Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Bei dem fiktiven Bestandsvergleich (ß 4 Abs. 1 EStG), der für die Berechnung des Veräußerungsgewinns (ß 14 Abs. 1 EStG) eines nichtbuchführenden Landwirts vorzunehmen ist, muß in der Regel davon ausgegangen werden, daß von bloßen Aktivierungsrechten (z. B. für Vieh, geringwertige Anlagegüter und Feldinventar) kein Gebrauch gemacht wurde.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, § 14/1

 

Tatbestand

Streitig sind bei der Einkommensteuerveranlagung 1954

die Höhe eines Veräußerungsgewinns bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft (ß 14 EStG) und

die Berücksichtigung von Zahlungen zum Zwecke der Erbauseinandersetzung sowie an eine geschiedene Ehefrau als außergewöhnliche Belastung (ß 33 EStG).

Der Steuerpflichtige war nichtbuchführender Landwirt. Seine Einkünfte aus der Landwirtschaft würden noch der Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittsätzen für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft vom 2. Juni 1949 (VOL) besteuert. Durch Kaufvertrag vom 8. April 1954 veräußerte der Steuerpflichtige mit Wirkung vom 14. April 1954 seinen Hof. Der Kaufpreis betrug für den Grund und Boden einschließlich aller wesentlichen Bestandteile (unter anderem Gebäude, Wegbefestigungen, Drainage, Feldinventar, Obstbäume und Weidezaun) 100 000 DM. Durch die übernahme eines dinglichen Wohnrechtes erhöhte er sich auf 103 933 DM

Das Finanzamt berechnete zunächst einen Veräußerungsgewinn von 17 528 DM. Während des Einspruchsverfahren wurde bekannt, daß der Veräußerungspreis insgesamt 138 933 DM betrug. Davon entfielen auf Grund eines zweiten Vertrages 35 000 DM auf das Inventar und die Vorräte. Das Finanzamt ermittelte den Veräußerungsgewinn nunmehr mit 76 064 DM. Außerdem setzte es für den Veranlagungszeitraum 1954 unter anderem den laufenden, nach der VOL ermittelten Gewinn mit 3 245 DM an.

Mit der Berufung griff der Steuerpflichtige mit Ausnahme der Höhe des Veräußerungspreises sämtliche Einzelposten der Berechnung des Veräußerungsgewinns an. Er beantragte Freistellung von der Einkommensteuer da ein Veräußerungsgewinn nicht vorhanden sei. Die laufenden Einkünfte seien bei dem Familienstand des Steuerpflichtigen (Steuerklasse III/9) steuerfrei. Hilfsweise machte der Steuerpflichtige geltend, daß der Veräußerungsgewinn gemindert sei um die im Zusammenhang mit der Betriebsveräußerung an die geschiedene Ehefrau geleistete Zahlung von 23 000 DM und eine Abfindung für seine Geschwister in Höhe von 3 500 DM. Mindestens handele es sich dabei um außergewöhnliche Belastungen im Sinne von § 33 EStG.

Das Finanzgericht gab der Berufung überwiegend statt. Es ermittelte einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn (ß 14 EStG) in Höhe von 10 615 DM. Das Finanzgericht stützte sich auf das Gutachten eines Sachverständigen, das vor allem die Aufteilung des Veräußerungspreises auf die einzelnen Wirtschaftsgüter behandelte. Dabei ging das Finanzgericht von dem gemeinen Wert des Grund und Bodens aus, den es mit 85 435 DM ansetzte und - zuzüglich des Werts des Feldinventars von 1035 DM, also mit insgesamt 86 470 DM - bei der Berechnung des Veräußerungsgewinns ausschied. Dem verbleibenden Betrag von (Kaufpreis 138 933 DM ./. 86 470 DM =) 52 463 DM stellte es die fiktiven Buchwerte der übrigen veräußerten Wirtschaftsgüter von nach seiner Auffassung insgesamt 40 430 DM gegenüber. Den überschuß von 12 033 DM kürzte das Finanzgericht um die Veräußerungskosten in Höhe von 1 418 DM. Außerdem setzte es den laufenden, nach der VOL ermittelten Gewinn zeitanteilig (für die Zeit vom 1. Januar bis 13. April 1954) mit 935 DM an. Die Abfindungszahlen berücksichtigte das Finanzgericht nicht. Eine außergewöhnliche Belastung sei nicht gegeben, da es sich um rechtlich nicht erzwingbare Abfindungsleistungen gehandelt habe.

