Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die in § 36 EStDV 1949 getroffene Bestimmung über die Besteuerung der Veräußerung von Bodenschätzen ist rechtswirksam. EStG § 4 Abs. 1; EStDV 1949 § 36.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1; EStDV § 36

 

Tatbestand

Die Erbengemeinschaft X ist Eigentümerin forstwirtschaftlichen Grundbesitzes. Nachdem auf diesem Tonvorkommen festgestellt wurde, hat die Erbengemeinschaft im Jahre 1951 eine Parzelle an die Eigentümer einer Dachziegelfabrik zum Preise von 39 500 DM verkauft. Der anteilige Einheitswert der verkauften Parzelle beträgt 800 DM. Das Finanzamt hat in dem Kaufpreis einen Veräußerungsgewinn im Sinne des § 36 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) erblickt und diesen - nach Abzug des anteiligen Einheitswertes - in Höhe von 38 700 DM der einheitlichen Feststellung des Gewinnes zugrunde gelegt. Der gegen den Feststellungsbescheid eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Die Erbengemeinschaft machte geltend, die Bestimmung des § 36 EStDV, auf die sich die Feststellung stützt, sei rechtsungültig.

Das Finanzgericht gab der Berufung statt und begründete dies im wesentlichen wie folgt.

§ 36 EStDV 1951 entbehre der gesetzlichen Grundlage und könne nicht als rechtswirksam angesehen werden. Die in § 51 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erteilte Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen, auf die sich die EStDV stütze, biete keine ausreichende Grundlage für diese Regelung. Im Rahmen dieser Ermächtigung könnten lediglich Rechtsverordnungen erlassen werden, soweit dies zur Wahrung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, zur Beseitigung von Unbilligkeiten in Härtefällen oder zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens erforderlich sei. § 36 EStDV halte sich nicht im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung. Es müsse deshalb § 4 Abs. 1 EStG uneingeschränkt angewandt werden, wonach bei der Gewinnermittlung der Wert des Grund und Bodens außer Ansatz bleibe. Die Möglichkeit, daß die Erbengemeinschaft einen Gewerbebetrieb durch eigene Ausbeutung des Tonvorkommens hätte einrichten können, biete nicht das Recht, den Veräußerungsgewinn der Besteuerung zu unterziehen (vgl. dazu Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 774/38 vom 18. Oktober 1939, Reichssteuerblatt 1940 S. 238).

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts hält § 36 EStDV für rechtswirksam. Das Finanzgericht habe übersehen, daß eine gleichlautende Bestimmung bereits § 13 EStDV 1941 vom 7. Dezember 1941 enthalten habe. Hierdurch sei die gesetzliche Regelung getroffen worden, wobei § 12 der Reichsabgabenordnung (AO) die ausreichende Grundlage gegeben habe. Die Tatsache, daß nunmehr § 17a EStG in der Fassung vom 21. Dezember 1954 die Bestimmungen in das Gesetz selbst aufgenommen habe, spreche nicht hiergegen. Dies sei lediglich im Interesse der Klarstellung erfolgt. Hinsichtlich der Fortwirkung des Rechts im totalitären Staat verweist das Finanzamt auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 132/53 U vom 30. November 1954, Slg. Bd. 60 S. 74, Bundessteuerblatt - BStBl - 1955 III S. 28.

Der Bundesminister der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten. In seiner Stellungnahme hat er folgendes ausgeführt:

"ß 36 EStDV 1951 geht auf § 13 EStDV 1941 zurück, mit dem die Besteuerung dieser Veräußerungsgewinne eingeführt wurde. Vorher unterlagen der Einkommensbesteuerung nur die Einkünfte.

aus dem eigenen Abbau von Bodenschätzen,

aus der Veräußerung solcher Bodenschätze, die zu einem Betriebsvermögen gehören,

aus der entgeltlichen überlassung eines Grundstücks zur Entnahme von Bodenschätzen.

