Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer, Kfz-Steuer, sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Die Befreiungsvorschrift für Kleinsiedlungen in Nr. 39 der Bestimmungen über die Förderung der Kleinsiedlung vom 14. September 1937 (Reichsanzeiger Nr. 214) gilt neben § 4 Abs. 1 Ziff. 2 GrEStG fort.

Soweit lediglich § 4 Abs. 1 Ziff. 2 GrEStG anzuwenden ist, gilt diese Vorschrift vorbehaltlich anderer Bestimmungen der Länder nur für Arbeiterwohnstätten, die bis zum 31. März 1945 bezugsfertig geworden sind.

 

Normenkette

GrEStG § 4/1/2/a; GrEStDV § 12

 

Tatbestand

Der Beschwerdegegner (Bg.) kaufte durch Vertrag vom 6. September 1949 vom Landkreis A. eine Grundstücksparzelle und verpflichtete sich in dem Vertrage, auf dem Grundstück ein Kleinwohnhaus zu errichten. Dem Finanzamt wurde eine Bescheinigung des Regierungspräsidenten als Anerkennungsbehörde vorgelegt, in der das Bauvorhaben des Bg. auf Grund der Bestimmungen des Reichsarbeitsministers über die Förderung des Kleinsiedlung vom 21. April 1936 u. 14. September 1937 als Kleinsiedlung im Sinne des Vierten Teils, Kapitel II der Dritten Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 6. Oktober 1931 anerkannt wird und in der außerdem gesagt ist: "Gleichzeitig wird zur Befreiung von Gebühren, Stempelabgaben oder Steuern auf Grund des § 20 Vierter Teil, Kap. II der Verordnung vom 6. Oktober 1931 in Verbindung mit § 29 des Reichssiedlungsgesetzes die Versicherung abgegeben, daß die durch den Ankauf des Grundstücks, die Finanzierung und den Bau des Hauses erforderlichen Handlungen zur Durchführung des Vorhabens erfolgen."

Das Finanzamt erhob Grunderwerbsteuer, das Finanzgericht dagegen stellte den Bg. von der Steuer frei. Es stützte seine Entscheidung auf die die Kleinsiedlung betreffenden Vorschriften und hilfsweise auf § 4 Abs. 1 Ziff. 2 zu a des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG).

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts hat keinen Erfolg.

Wie auch die Begründung zum Grunderwerbsteuergesetz in Abs. 2 des Abschn. "ß 3" (Reichssteuerblatt - RStBl. - 1940 S. 394 linke Spalte) erwähnt, sind neben den Befreiungsvorschriften des Grunderwerbsteuergesetzes die Befreiungsvorschriften, die in sonstigen Reichsgesetzen oder -verordnungen enthalten sind, bestehen geblieben. Bei den Darlegungen über die Ausdehnung der Befreiungsvorschriften auf den Arbeiterwohnstättenbau erwähnt die Begründung in Abs. 8 des Abschn. "ß 4" (a. a. O. S. 395 rechte Spalte) noch besonders, daß unter anderem der Erwerb von Grundstücken zur Schaffung von Kleinsiedlungen bereits durch Sondervorschriften außerhalb des Grunderwerbsteuergesetzes von der Besteuerung ausgenommen ist.

Als Sondervorschriften auf dem Gebiete der Kleinsiedlung bezeichnet das Finanzgericht zutreffend die Dritte Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 6. Oktober 1931, Vierter Teil, Kapitel II § 20 (Reichsgesetzblatt - RGBl. - I S. 553) in Verbindung mit dem Gesetz über einstweilige Maßnahmen zur Ordnung des deutschen Siedlungswesens vom 3. Juli 1934 (RGBl. I S. 568) in der durch den Erlaß über das Siedlungs- und Wohnungswesen vom 4. Dezember 1934 (RGBl. I S. 1225) geänderten Fassung, mit der Verordnung über die weitere Förderung der Kleinsiedlung vom 19. Februar 1935 (RGBl. I S. 341) und den Bestimmungen des Reichsarbeitsministers über die Förderung der Kleinsiedlung vom 21. April 1936 (Reichsanzeiger - RA Nr. 97 vom 27. April 1936) und vom 14. September 1937 (RA Nr. 214 vom 16. September 1937).

