91 hin, aus welchem sich ergebe, daß die von der ZVG ausgestellten "Aktienanteile" keine Aktien seien, sondern ihrer rechtlichen Qualität nach lediglich schriftliche Nachweisbestätigungen über den Umfang dessen, was schuldrechtlich der Treugeber vom Treunehmer fordern könne.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Der vom FG festgestellte Sachverhalt trägt seine Entscheidung nicht. Die Auffassung des FG, bei den von der Klägerin erworbenen Berechtigungen gegenüber der ZVG handele es sich um Wertpapiere und diese gehörten daher nach § 33 Abs. 3 Nr. 1 BewG nicht zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen, wird durch seine dazu getroffenen Sachverhaltsfeststellungen nicht gedeckt.

1. Der mit der Revision beanstandete Ansatz des Betrags von ... DM durch das FA beim sonstigen Vermögen der Klägerin ist nur dann rechtmäßig, wenn die Aktienanteile und Zuckerrübenlieferrechte der Klägerin nicht zu ihrem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehören.

Die Klägerin ist Eigentümerin eines landwirtschaftlichen Betriebs. Dieser ist ihr auch nach Verpachtung bewertungsrechtlich und vermögensteuerrechtlich zuzurechnen. Zutreffend gehen das FG und die Beteiligten davon aus, daß die der Klägerin gehörenden "Aktienanteile" und die damit verbundenen Lieferrechte nach allgemeinen Kriterien -- d. h. zunächst unter Außerachtlassung der Regelung des § 33 Abs. 3 Nr. 1 BewG -- zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen der Klägerin gehören. Nach den Feststellungen des FG und dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten ist ein Zuckerrübenanbau derzeit wirtschaftlich nur sinnvoll, wenn der Betrieb mit Lieferrechten (zu bestimmten Konditionen) gegenüber einer Zuckerfabrik ausgestattet ist. Die Bedeutung dieser Lieferrechte mag künftig Veränderungen unterliegen, zum streitigen Stichtag waren sie jedenfalls für einen wirtschaftlich sinnvollen Zuckerrübenanbau noch unerläßlich. Im Gebiet, in dem der landwirtschaftliche Betrieb der Klägerin liegt, waren derartige Lieferrechte durch den Erwerb der sog. finanziellen Zeichnungen zu erhalten. Der Erwerb und der Besitz der Berechtigungen gegenüber der ZVG durch die Klägerin diente daher der Ausstattung ihres (verpachteten) landwirtschaftlichen Betriebs mit den für einen wirtschaftlich sinnvollen Zuckerrübenanbau notwendigen Lieferrechten. Zum land- und forstwirtschaft lichen Vermögen gehören alle Wirtschaftsgüter, die einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft dauernd zu dienen bestimmt sind (§ 33 Abs. 1 Satz 1 BewG). Die Aufzählung in § 33 Abs. 2 BewG ist nicht abschließend. Es ist unzweifelhaft, daß die von der Klägerin gehaltenen Berechtigungen bestimmt sind, dauernd ihrem landwirtschaftlichen Betrieb zu dienen.

2. Der vom FG für rechtmäßig erachtete Ansatz des Werts der von der Klägerin gehaltenen Berechtigungen beim sonstigen Vermögen ist daher nur dann zulässig, wenn diese -- obwohl sie nach allgemeinen Kriterien nach § 33 Abs. 1 BewG dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen zuzurechnen wären -- aufgrund der Ausnahmeregelung des § 33 Abs. 3 Nr. 1 BewG nicht zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehören. Nach dieser Vorschrift gehören Zahlungsmittel, Geldforderungen, Geschäftsguthaben und Wertpapiere auch dann nicht zum landwirtschaftlichen Vermögen, wenn sie diesem nach Abs. 1 oder 2 der Vorschrift eigentlich zuzuordnen wären. Das FG sieht die von der Klägerin gehaltenen Berechtigungen als Wertpapiere i. S. dieser Vorschrift an. Seine dazu getroffenen Feststellungen rechtfertigen diese Subsumtion jedoch nicht. Das FG hat offenbar die von der Klägerin gehaltenen "Aktienanteile" ohne weiteres mit Aktien gleichgesetzt. Dies ist rechtlich nicht zutreffend. Nach dem vom FG in Bezug genommenen und von der Klägerin gehaltenen Anteilschein ist die Klägerin "aufgrund der abgegebenen Erklärung und nach Maßgabe der ,Allgemeinen Bestimmungen` mit 14 Aktienanteilen im Gesamtnennwert von DM ... an den durch die ZVG erworbenen Aktien der X-AG beteiligt". Daraus ergibt sich nur, daß es sich bei der von der Klägerin erworbenen und in dem Anteilschein verbrieften Rechtsposition selbst um keine Aktie handelt. Der Anteilschein selbst ist daher kein Wertpapier i. S. von § 33 Abs. 3 und § 11 Abs. 1 BewG. Die Annahme des FG, es lägen Wertpapiere vor, ist daher durch den von ihm festgestellten Sachverhalt nicht gedeckt. Seine Entscheidung ist deswegen aufzuheben.

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Eigene Sachverhaltsfeststellungen sind dem Senat verwehrt (vgl. § 118 Abs. 2 FGO). Die Sache ist daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FG wird im zweiten Rechtsgang die erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen ausgehend von der Rechtsauffassung des erkennenden Senats treffen. Dabei wird es folgendes zu beachten haben:

Es ist denkbar, daß die der Klägerin von der ZVG vertraglich eingeräumte Rechtsposition dahingehend zu beurteilen ist, daß der Klägerin von der ZVG gehaltene Aktien an der X-AG über § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) -- ggf. anteilig -- zuzurechnen sind (z. B. im Rahmen eines Treuhandverhältnisses). Die Beantwortung dieser Frage setzt die Feststellung der vertraglichen Beziehungen zwischen der Klägerin und der ZVG voraus. Hierzu gehört insbesondere die Kenntnis der in dem Anteilschein angesprochenen "Erklärung" und der "Allgemeinen Bestimmungen". Sind der Klägerin über § 39 Abs. 2 AO 1977 von der ZVG gehaltene Aktien zuzurechnen, so hätte dies zur Folge, daß diese nach § 33 Abs. 3 Nr. 1 BewG nicht zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen der Klägerin gehörten. Damit wäre allerdings die Frage der Zuordnung der streitigen Zucker rübenlieferrechte noch nicht beantwortet. Diese wären nur dann von § 33 Abs. 3 Nr. 1 BewG (mit)erfaßt, wenn sie mit den der Klägerin (ggf. anteilig) zuzurechnenden Aktien "untrennbar" verbunden wären. Dies wäre dann der Fall, wenn schon die Aktien selbst -- aufgrund entsprechender satzungsrechtlicher Regelung der AG -- mit den Lieferrechten ausgestattet sind. Ergibt sich diese Verbindung zwischen Mitberechtigung an den Aktien an der X-AG und den Zuckerrübenlieferrechten dagegen nur aus einer (schuldrechtlichen) vertraglichen Verbindung durch die ZVG, so wären die Lieferrechte selbst -- auch für den Fall, daß die Aktien der Klägerin über § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 zuzurechnen wären -- nicht von § 33 Abs. 3 Nr. 1 BewG erfaßt. Sie gehörten vielmehr zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen der Klägerin.

 

Fundstellen

BFH/NV 1997, 831

DStRE 1998, 678

HFR 1998, 12

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