Vor Erlaß des § 13 EStDV 1941 war deshalb in der Gesetzgebung eine Lücke, da die vierte Möglichkeit, Bodenschätze zu verwerten, nämlich die Veräußerung von Bodenschätzen, die nicht zu einem Betriebsvermögen gehören, unter keinen steuerbaren Tatbestand des Einkommensteuergesetzes fiel.

§ 13 EStDV 1941 wurde von früheren Reichsminister der Finanzen auf Grund der Ermächtigung des § 12 der Reichsabgabenordnung in der Fassung des Steueranpassungsgesetzes vom 16. Oktober 1934 (RGBl 1934 I S. 925) erlassen. Nach § 12 AO 1934 war der Reichsminister der Finanzen ermächtigt, zur Durchführung und zur Ergänzung der Steuergesetze Rechtsverordnungen zu erlassen. Der damalige Reichsminister der Finanzen konnte somit das Einkommensteuergesetz innerhalb der Grundlinien, die in ihm festgelegt waren, ergänzen. Er konnte einen Tatbestand für steuerbar erklären, der auf Grund des Wortlauts des Gesetzes es noch nicht war, soweit diese Erweiterung der steuerbaren Tatbestände nur den Charakter einer Ergänzung des Gesetzes und nicht den einer änderung hatte. Diese weitgehende Ermächtigung entsprach dem damaligen autoritären Staatsdenken, das die Einheit der Staatsgewalt hinsichtlich Gesetzgebung und Verwaltung betonte und deshalb der Verwaltung die Befugnis, Rechtsnormen zu schaffen, in weitem Umfang eingeräumt hatte.

Wenn die Gewinne aus der Veräußerung von Bodenschätzen, die nicht Gegenstand des Betriebsvermögens waren, bis 1941 steuerfrei waren, so stellte dies offensichtlich eine Lücke der damaligen Einkommensteuergesetzgebung dar. Der Text des Einkommensteuergesetz gab keinen Anlaß anzunehmen, daß der Gesetzgeber die Absicht gehabt hatte, diese Gewinne von der Besteuerung freizustellen. § 13 EStDV 1941 bewegt sich deshalb in den Grundlinien des damaligen Einkommensteuergesetzes, wenn er nur eine vorhandene Gesetzeslücke schließt; er ist als "Ergänzung" des Einkommensteuergesetzes anzusehen. § 13 EStDV 1941 wurde somit im Rahmen der Ermächtigung des § 12 AO 1934 erlassen. Da diese neue Vorschrift auch ordnungsgemäß veröffentlicht worden ist (RGBl 1941 I S. 751; RStBl 1941 S. 913), hat sie Rechtswirksamkeit erlangt. § 13 EStDV 1941 wurde in die folgenden Neufassungen der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung unverändert übernommen, bis er als § 36 in der EStDV 1951 Aufnahme fand. Diese gesetzliche Bestimmung ist deshalb seit 1941 unverändert geltendes Recht geblieben. § 36 EStDV 1951 ist somit als übergeleitetes Recht rechtswirksam (ß 123 GG).

Durch Absatz 3 des § 36 EStDV 1951 wird angeordnet, daß für die Bodenschätze, die vor dem 21. 6. 1948 angeschafft wurden, der Betrag als Anschaffungskosten zugrunde zu legen ist, mit dem die Bodenschätze bei der letzten Einheitsbewertung bewertet worden sind. Diese Vorschrift entspricht wörtlich dem Absatz 3 Satz 1 des § 13 EStDV 1941, lediglich mit dem Unterschied, daß statt des Stichtags vom "1. Januar 1925" nunmehr der "21. Juni 1948" als Stichtag festgelegt wurde. Dieser Wechsel des Stichtags bedeutet keine änderung des geltenden Rechts, da darin nur eine Angleichung an die inzwischen geänderten Währungsverhältnisse liegt.