§ 20 der erwähnten Dritten Verordnung des Reichspräsidenten vom 6. Oktober 1931 Vierter Teil Kapitel II schreibt vor, daß auf die Durchführung der vorstädtischen Kleinsiedlung die Bestimmungen des § 29 des Reichssiedlungsgesetzes entsprechende Anwendung finden. Die Vorschrift betrifft die in dem Kapitel II geregelte "vorstädtische Kleinsiedlung"; als solche gelten aber nach § 1 der Verordnung über die weitere Förderung der Kleinsiedlung vom 19. Februar 1935 (RGBl. I S. 341) ohne Rücksicht auf den Standort der Siedlung und auf die Beschäftigungs- und Erwerbsverhältnisse der Siedler alle nichtbäuerlichen Siedlungen der dort bezeichneten Art. Die Befreiungsvorschrift des erwähnten § 20 erstreckt sich demnach auf die erweiterte Kleinsiedlung. Auf dieser Grundlage und der weitgehenden Ermächtigung durch das Gesetz über einstweilige Maßnahmen zur Ordnung des deutschen Siedlungswesens vom 3. Juli 1934 (RGBl. I S. 568) in Verbindung mit dem Erlaß über das Siedlungs- und Wohnungswesen vom 4. Dezember 1934 (RGBl. I S. 1225) hat der Reichsarbeitsminister in die Nr. 39 der Bestimmungen über die Förderung der Kleinsiedlung (KSB) vom 14. September 1937 (RA Nr. 214) die Vorschrift aufgenommen, daß alle Geschäfte und Verhandlungen, die zur Durchführung der Siedlungsvorhaben dienen, soweit sie nicht innerhalb eines ordentlichen Rechtsstreites vorgenommen werden, von allen Steuern des Reichs usw. befreit sind, und es in Nr. 43 für erforderlich bezeichnet, die Vergünstigungen steuerlicher Art, die den mit Reichsdarlehen oder Reichsbürgschaften geförderten Kleinsiedlungen zukommen, weitestgehend auch solchen Siedlungsvorhaben zuzuwenden, für die Reichsdarlehen oder Reichsbürgschaften nicht in Anspruch genommen werden, die aber nach der Art ihrer Ausführung als Kleinsiedlung anzusehen sind.

Die Befreiungsvorschrift der Nr. 39 KSB ist innerhalb des Hauptabschnitts B zwar in dem Abschn. II Verfahrensvorschriften enthalten, während die Eigensiedlung in Abschn. III behandelt ist. Der Umstand, daß hier für die Eigensiedlung noch Sondervorschriften erlassen worden sind, hindert aber nicht die Anwendung der in den allgemeinen Bestimmungen enthaltenen Befreiungsvorschrift auch auf die Eigensiedlung.

Zu Unrecht beruft sich der Vorsteher des Finanzamts auf die Ziffer 3 des Abschn. VIII Kleinsiedlung des Siedlungserlasses des früheren Reichsministers der Finanzen vom 11. Dezember 1940 (RStBl. S. 1026), in der wörtlich ausgesprochen ist, daß für den Landerwerb durch den Eigensiedler hinsichtlich der Steuerfreiheit § 4 Abs. 1 Ziff. 2 zu a GrEStG gilt. Wenn damit gesagt sein sollte, daß nur diese Bestimmung gelte, so vermag der Senat dieser Auffassung nicht zu folgen.

