Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer /Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Frist für den Antrag personenbezogener Kapitalgesellschaften, wie Kapitalgesellschaften im Sinne des § 19 Abs. 1 Ziff. 1 KStG besteuert zu werden (§ 19 Abs. 4 KStG), endet mit Ablauf der allgemeinen oder der im Einzelfall verlängerten Frist für die Abgabe der Steuererklärung. Es handelt sich um eine Ausschlußfrist, nach deren Ablauf Rechtsverlust eintritt; Nachsicht kann nicht gewährt werden.

 

Normenkette

KStG § 19 Abs. 1 Ziff. 1, Abs. 1 Ziff. 2, Abs. 4; AO §§ 83, 86

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Antrag nach § 19 Abs. 4 KStG 1961 auf Besteuerung wie eine Kapitalgesellschaft im Sinne des § 19 Abs. 1 Ziff. 1 KStG rechtzeitig, und zwar innerhalb der Frist zur Abgabe der Steuererklärung gestellt worden ist.

Die Geschäftsanteile der GmbH gehörten bis zum 1. Dezember 1961 zu 49 v. H. dem H, zu 25 v. H. dem D und zu 26 v. H. der Revisionsbeklagten (Steuerpflichtigen - Stpfl. -), einer KG, auf die die GmbH mit Wirkung vom 31. Dezember 1961 umgewandelt worden ist. Von da an gehörten die Anteile der Stpfl. allein. Mitunternehmer der Stpfl. sind ebenfalls natürliche Personen. Die GmbH war im Streitjahr 1961 mit ihrem körperschaftsteuerpflichtigen Einkommen, in dem 30 000 DM berücksichtigungsfähige Ausschüttungen enthalten sind, nach dem Staffeltarif für personenbezogene Kapitalgesellschaften (§ 19 Abs. 1 Ziff. 2 KStG) besteuert worden. Einen Antrag auf Besteuerung nach dem Tarif für Kapitalmarktgesellschaften (§ 19 Abs. 1 Ziff. 1 KStG), der im vorliegenden Fall günstiger ist, hatte die Stpfl. bis zur Abgabe der Steuererklärung für die GmbH nicht gestellt. Gegen die Veranlagung legte die Stpfl. Einspruch ein mit der Begründung, sie sei das Streitjahr über zu mehr als 25 v. H. an der GmbH beteiligt gewesen. Letztere sei daher keine personenbezogene Gesellschaft. Die Körperschaftsteuer müsse entsprechend dem Tarif für Kapitalmarktgesellschaften festgesetzt und insbesondere auf die Ausschüttungen der Steuersatz von 15 v. H. angewandt werden.

Während der Einspruch ohne Erfolg blieb, hat das Finanzgericht (FG) die Berufung für begründet erklärt. Da der Antrag der Stpfl. auf Anwendung des Tarifs nach § 19 Abs. 1 Ziff. 1 KStG, der mit Einspruchsschreiben vom 12. November 1962 erstmals gestellt worden ist, zu einer Zeit beim Finanzamt (FA) eingegangen sei, als der überwiegende Teil der Körperschaftsteuererklärungen 1961 noch nicht abgegeben worden sei, könne das Ende der Frist zur Abgabe der Körperschaftsteuererklärungen nicht eindeutig bestimmt werden. Die Antragsfrist ende - ebenso wie die Frist für Anträge von Lohnsteuerpflichtigen auf Veranlagung wegen berechtigten Interesses (Urteil des BFH VI 117/55 U vom 8. März 1957, Sammlung der Entscheidungen des BFH Bd. 64 S. 509 - BFH 64, 509 -, BStBl III 1957, 190) - mit dem Zeitpunkt, in dem der Großteil der Steuererklärungen eingegangen sei. Eine großzügigere Auslegung des Gesetzes sei im vorliegenden Fall schon deshalb angebracht, weil es sich um die erstmalige Anwendung einer neuen gesetzlichen Bestimmung handele. Hinzu komme, daß erst im Lauf des Jahres 1961 das vom FA angeführte grundsätzliche Urteil des BFH I 173/60 S vom 2. November 1960 (BFH 72, 20, BStBl III 1961, 9) bekanntgeworden sei, wonach eine personenbezogene Kapitalgesellschaft auch dann vorliegt, wenn an der Kapitalgesellschaft eine Personengesellschaft maßgeblich beteiligt ist, in der natürliche Personen zusammengeschlossen sind. Vorher habe die Finanzverwaltung den Standpunkt vertreten, daß es sich bei diesen Beteiligungsverhältnissen nicht um eine personenbezogene Kapitalgesellschaft handele. Trotz Obsiegens hat das FG der Stpfl. die Kosten des Verfahrens auferlegt, weil sie den Antrag auf Anwendung des für sie günstigeren Tarifs schon früher hätte stellen können und müssen.

