Leitsatz (amtlich)

Ein Hühnerstall mit sog. Legebatterien ist weder eine Betriebsvorrichtung noch stellt er ein der Fertigung dienendes Gebäude dar.

 

Normenkette

Berlin FG § 19 Abs. 1-2, § 14 Abs. 2 Nr. 2; BewG 1965 § 68 Abs. 2 Nr. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt in Berlin (West) eine gewerbliche Hühnerfarm. Er errichtete zu diesem Zweck im Jahre 1971 ein Bauwerk von 455 qm Fläche, von der er 392 qm als Hühnerstall und den Rest als Sortierraum, Werkstatt und Toilette nutzt. In dem Hühnerstall sind zwei Legebatterien für je 3 000 Hühner untergebracht, mit denen der Kläger nach seinen Angaben jährlich mehrere Mio. Eier produziert.

Von den Herstellungskosten von .... DM beantragte der Kläger eine Investitionszulage von 10 v. H. mit der Begründung, daß es sich bei dem Hühnerstall um eine Betriebsvorrichtung oder aber um ein der Fertigung dienendes Gebäude handele.

Der Beklagte und Revisionskläger (FA) lehnte den Antrag ab.

Das FG gab der Klage dagegen statt. Es ließ die Frage, ob es sich bei dem Bauwerk um eine Betriebsvorrichtung oder um ein Gebäude handelt, dahingestellt, weil nach seiner Auffassung sowohl nach der einen als auch nach der anderen Möglichkeit dem Kläger die von ihm geltend gemachte Investitionszulage auf jeden Fall zusteht.

Dagegen wendet sich das FA mit der Revision, mit der es die Verletzung von Bundesrecht rügt. Nach seiner Auffassung stellt der Hühnerstall ein Gebäude und keine Betriebsvorrichtung dar und das Legen von Hühnereiern ist keine Fertigung.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Unter Hinweis auf früheres Vorbringen macht er geltend: Der BFH habe in seinen Urteilen vom 9. Dezember 1964 II 11/60 U, BFHE 81, 320, BStBl III 1965, 116, und vom 29. April 1965 IV 386/62 U, BFHE 83, 301, BStBl III 1965, 610, entschieden, daß der Pflanzenaufzucht dienende Gewächshäuser gärtnerischer Betriebe in der Regel Betriebsvorrichtungen und keine Gebäude seien. Denn anders als bei Fabrikhallen, die den Produktionsvorgang durch Schutz vor Witterungseinflüssen lediglich förderten, sei ein Gewächshaus in der Regel eine der wichtigsten Voraussetzungen und Mittel des Produktionsvorganges selbst, der außerhalb eines solchen Gewächshauses nicht möglich sei. Diese enge Verbindung und Zugehörigkeit des Gewächshauses zum Erzeugungsvorgang rechtfertige es, das Gewächshaus anders als beispielsweise eine Fabrikhalle als Betriebsvorrichtung anzusehen. Diese Voraussetzungen träfen auch auf die von ihm errichtete Legehalle zu. Denn nur sie gewährleiste die Bedingungen, unter denen die enormen Legeleistungen der in Käfigen befindlichen Hühner möglich seien. So sorgten automatische Lüftungseinrichtungen und zahlreiche thermostatgesteuerte Ventilatoren für die Einhaltung einer genau bestimmten Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Luftreinheit. Ohne dieses Klima wären Gesundheit und Wohlbefinden und damit die Legefreudigkeit der Tiere nicht aufrecht zu erhalten. Auch das sog. "Lichtprogramm". ohne das neben dem künstlichen Klima die moderne Eierproduktion nicht auskomme, wäre ohne eine solche fensterlose Legehalle nicht denkbar. Die von ihm erstellte Legehalle sei somit ebenfalls eine der wichtigsten Voraussetzungen und Mittel des Produktionsvorganges selbst und somit eine Betriebsvorrichtung.

