Leitsatz (amtlich)

1. Als Träger eines Altersheimes, für das die Grundsteuerbefreiung nach § 4 Ziff. 8 GrStG in Anspruch genommen wird, kommen nicht Privatpersonen, sondern lediglich die in § 16 Abs. 2 GrStDV genannten Körperschaften, öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften oder Kultusgemeinden in Betracht.

2. Die Vorschrift des § 16 Abs. 2 GrStDV steht nicht im Widerspruch zu § 4 Nr. 8 GrStG.

 

Normenkette

GrStG § 4 Ziff. 8; GrStDV § 16 Abs. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger erstrebt Grundsteuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 8 GrStG für ihm gehörende Grundstücke, die er im Jahre 1961 bezugsfertig bebaut hat und in denen er ein Altersheim betreibt.

Mit auf den 1. Januar 1962 fortgeschriebenen Einheitswert- und Grundsteuermeßbescheiden stellte das beklagte FA die Einheitswerte für die vier wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens fest und setzte gleichzeitig auch die Grundsteuermeßbeträge unter teilweiser Gewährung von Grundsteuervergünstigungen nach dem II. WoBauG fest. Diese Bescheide blieben unangefochten.

Aufgrund von Änderungen der Anerkennungsbescheide der Stadt A. erließ das FA für die Grundstücke berichtigte Wert- und Artfortschreibungsbescheide sowie berichtigte Grundsteuerfortschreibungsveranlagungsbescheide auf den 1. Januar 1962, in denen es die Einheitswerte und die Grundsteuermeßbeträge erhöhte.

Gegen die berichtigten Einheitswert- und Grundsteuermeßbescheide erhob der Kläger Einspruch, den er zunächst damit begründete, daß er die geänderten Anerkennungsbescheide der Stadt A. angefochten habe, weil der nichtbegünstigte Teil seiner Grundstücke zu hoch ausgewiesen worden sei. Im weiteren Verlauf des Einspruchsverfahrens beantragte der Kläger, die vier Grundstücke gemäß § 4 Nr. 8 GrStG gänzlich von der Grundsteuer freizustellen, weil er darin ein Altersheim betreibe.

Das FA ging in den Einspruchsentscheidungen davon aus, daß das Begehren des Klägers sich auf die Gewährung der Grundsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 GrStG beschränke. Es lehnte dieses Begehren ab und wies den Einspruch als unbegründet zurück.

Auch die zur Entscheidung verbundenen Klagen, mit denen sich der Kläger gegen die Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 4 Nr. 8 GrStG auf Körperschaften des öffentlichen Rechts wandte, blieben ohne Erfolg.

Mit der Revision rügt der Kläger fehlerhafte Anwendung des § 234 AO a. F. sowie des § 4 Nr. 8 GrStG in Verbindung mit §§ 8 Abs. 3, 3 Nr. 2 GemV. Aus der Vorschrift des § 234 AO a. F. ergebe sich nicht zwingend, daß bei Anfechtung eines Berichtigungsbescheides der nichtgeänderte Teil des Verwaltungsaktes nicht angefochten werden könne. Denn anerkanntermaßen werde trotz Ablauf der Rechtsmittelfrist gegenüber einem Verwaltungsakt eine erneute Rechtsmittelfrist in Lauf gesetzt, wenn eine Behörde von sich aus erneut, also in einem sogenannten "Zweitbescheid" über den gleichen Sachverhalt entscheide.