Der Vorsteher des FA hat Rb. (Revision) eingelegt. Die Auslegung des FG stehe im Widerspruch zum Wortlaut des § 19 Abs. 4 KStG 1961. Die Frist des § 19 Abs. 4 KStG 1961 sei eine Ausschlußfrist; auch Nachsicht sei nicht möglich.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung. Nach § 19 Abs. 4 KStG 1961 ist der Antrag personenbezogener Kapitalgesellschaften im Sinne des § 19 Abs. 1 Ziff. 2 KStG, wie unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften im Sinne des § 19 Abs. 1 Ziff. 1 KStG besteuert zu werden, schriftlich und unwiderruflich innerhalb der Frist zur Abgabe der Steuererklärung für das Kalenderjahr zu stellen, für das der Antrag erstmals gelten soll. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz hat die Stpfl. dieser gesetzlichen Vorschrift nicht genügt; sie hat ihre Steuererklärung am 30. September 1962 eingereicht, den Antrag aber erst am 12. November 1962 im Einspruch gegen die Körperschaftsteuerveranlagung gestellt. Das FG irrt, wenn es meint, das Ende der Frist zur Abgabe der Steuererklärung könne nicht eindeutig bestimmt werden. Für den vorliegenden Fall kann die vom Gesetz bestimmte Frist ohne Schwierigkeit genau ermittelt werden; sie endet mit Ablauf entweder der allgemeinen oder der im Einzelfall verlängerten Frist für die Abgabe der Steuererklärung. Nach den Feststellungen des FG waren im allgemeinen die Körperschaftsteuererklärungen bis zum 31. Mai 1962, bei Anfertigung durch Angehörige der steuerberatenden Berufe bis zum 30. September 1962 abzugeben. Im vorliegenden Falle ist die Frist für die Abgabe der Steuererklärung voll ausgenutzt und der spätere Antrag erst nach Ablauf der Frist gestellt worden.

Das FG irrt, wenn es sich für seine Rechtsansicht auf das Urteil des BFH VI 117/55 U vom 8. März 1957, a. a. O., beziehen will; dieses Urteil hat die Fristbestimmung als rechtsgültig anerkannt, dem Antrag dagegen rechtsmittelähnlichen Charakter zugemessen. Gegen die Rechtsgültigkeit der vom Gesetzgeber gesetzten Frist bestehen dagegen keine Bedenken. Wie Steinberg in Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe A 1961 S. 207 ff. zeigt, bestand für den Gesetzgeber ein begründeter Anlaß für die Fristsetzung und die Bindung des Steuerpflichtigen auf fünf Jahre.

Dem FA ist auch darin zuzustimmen, daß die Frist eine Ausschlußfrist ist, nach deren Ablauf Rechtsverlust eintritt. Es kommt für die Frage, ob eine Frist eine Ausschlußfrist ist, nicht darauf an, ob die in Betracht kommende Frist vom Gesetz als Ausschlußfrist bezeichnet wird; die Rechtsnatur einer Frist ist vielmehr ihrem Zweck und ihrem Sinn zu entnehmen. Für die Annahme einer Ausschlußfrist spricht der Wortlaut des Gesetzes "... unwiderruflich innerhalb der Frist zur Abgabe der Steuererklärung". Das kann nur bedeuten, daß sich die personenbezogene Kapitalgesellschaft nach Feststellung ihres Gewinns und nach dem Beschluß über die Ausschüttung entscheiden soll, ob sie die Vergünstigung des Wahlrechts verbunden mit der Bindung für die nächsten Veranlagungszeiträume in Anspruch nehmen will. Spätestens mit Ablauf der Steuererklärungsfrist soll Klarheit darüber bestehen, ob die personenbezogene Kapitalgesellschaft fünf Jahre als Publikumsgesellschaft besteuert wird. Das entspricht dem Sinn der Vorschrift, wie ihre von Steinberg, a. a. O., dargestellte Entstehungsgeschichte zeigt. Hiernach hat der Senat keine Bedenken, in der Antragsfrist eine Ausschlußfrist im Sinne des § 83 Abs. 1 Satz 3 AO zu sehen, wie es das Urteil des BFH IV 206/56 U vom 21. November 1957 (BFH 66, 124, BStBl III 1958, 49) für die Frist zur Stellung des Antrages auf Anwendung des Körperschaftsteuertarifes nach § 32 b Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes 1951 bei gleichem Gesetzeswortlaut getan hat.

Auch die von der Stpfl. beantragte Nachsicht kann nicht gewährt werden. Nach § 86 AO kann Nachsicht u. a. nur bei Versäumung einer Rechtsbehelfsfrist oder einer rechtsbehelfsähnlichen Frist gewährt werden. Eine ähnlichkeit des Rechtsbehelfs wird anerkannt, wenn bereits durchgeführte Verfahren nach Art eines Rechtsbehelfsverfahrens überprüft werden sollen (vgl. Urteil des BFH IV 206/56 U vom 21. November 1957, a. a. O.). Dem Antrag nach § 19 Abs. 4 KStG 1961 kann ein rechtsbehelfsähnlicher Charakter nicht zugesprochen werden, weil kein Verfahren vorangegangen ist, das überprüft werden könnte.

Nach Aufhebung der Vorentscheidung ist die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412142

BStBl III 1966, 514

BFHE 1966, 371

BFHE 86, 371

BB 1966, 1013

DB 1966, 1258

DStR 1966, 546

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