Der Vorsteher des Finanzamts wendet sich mit der Rb. vor allem gegen den Abzug des vollen gemeinen Wertes des Grund und Bodens bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns. Er ist der Auffassung, daß dadurch auf die Gebäude ein zu niedriger Teil des Kaufpreises entfalle. Das Finanzgericht hätte auch den Wert der Gebäude ermitteln und den Kaufpreis entsprechend dem Verhältnis des Gebäudewertes zum Gesamtwert des verkauften Anwesens aufteilen müssen. Entsprechendes gelte für das Feldinventar. Außerdem seien die fiktiven Werte fehlerhaft ermittelt. Bei dem Ansatz für Gebäude und für das tote Inventar habe das Finanzgericht eine zu niedrige Absetzung für Abnutzung (AfA), nämlich für Gebäude weniger als 0,5 v. H. und für totes Inventar 1,67 v. H. jährlich, zugrunde gelegt. Der vom Finanzgericht mit 1 500 DM bewertete Weidezaun sei nicht anzusetzen, da ein buchführender Landwirt den Aufwand sofort abschreibe. Auch das Gutachten des Sachverständigen habe den Weidezaun nicht bewertet.

Mit seiner Anschlußbeschwerde wendet sich der Steuerpflichtige gegen die nach seiner Ansicht zu niedrige Bewertung des Obstbaumbestandes, des Weidezauns und des lebenden Inventars sowie gegen die Nichtberücksichtigung der außergewöhnlichen Belastung. Der Obstbaumbestand sei mit 2 500 DM (Finanzgericht: 400 DM) zu bewerten, da auch die Pflegekosten zu aktivieren seien. Außerdem müsse der Ertrag, der mit den Durchschnittsätzen schon während der ertraglosen Aufwuchsperiode versteuert worden sei, zum Ausgleich aktiviert werden. Bei der Bewertung des lebenden Inventars habe das Finanzgericht zu Unrecht die Durchschnittswerte nach den Anordnungen der Finanzverwaltung angesetzt. Denn es werde dabei nicht berücksichtigt, daß es sich um besonders hochwertiges Vieh (tbc- und bangfreie Rindviehbestände) gehandelt habe, auf das die Durchschnittswerte nicht angewendet werden dürften. Das Vieh sei auch deshalb mit den tatsächlichen Anschaffungskosten zu bewerten, weil bei einem nichtbuchführenden Landwirt der Ansatz der niedrigen Durchschnittswerte ohne die Möglichkeit eines Ausgleichs immer zu einem Veräußerungsgewinn führen würde, während ein buchführender Landwirt zunächst bei der Aktivierung der Durchschnittswerte in Höhe des Unterschiedsbetrages zu den tatsächlichen Anschaffungskosten den Gewinn mindern könne. Schließlich habe das Finanzgericht bei der Prüfung der außergewöhnlichen Belastung die Zwangsläufigkeit der Erbauseinandersetzung wie die Abfindung der geschiedenen Ehefrau verkannt. Ohne diese Abfindungen wäre der Verkaufsvertrag amtlich nicht genehmigt worden.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht.

Grund und Boden In der Entscheidung IV 351/64 U vom 3. Juni 1965 (BStBl 1965 III S. 576) führte der erkennende Senat aus, daß bei der Aufteilung des Verkaufspreises auf Grund und Boden (ß 4 Abs. 1 Satz 4 EStG) und die anderen veräußerten Wirtschaftsgüter im allgemeinen von dem Verhältnis auszugehen ist in dem Grund und Boden einerseits und die übrigen Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens am Gesamtwert des Betriebes beteiligt sind. In Zweifelsfällen müssen deshalb die Teilwerte der Wirtschaftsgüter, vor allem des Grund und Bodens, und der Gebäude besonders geschätzt werden (ß 217 Abs. 1 Satz 1 AO). Bei der Berechnung des Veräußerungsgewinns (ß 14 Abs. 1 EStG) ist derjenige Teil des Kaufpreises auszuscheiden, der dem ermittelten Verhältnis des Teilwerts der Grundstücke zu dem Gesamtwert des Betriebes entspricht. Andernfalls würde in Fällen, in denen der gezahlte Kaufpreis des Gesamtbetriebes unter dem Verkehrswert liegt, das Ausscheiden des nach dem vollen gemeinen Wert angesetzten Grund und Bodens zu einer unverhältnismäßig niedrigen Bewertung des Gebäudebestandes führen. Die Vorentscheidung ist aufzuheben, da sie von anderen Rechtsgrundsätzen ausging.