Der Gewinn aus der Veräußerung von Bodenschätzen des Privatvermögens wird durch § 36 Abs. 1 EStDV 1951 als "Einkünfte aus Gewerbebetrieb" erklärt und der Veräußerung von Bodenschätzen des Betriebsvermögens gleichgestellt. Es ist dann folgerichtig, die Ermittlung des Veräußerungsgewinns bei privaten Bodenschätzen in entsprechender Weise zu regeln, wie dies für die Veräußerung von Bodenschätzen des gewerblichen Betriebsvermögens geschehen ist. Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns bei betrieblichen Bodenschätzen ist nach §§ 4 ff. EStG, § 16 DMBG grundsätzlich vom Einheitswert auszugehen, wenn man von der handelsrechtlichen Besonderheit, zur Bildung stiller Rücklagen einen niedrigeren Wert oder in Angleichung an die RM-Schlußbilanz einen höheren Wert wählen zu können, absieht. § 36 Abs. 3 EStDV 1951 trifft somit die gleiche Regelung, wenn er vorschreibt, daß für die Ermittlung des Veräußerungsgewinns der Betrag zugrunde zu legen ist, mit dem die Bodenschätze bei der letzten Einheitsbewertung berücksichtigt worden sind. Im übrigen wird auch die Ermittlung der Anschaffungskosten dadurch, daß der Einheitswert als Hilfswert herangezogen wird, wesentlich erleichtert. Es würde meist langwieriger Nachforschungen bedürfen, um festzustellen, im welcher Höhe beim seinerzeitigen Erwerb die Bodenschätze bei den Anschaffungskosten berücksichtigt wurden.

Der Rechtsbeschwerdegegner trägt hilfsweise für den Fall, daß § 36 EStDV als rechtswirksam anerkannt wird, vor, daß in dem Beschwerdefall Absatz 3 dieser Vorschrift nicht anwendbar sei, weil ein Einheitswert für die Bodenschätze nicht festgestellt sei. § 13 Ziff. 2 Buchstabe a EStDV 1951 müsse deshalb entsprechend angewendet werden. Danach sei als Anschaffungskosten der Betrag anzusetzen, den der Steuerpflichtige für die Anschaffung der Bodenschätze am 31. August 1948 hätte aufwenden müssen.

 

Entscheidungsgründe

Eine Anwendung des § 13 EStDV 1951 ist weder erforderlich noch zulässig, da die Berechnung der Anschaffungskosten für Bodenschätze, die vor dem 21. Juni 1948 angeschafft wurden, in § 36 Abs. 3 EStDV 1951 erschöpfend geregelt ist. Danach "ist als Anschaffungskosten der Betrag zugrunde zu legen, mit dem die Bodenschätze bei der letzten Einheitsbewertung berücksichtigt worden sind". Wenn die Bodenschätze im Einheitswert des Grundstücks, in dessen Grund und Boden die Bodenschätze lagern, nicht berücksichtigt wurden und auch ein gesonderter Einheitswert (Gewerbeberechtigung) für sie nicht festgestellt wurde, sind sie bei der letzten Einheitsbewertung nicht berücksichtigt worden. Als Anschaffungskosten kann dann nur 0 Mark angesetzt werden. Das bedeutet, daß der gesamte Veräußerungserlös für die Bodenschätze zu versteuern ist. Es würde dem Wortlaut und dem Sinn des § 36 Abs. 3 EStDV 1951 widersprechen, wenn man in solchen Fällen fiktive Anschaffungskosten ermitteln und zugrunde legen wollte. Bei Fassung des § 13 Abs. 3 EStDV 1941, auf den § 36 Abs. 3 EStDV 1951 zurückgeht, hatte der Verordnungsgeber Absichtlich davon Abstand genommen, angenommene (fiktive) Anschaffungskosten als Berechnungsgrundlage vorzuschreiben. Dies ist daraus zu ersehen, daß er in den §§ 6 und 9 Ziff. 2 Buchstabe a EStDV 1941 im Gegensatz zu § 13 EStDV 1941 die Ermittlung fiktiver Anschaffungskosten vorgeschrieben hat. Der Grund für die andersartige Regelung in § 13 Abs. 3 EStDV 1941 ist darin zu sehen, daß die Ermittlung des Betrags, den der Steuerpflichtige am 1. Januar 1925 hätte aufwenden müssen, sehr schwierig gewesen wäre und Anlaß zu langwierigen Rechtsmittelverfahren gegeben hätte (vgl. Steinweg in DStZ 1942 S. 220 Ziff. 9); diese Regelung des § 13 Abs. 3 EStDV 1941 bzw. des § 36 Abs. 3 EStDV 1951 ist auch nicht unbillig, da der Eigentümer für die Bodenschätze weder Grundsteuer noch Gewerbesteuer oder Vermögensteuer zu zahlen hatte.