Bei der hier gegebenen Form des Legens von Hühnereiern habe sich im Laufe der Zeit auch die Verkehrsauffassung gewandelt. Es handele sich nicht mehr wie früher um eine Form der Urproduktion. Durch die Schaffung künstlicher Lebensbedingungen für die Hennen würden die Eier vielmehr industriell hergestellt, und zwar durch die biologische Umformung von Spezialfutter in das neue Produkt Ei. Die Hühner dienten in diesem Prozeß lediglich noch als Produktionsmittel. Ein solcher Betrieb sei ein Industriebetrieb. Auch in der Fachliteratur werde einheitlich von einer industriellen Produktion von Eiern und Geflügelfleisch gesprochen. Unter diesen Gegebenheiten sei es gerechtfertigt, in seinem Betrieb von einer Fertigung zu sprechen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet.

Dem Kläger steht eine Investitionszulage nur zu, wenn es sich bei dem von ihm erstellten Hühnerstall entweder um ein bewegliches Wirtschaftsgut (§ 19 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BerlinFG) oder um ein der Fertigung dienendes Gebäude (§ 19 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 4 i. V. m. § 14 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a Doppelbuchst. aa BerlinFG) handelt. Beides ist nicht der Fall.

1. Nach den Feststellungen des FG ist das Bauwerk in Fertigbauweise erstellt und auf festen Fundamenten mit Bolzen und Schrauben befestigt. Daß es zerlegbar und leicht an anderer Stelle wieder aufzubauen ist, macht es entgegen der Auffassung des Klägers noch nicht zu einem beweglichen Wirtschaftsgut. Auch der Hühnerstall kann unter dem Gesichtspunkt einer Betriebsvorrichtung nicht als bewegliches Wirtschaftsgut gelten. Es handelt sich vielmehr um ein Gebäude, womit gleichzeitig die Möglichkeit, ihn als Betriebsvorrichtung zu behandeln, ausscheidet (vgl. BFH-Urteil vom 5. Februar 1965 III 35/61 U, BFHE 81, 611, BStBl III 1965, 220). Wie vom FA dargelegt und vom Kläger im Grunde auch nicht bestritten wird, erfüllt der Hühnerstall alle Voraussetzungen, welche die Rechtsprechung für den Gebäudebegriff entwickelt hat (vgl. die Urteile des Senats vom 24. Mai 1963 III 140/60 U, BFHE 77, 156, BStBl III 1963, 376, und vom 13. Juni 1969 III 17/65, BFHE 96, 57, BStBl II 1969, 517, und III R 132/67, BFHE 96, 365, BStBl II 1969, 612). Insbesondere gewährt er durch räumliche Umschließung Sachen Schutz gegen Witterungseinflüsse, gestattet den Aufenthalt von Menschen und ist fest mit dem Grund und Boden verbunden. Demgegenüber führt die mit einem Bauwerk verfolgte Zweckbestimmung nicht zur Annahme einer Betriebsvorrichtung. In den BFH-Urteilen II 11/60 U und IV 386/62 U hat die Rechtsprechung bei Gewächshäusern aufgrund der bei diesen gegebenen besonderen Bedingungen die Gebäudeeigenschaft verneint. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob er dieser Auffassung folgen könnte. Bei dem vom Kläger errichteten Hühnerstall handelt es sich jedenfalls um ein mit allen Merkmalen des Gebäudebegriffs ausgestattetes Bauwerk. Auch der Umstand, daß es ohne Fenster ist, steht dieser Eigenschaft nicht entgegen. Denn solche Gebäude sind im Bereich der Industrie keine Seltenheit. Unter dem Gesichtspunkt eines beweglichen Wirtschaftsguts steht dem Kläger somit eine Investitionszulage nicht zu.