Der Reichsminister der Finanzen hat in Abschn. VII und Abschn. VIII Satz 2 des Siedlungserlasses angeordnet, daß in der Versicherung des Siedlungsunternehmens oder der Siedlungsbehörde bzw. der Bewilligungs- oder Anerkennungsbehörde auch anzugeben ist, welcher Einzelfall der Darstellung in dem Siedlungserlaß als erfüllt angesehen wird. Dieser Anordnung kann aber nicht die Wirkung zugesprochen werden, daß eine ihr nicht entsprechende Bescheinigung ungültig sein sollte.

Auf Grund dieser Rechtslage und der Bescheinigung des Regierungspräsidenten war deshalb in übereinstimmung mit dem Finanzgericht die Steuerfreiheit zu gewähren.

Da schon hiernach die Rb. als unbegründet zurückzuweisen ist, ist auf die Anwendbarkeit des § 4 Abs. 1 Ziff. 2 zu a GrEStG nicht mehr einzugehen. Es sei aber bemerkt, daß der Senat in dieser Hinsicht dem Finanzgericht, das die Anwendung der Vorschrift nicht auf die bis zum 31. März 1945 bezugsfertig gewordenen Arbeiterwohnstätten beschränkt, nicht beitreten könnte.

Schon in der Begründung zum Grunderwerbsteuergesetz (RStBl. 1940 S. 395) ist bemerkt, daß der Begriff der Arbeiterwohnstätte (im grunderwerbsteuerlichen Sinne) im Grunderwerbsteuergesetz nicht geregelt ist, und daß in der Durchführungsverordnung bestimmt werden sollte, daß Arbeiterwohnstätten im Sinne des § 4 Abs. 1 Ziff. 2 GrEStG die in der Verordnung über die Förderung von Arbeiterwohnstätten vom 1. April 1937 (RGBl. I S. 437) bezeichneten Wohnstätten sind. Diese Bestimmung ist darauf mit gleichem Wortlaut in § 12 der Durchführungsverordnung getroffen worden.

"Die in der Verordnung vom 1. April 1937 bezeichneten Wohnstätten" sind die Wohnstätten, die diese Verordnung zum Gegenstand hat. Da sich die Verordnung auf § 29 Abs. 3 des Grundsteuergesetzes stützt, wonach der Reichsminister der Finanzen und der Reichsarbeitsminister das Nähere darüber bestimmen, was unter Arbeiterwohnstätten im Sinne dieser Vorschriften zu verstehen ist, und § 29 Abs. 3 mit den Worten "im Sinne dieser Vorschriften" auf dessen Absätze 1 und 2 Bezug nimmt, fallen unter die Verordnung nur solche Arbeiterwohnstätten, die die Voraussetzungen des ganzen § 29, also auch die des Abs. 2 erfüllen. Abs. 1 spricht aber nur von Arbeiterwohnstätten, die in einem näher bestimmten Zeitraum (nach dem damaligen Gesetzesstande in der Zeit vom 1. April 1937 bis 31. März 1940) bezugsfertig geworden sind. Ebenso wie der Reichsfinanzhof in dem Urteil II 54/43 vom 24. Februar 1944, RStBl. S. 541, auf Grund der gleichen Erwägungen die Befreiungsvorschrift nur auf die Arbeiterwohnstätten für anwendbar erachtet hat, die nach dem 31. März 1937 bezugsfertig geworden sind, hält der erkennende Senat mangels anderweiter landesgesetzlicher Regelung die Befreiungsvorschrift nur dann für anwendbar, wenn die Arbeiterwohnstätten bis zum 31. März 1945, dem zuletzt bestimmten Endtermin (vgl. Verordnung vom 13. Mai 1944, RGBl. I S. 119) bezugsfertig geworden sind. Die Begriffsbestimmung für die Arbeiterwohnstätten ist gewiß mit Vorbedacht nicht in das Gesetz, sondern in die Durchführungsverordnung aufgenommen worden, damit angesichts der geringen Stabilität dieses Begriffs im Sinne der Verordnung vom 1. April 1937 die Möglichkeit leichterer änderung der Vorschrift gegeben war.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407452

BStBl III 1952, 203

BFHE 1953, 522

BFHE 56, 522

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