Nach § 36 Abs. 2 EStDV 1951 ist Veräußerungsgewinn der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt. Der Veräußerungspreis für die Bodenschätze und den Grund und Boden beträgt 39 500 DM. Zur Berechnung des Veräußerungsgewinns für die Bodenschätze ist deshalb aus dem Veräußerungspreis von 39 500 DM der Betrag auszuscheiden, der auf den Grund und Boden entfällt. Das Finanzamt hat vom Veräußerungspreis den anteiligen Einheitswert von 800 DM abgezogen. Es ist jedoch anzunehmen, daß der auf den Grund und Boden entfallende Veräußerungserlös über dem Einheitswert liegt. Der ermittelte Veräußerungsgewinn von 38 700 DM ist deshalb noch um den Betrag zu kürzen, um den der Veräußerungserlös für den Grund und Boden den Betrag von 800 DM übersteigt. Da als Anschaffungskosten für die Bodenschätze 0 DM anzusehen ist und Veräußerungskosten offenbar nicht entstanden sind, würde dieser Betrag als Veräußerungsgewinn festzustellen sein.

Nach dem dargestellten Sachverhalt kann davon ausgegangen werden, daß der berichtigte Veräußerungsgewinn 30 000 DM übersteigt. Für die Rechtsbeschwerde kann es deshalb dahingestellt bleiben, ob bei der Veräußerung von Bodenschätzen durch eine Gemeinschaft die Freigrenze von 10 000 DM nur einmal für das Veräußerungsgeschäft als solches oder für jeden Beteiligten in Betracht kommt".

Die Stellungnahme des Bundesministers der Finanzen entspricht der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Frage der Fortgeltung des Rechtes aus der Zeit des totalitären Staats. Siehe Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 200/55 S vom 17. Juli 1956, Slg. Bd. 63 S. 306, Bundessteuerblatt 1956 III S. 316, sowie die Ausführungen Steuer und Wirtschaft 1956 Spalte 537 ff. Der Senat tritt der Stellungnahme des Bundesministers der Finanzen bei. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Streitfall unter § 36 EStDV fällt oder ob sich nicht die Steuerpflicht nach den allgemeinen Grundsätzen ergibt (vgl. Zitzlaff, Steuer und Wirtschaft 1938, Spalte 1368 ff. und Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 774/38 v. 18. Oktober 1939). Dadurch, daß die Vorinstanzen § 36 a. a. O. angewendet haben, ist der Beschwerdeführer nicht benachteiligt, weil die Vorinstanzen den Veräußerungsgewinn nach § 34 EStG begünstigt haben. Für die Anwendung dieser Vorschrift wäre nach den allgemeinen Grundsätzen kein Raum.

Im übrigen hält der Senat in übereinstimmung mit dem Bundesminister der Finanzen, wie bereits ausgeführt, § 36 a. a. O. als rechtsgültig. Da die Vorentscheidung von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, muß sie aufgehoben werden.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen.

 

Fundstellen

BStBl III 1957, 100

BFHE 1957, 260

BFHE 64, 260

BB 1957, 320

DB 1957, 322

StRK, EStDV:36 R 1

FR 1957, 255

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