Im übrigen ist der Kläger der Meinung, daß das FG die Anwendung des § 4 Nr. 8 GrStG zu Unrecht abgelehnt habe. Entgegen der Ansicht des FG seien im Streitfalle die Voraussetzungen der §§ 8 Abs. 3, 3 Nr. 2 GemV erfüllt, da nicht nur der "Richtsatz der allgemeinen öffentlichen Fürsorge", an dessen Stelle aufgrund der Regelsatzverordnung vom 20. Juli 1962 der "Regelsatz" trete, zu verdreifachen sei, sondern in gleicher Weise auch die sogenannte "Mietbeihilfe". Denn an die Stelle der Mietbeihilfe, die bis zum Inkrafttreten des Bundessozialhilfegestzes keine feste Höhe gehabt habe, seien aufgrund der Regelsatzverordnung Zahlungen in Höhe der tatsächlichen Mietaufwendungen getreten. Da von der von den Heimbewohnern gezahlten Gesamtvergütung nach der Kalkulation des Klägers durchschnittlich 270 DM auf die Benutzung des Appartements einschließlich der Nebenkosten entfielen, stelle dieser Betrag die tatsächlichen Mietaufwendungen im Sinne des § 3 Abs. 1 der Regelsatzverordnung dar, in dessen Höhe, soweit es sich um Sozialhilfeempfänger gehandelt hätte, Mietbeihilfen im Sinne der genannten Vorschrift zu zahlen gewsen wären. Als minderbemittelt im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 GemV seien demnach alle im Altersheim des Klägers wohnenden Personen anzusehen, deren Einkünfte nicht höher gewesen seien als das Dreifache der Summe von Regelsatz (107 DM) und Mietaufwendung (270DM), also insgesamt 1 131 DM. Aus der vom Kläger vorgelegten Aufstellung, die die Einkommensverhältnisse der Heimbewohner zu den Stichtagen vom 1. Januar 1963 bis 1. Januar 1967 wiedergebe, sei ersichtlich, daß der weitaus überwiegende Teil der Heimbewohner, nämlich über 80 v. H., in diesem Sinne minderbemittelt sei. Demgemäß sei entgegen der Auffassung des FG die Frage entscheidungserheblich, ob als "Bewahrungsanstalt" im Sinne des § 4 Nr. 8 GrStG nur solche Anstalten angesehen werden können, deren Träger zu den in § 16 GrStDV aufgeführten Einrichtungen gehöre, oder auch das Altersheim des Klägers. Hierzu habe er bereits in der ersten Instanz ausgeführt, daß überzeugende Gründe, den Begriff "Bewahrungsanstalt" in dem eingeschränkten Sinne des § 16 GrStDV auszulegen, nicht vorhanden seien. Soweit aber zwischen dem Gesetzeswortlaut des § 4 Nr. 8 GrStG und der nachrangigen Vorschrift des § 16 Abs. 2 GrStDV ein unüberbrückbarer Widerspruch bestehe, müsse die Durchführungsverordnung als unwirksam angesehen werden.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil des FG sowie die Bescheide des beklagten FA aufzuheben und festzustellen, daß die Anwesen grundsteuerbefreit sind.

Der Beklagte beantragt sinngemäß die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist im Ergebnis unbegründet.

1. Dem FG ist darin beizupflichten, daß es die Klagen ausschließlich als Rechtsmittel gegen die Festsetzung der Grundsteuermeßbeträge angesehen und behandelt hat. Denn obwohl formal betrachtet die Klagen uneingeschränkt gegen die vier Einspruchsentscheidungen des FA erhoben worden sind, in denen die Einsprüche sowohl gegen die Einheitswert- als auch die Grundsteuermeßbescheide zurückgewiesen worden waren, richtet sich das Klagebegehren der Sache nach doch nur gegen die Grundsteuermeßbetragsfestsetzungen auf den 1. Januar 1962. Dies gilt sowohl für die ursprünglich vom Kläger erstrebte Grundsteuervergünstigung nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz, auf die er im Rechtsmittelverfahren nicht mehr eingegangen ist, als auch für seinen Antrag auf Grundsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 GrStG. Über beide Anträge ist ausschließlich im Grundsteuermeßbetragsverfahren zu entscheiden, während die Einheitswertfeststellungen als solche im Hinblick auf die Vermögensteuerpflicht des Klägers (vgl. § 214 Abs. 3 Buchst. b AO) davon nicht berührt werden.