Feldinventar Soweit der Verkaufspreis auf Feldinventar (Ausgaben für Acker- und Bestellungsarbeiten, Dünger und Saatgut) entfällt scheidet er bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns nicht aus. Denn es handelt sich nicht um Einnahmen, die sich auf Grund und Boden (ß 4 Abs. 1 Satz 4 EStG) beziehen. Die Grundsätze, die die Rechtsprechung zur einkommensteuerlichen Behandlung der Ersatzleistungen für Bodenbestellungskosten und stehende Ernte bei übernahme eines verpachteten Betriebes durch den Verpächter (Eigentümer) entwickelte (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs I 331/56 U vom 16. Juli 1957, BStBl 1957 III S. 323, Slg. Bd. 65 S. 231; IV 153/63 S vom 7. November 1963, BStBl 1964 III S. 62, Slg. Bd. 78 S. 159), sind entsprechend in Fällen der Veräußerung des Betriebs anzuwenden. Danach handelt es sich bei dem Empfänger um eine steuerpflichtige Betriebseinnahme (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs IV 341/64 U vom 28. Januar 1965, BStBl 1965 III S. 255). Soweit die in Abschn. 108 EStR 1953 in Verbindung mit dem Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 23. Juli 1938 - S 2141 - 70 III (RStBl 1938 S. 721) getroffene Verwaltungsanordnung eine andere Auslegung enthält, tritt ihr der Senat nicht bei.

Feldinventar und stehende Ernte sind bei dem für die Ermittlung des Veräußerungsgewinns (ß 14 EStG) vorzunehmenden fiktiven Bestandsvergleich nicht zu bewerten. Denn das Feldinventar und die stehende Ernte werden von buchführenden Landwirten regelmäßig nicht aktiviert. Es liegt im Wesen der Durchschnittsätze, daß mit ihnen alle normalen Aufwendungen eines Landwirts abgegolten sind. Dabei ist von den bei buchführenden Landwirten im allgemeinen ausgewiesenen Aufwendungen auszugehen. Denn die sich nach Abzug dieser Aufwendungen ergebenden betriebsgewöhnlichen Reinerträge bildeten schon die Grundlage für die Ermittlung der Einheitswerte, von denen wiederum die Durchschnittsätze der VOL abgeleitet sind. Die bei der Einheitsbewertung zum 1. Januar 1935 zugrundegelegten Reinerträge waren bereits außerordentlich niedrig angesetzt. Daraus kann rechtssystematisch nur der Schluß gezogen werden, daß alle steuerlich abzugsfähigen Aufwendungen berücksichtigt sind. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob und inwieweit Anschaffungs- und Herstellungskosten für Wirtschaftsgüter aktivierungsfähig sind. Entscheidend ist nur, welche Kosten tatsächlich im allgemeinen von buchführenden Landwirten aktiviert zu werden pflegen. Die für den Bestandsvergleich bei einem VOL-Landwirt anzusetzenden fiktiven Buchwerte können deshalb nicht höher als bei einem buchführenden Landwirt sein.

II. Die Anschlußbeschwerde des Steuerpflichtigen ist im wesentlichen unbegründet.

Obstbaumbestand Die Anwendung der obigen Grundsätze ergibt, daß der Obstbaumbestand nur mit den bei einem buchführenden Landwirt aktivierungspflichtigen Anschaffungs- und Herstellungskosten zu bewerten ist. Die während der Aufwuchsperiode aufgewendeten Pflegekosten gehören ebensowenig dazu wie die nach Auffassung des Steuerpflichtigen vorausversteuerten, in den Durchschnittsätzen bereits enthaltenen Erträge.