2. a) Der Hühnerstall als Gebäude dient auch nicht der Fertigung im Sinne des Berlinförderungsgesetzes. Unter Fertigung versteht man nach dem Wortsinn die gewerbliche (handwerkliche, industrielle) Gütergewinnung durch mechanische und chemisch-physikalische Umformung (Fabrikation) im Gegensatz zur Erzeugung (Urproduktion) im Bergbau und in der Landwirtschaft. Darauf hat die Vorinstanz in ihrem in den EFG 1973, 524, abgedruckten Urteil unter Heranziehung von Wörterbüchern der deutschen Sprache bereits hingewiesen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber den Begriff im Berlinförderungsgesetz in einem umfassenderen Sinne, nämlich unter Einschluß der landwirtschaftlichen Urproduktion verstanden hätte. Im Gegenteil, mit dem natürlichen Wortsinn des Begriffs "Fertigung" stimmt auch der mit der gesetzlichen Regelung verfolgte Sinn und Zweck überein, wie er sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt (vgl. Bundestags-Drucksachen V 3890 S. 6-9 und zu V 4287 S. 9). Aus diesen Unterlagen ergibt sich deutlich, daß nach der Vorstellung des Gesetzgebers nur Gebäude begünstigt werden sollten, die zu mehr als 80 v. H. unmittelbar Fabrikations- und Lagerzwecken dienen. Mit anderen Worten, lediglich die handwerkliche und industrielle Produktion sollten durch die Einbeziehung der Gebäude in die Zulagebegünstigung verstärkt gefördert werden. Dagegen sollten andere Bereiche, wie beispielsweise der Handel, das Dienstleistungsgewerbe und auch die Landwirtschaft von der zusätzlichen Vergünstigung ausgeschlossen sein.

b) Demgegenüber kann die Vorinstanz ihre entgegengesetzte Auffassung nicht auf die Regelung in § 7 e EStG stützen. Denn eine Begünstigung des gewerblichen Tierhalters nach dieser Bestimmung scheitert im Rahmen des Berlinförderungsgesetzes schon daran, daß es hier eine dem § 7 e Abs. 2 EStG ähnliche, die Landwirtschaft begünstigende Vorschrift nicht gibt.

3. a) Der Kläger kann sich für Betriebe seiner Art auch nicht auf eine gewandelte Verkehrsauffassung berufen. Zwischen den Regelungen in § 19 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 BerlinFG (erhöhte Investitionszulage für Betriebe des verarbeitenden Gewerbes - ausgenommen Baugewerbe -) und § 14 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a Doppelbuchst. aa bis cc BerlinFG (Begünstigung von Gebäuden im handwerklichindustriellen Bereich) besteht unverkennbar ein Zusammenhang. Er ergibt sich auch aus den Gesetzesmaterialien (vgl. zu Bundestags-Drucksache V 4287 S. 9). Das rechtfertigt, das Systematische Verzeichnis der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamts auch bei der Feststellung der Verkehrsauffassung im Rahmen des § 14 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a Doppelbuchst. aa bis cc BerlinFG anzuwenden. Die Rechtsprechung hat dieses Verzeichnis schon bisher bei der Auslegung des Begriffs des "verarbeitenden Gewerbes" in § 19 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 BerlinFG angewandt (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 8. April 1976 III R 161/73, BFHE 118, 516, BStBl II 1976, 410).

b) Der Betrieb des Klägers wird in dem Systematischen Verzeichnis nicht in Abteilung 2 - verarbeitendes Gewerbe - sondern in Abteilung 1 - Land- und Forstwirtschaft -, und zwar unter der Nr. 00200 (Haltung von Geflügel ganz oder überwiegend ohne Futtergrundlage aus eigener Erzeugung) geführt. Daraus kann nur der Schluß gezogen werden, daß die die Verkehrsauffassung prägenden beteiligten Wirtschaftskreise, die an der Aufstellung des Systematischen Verzeichnisses mitgewirkt haben, Betriebe der vorliegenden Art noch der Urproduktion zurechnen und daß der zweifellos vorhandene erhebliche Einsatz von technischen Mitteln und die Schaffung künstlicher Lebensbedingungen bisher noch nicht dazu geführt haben, eine solche "Eierfabrik" dem industriellen Bereich zuzurechnen. Damit steht fest, daß dem Kläger auch unter diesem Gesichtspunkt eine Investitionszulage nicht zusteht.

Das Urteil der Vorinstanz, die von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war nach § 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO aufzuheben, und die Klage war abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71999

BStBl II 1976, 772

BFHE 1977, 103

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