2. Mit Recht hat das FG auch die völlige Freistellung der vier Grundstücke des Klägers von der Grundsteuer und damit die Herabsetzung der angefochtenen Grunsteuermeßbetragsfestsetzungen unter die in dem ursprünglichen Bescheid festgesetzten Meßbeträge schon deshalb abgelehnt, weil nach § 234 AO a. F. bei Änderung eines früheren Meßbescheides der neue Meßbescheid nur insoweit selbständig angefochten werden kann, als die Änderung reicht. Denn auch Grundsteuermeßbescheide sind Steuerbescheide im Sinne des § 234 AO a. F. (vgl. § 212a Abs. 2 AO; Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, Tz. 3 zu § 234 AO a. F.; Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Tz. 2 zu § 234 AO a. F.).

3. Ob die Rüge fehlerhafter Rechtsanwendung berechtigt sein könnte, weil das FG davon ausging, daß keines der streitbefangenen Grundstücke des Klägers zu 2/3 von minderbemittelten Personen im Sinn des § 8 Abs. 3 Gem-VO belegt sei, bedarf keiner weiteren Erörterung, da die Grundsteuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 8 GrStG aus einem anderen Grunde auf den Grundbesitz des Klägers nicht anzuwenden ist. Denn die Vorschrift des § 4 Nr. 8 GrStG kann auf Altersheime keine Anwendung finden, deren Träger eine Privatperson ist.

Der in § 4 Nr. 8 GrStG verwendete Begriff der "Bewahrungsanstalt" ist im Gesetz selbst nicht näher bestimmt worden. Was unter einer "Bewahrungsanstalt" im Sinne dieser Vorschrift zu verstehen ist, kann aber auch nicht dem Inhalt der GrStR entnommen werden, auf die das FA in der Einspruchsentscheidung Bezug genommen hatte, weil diese als reine Verwaltungsanweisungen für die Steuergerichte nicht bindend sind. Dagegen kann zur Auslegung des Begriffs "Bewahrungsanstalt" auf die Vorschrift des § 16 Abs. 2 GrStDV zurückgegriffen werden. Zum Erlaß dieser Vorschrift war die Bundesregierung als Verordnungsgeber aufgrund der ihr in Art. II Ziff. 1c des Gesetzes zur Änderung des Grundsteuergesetzes (Bundesgesetzesblatt 1951 I S. 515) erteilten Ermächtigung berechtigt, die es ihr gestattet, zur Durchführung des Grundsteuergesetzes insbesondere über die Anwendung der Befreiungsvorschriften Rechtsverordnungen zu erlassen, soweit dies zur Wahrung der Gleichmäßigkeit bei der Besteuerung etc. erforderlich ist. Diese Ermächtigung entspricht den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG.

Der Verordnungsgeber hat sich im Rahmen der Ermächtigung gehalten, weil er den Inhalt des Gesetzes lediglich spezieller ausgestaltet hat. § 16 Abs. 2 GrStDV erläutert den Begriff "Bewahrungsanstalt" dahin, daß darunter "Altersheime, Fürsorgeanstalten, Erziehungsanstalten, Siechenheime und ähnliche Einrichtungen" fallen, "deren Träger eine Gebietskörperschaft, eine öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaft, eine jüdische Kultusgemeinde, oder eine den anerkannten Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege angeschlossene Körperschaft, Anstalt oder Einrichtung ist". Mit dieser Begriffsbestimmung entsprach der Verordnungsgeber den tatsächlichen Gegebenheiten, die aufgrund der geschichtlichen Entwicklung den Begriff der Bewahrungsanstalten geprägt haben. Ausgehend von der karitativen Tätigkeit der Kirchen und der ihnen angeschlossenen Orden und Verbände waren als Träger derartiger Einrichtungen regelmäßig nur staatliche oder kirchliche Organisationen hervorgetreten, denen sich später auch Organe der freien Wohlfahrtspflege hinzugesellt hatten. Dieser Entwicklung hat die Grundsteuergesetzgebung seit jeher Rechnung getragen.