Lebendes Inventar Entsprechendes gilt für die Bewertung des lebenden Inventars, für das die von der Finanzverwaltung zugelassenen Durchschnittswerte maßgebend sind. Denn es kommt praktisch kaum vor, daß ein Landwirt das Vieh mit höheren Beträgen als diesen Durchschnittswerten aktiviert. Es ist deshalb zu unterstellen, daß ein VOL-Landwirt das lebende Inventar ständig mit den gewöhnlich unter den tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten liegenden Durchschnittswerten bewertet und insofern den Gewinn um den Unterschiedsbetrag gemindert hat. Diese Minderungen sind als in den Durchschnittsätzen der VOL berücksichtigt anzusehen. Der beim Verkauf des Viehs sich gedanklich ergebende entsprechend höhere Buchgewinn ist Teil des normalen Betriebsgewinns, der in den Durchschnittsätzen der VOL ebenfalls erfaßt ist. In der fiktiven Schlußbilanz des VOL-Landwirts kann deshalb das lebende Inventar mit keinem höheren Betrage als mit den allgemein angewendeten Viehdurchschnittswerten angesetzt werden

Weidezaun Die Herstellungskosten des Weidezauns sind aktivierungspflichtig, soweit es sich nicht um geringwertige Wirtschaftsgüter im Sinne des § 6 Abs. 2 EStG handelt. Das Finanzgericht traf hierzu keine Feststellungen. Es wird deshalb bei der erneuten Entscheidung zu prüfen haben, ob ein buchführender Landwirt zur sofortigen Abschreibung dieser Wirtschaftsgüter berechtigt gewesen wäre. Kommt das Finanzgericht zur Bejahung dieser Frage, so darf der Weidezaun nicht bewertet werden. Andernfalls müssen die Anschaffungs- und Herstellungskosten unter Berücksichtigung angemessener und üblicher AfA vom Zeitpunkt der Anschaffung ab geschätzt werden.

Außergewöhnliche Belastung Die Abfindungsleistungen des Steuerpflichtigen an seine geschiedene Ehefrau und an seine Geschwister können nicht als außergewöhnliche Belastung (ß 33 EStG) berücksichtigt werden. Bei der Abfindungsleistung an die geschiedene Ehefrau handelt es sich vor allem um eine Ablösung der Unterhaltsverpflichtungen durch einen einmaligen Kapitalbetrag. Sie stellt einen im Bereich des Vermögens liegenden Vorgang dar. Eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG kommt daher für den Steuerpflichtigen auch nicht unter dem Gesichtspunkt in Betracht, daß die Ablösung zur Voraussetzung der behördlichen Genehmigung des Verkaufsvertrages gemacht worden war (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs VI 273/62 U vom 17. Mai 1963, BStBl 1963 III S. 378, Slg. Bd. 77 S. 164)

Ebenso gehört die Zahlung, die der Steuerpflichtige an seine Geschwister leistete, in den Bereich seines Vermögens und nicht seines Einkommens. Sie stand im Zusammenhang mit dem Erwerb des Hofes und diente der Erbauseinandersetzung (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs IV 135/55 U vom 11. Oktober 1956, BStBl 1956 III S. 383, Slg. Bd. 63 S. 488; VI 290/57 U vom 27. März 1958, BStBl 1958 III S. 290, Slg. Bd. 67 S. 44; VI 124/60 U vom 12. Mai 1961, BStBl 1961 III S. 377, Slg. Bd. 73 S. 305).

III. Das Finanzgericht wird bei seiner erneuten Entscheidung noch das folgende zu beachten haben.

Der fiktive Buchwert der Gebäude ist unter Berücksichtigung der normalen AfA zu bemessen. Dabei ist von der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer auszugehen. Der vom Finanzgericht zugrunde gelegte Abschreibungssatz von 0,48 v. H. ist offensichtlich zu niedrig.

Entsprechendes gilt für die AfA bei dem toten Inventar, das das Finanzgericht mit jährlich 1,67 v. H. bemaß. Das Finanzgericht wird zu beachten haben, daß, soweit es sich um geringwertige Wirtschaftsgüter im Sinne des § 6 Abs. 2 EStG handelte, davon auszugehen ist, daß der Steuerpflichtige von der Abschreibungsfreiheit Gebrauch gemacht hat.

 

Fundstellen

BStBl III 1965, 579

BFHE 1966, 213

BFHE 83, 213

BB 1965, 1098

DB 1965, 1688

StRK, EStG:14 R 15

BFH-N, (K) Nr. 1357

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