Durch sie soll die ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit ausgeübte Tätigkeit der Wohlfahrtsverbände im Wege der Grundsteuerbefreiung derartigen Zwecken dienenden Grundbesitzes gefördert werden. Demgemäß waren, wie der Kläger in der Klagebegründung selbst ausführt, vor dem Jahre 1936 nur die öffentlichrechtlichen Träger von Krankenanstalten und Bewahrungsanstalten von der Grundsteuer befreit. Mit dem Grundsteuergesetz von 1936 wurde die besondere Grundsteuerbefreiung der Bewahrungsanstalten beseitigt. Sie waren nur noch als Grundbesitz, der unmittelbar für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch (§ 4 Ziff. 1a GrStG) oder für gemeinnützige oder mildtaatige Zwecke (§ 4 Ziff. 3 GrStG) benutzt wird, von der Grundsteuer befreit. Erst die Grundsteuernovelle 1951 nahm die Befreiung der sogenannten Bewahrungsanstalten, zu denen auch die Altersheime gehören, aus sozialen Gründen wieder auf. Wie sich aus der Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Grundsteuergesetzes 1951 (Bundestags-Drucksache Nr. 1787) ergibt, sollte die Ausdehnung der Befreiungsvorschrift des § 4 Ziff. 8 GrStG aber auf Anstalten der Gebietskörperschaften und der anerkannten Wohlfahrtsverbände beschränkt bleiben. Dies ergibt sich aus dem oben dargelegten historisch geprägten Inhalt der unter dem Sammelbegriff "Bewahrungsanstalt" berzeichneten Einrichtungen der Fürsorge. Dementsprechend wird zu Art. I Ziff. 1g des Entwurfs (Bundestags-Drucksache Nr. 1787 S. 10) zur Erläuterung des Begriffs "Bewahrungsanstalten" erklärt, daß darunter (nur) "Altersheime, Fürsorgeanstalten, Erziehungsanstalten, Siechenheime und ähnliche Einrichtungen der Gebietskörperschaften und der anerkannten freien Wohlfahrtsverbände" zu verstehen sind. Diese vom Gesetzgeber gewollte Beschränkung der Grundsteuerbefreiung auf Anstalten, deren Träger zu den Gebietskörperschaften, den öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften, den jüdischen Kultusgemeinden gehören oder den anerkannten Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege angeschlossen sein müssen, ist in § 16 Abs. 2 der mit Zustimmung des Bundesrates erlassenen Grundsteuer-Durchführungsverordnung spezialisiert zum Ausdruck gebracht worden. Die auf gesetzlicher Ermächtigung beruhende Vorschrift des § 16 Abs. 2 GrStDV, die den Willen des Gesetzgebers zutreffend wiedergibt, enthält demgemäß eine bindende Interpretation des Begriffs "Bewahrungsanstalt", die auch von den Steuergerichten beachtet werden muß, da sie nicht in Widerspruch zu den sonstigen Bestimmungen des Gesetzes steht, insbesondere auch nicht zu § 4 Nr. 8 Satz 2 GrStG. Wenn diese Vorschrift die entsprechende Anwendung des Schlußsatzes des § 4 Nr. 7 GrStG anordnet, so kann das in diesem Zusammenhang jedenfalls nur so verstanden werden, daß der nicht vom Eigentümer selbst genutzte Grundbesitz, auch wenn er den Zwecken einer Bewahrungsanstalt dient, immer nur dann von der Grundsteuer befreit sein kann, wenn der Grundstückseigentümer eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist. Er besagt aber nichts darüber, daß auch eine Privatperson Träger einer Bewahrungsanstalt im Sinne des § 4 Nr. 8 GrStG sein könne.

Die Revision war daher als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70535

BStBl II 1973, 712

BFHE 1973, 538

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