Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonstiges Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

6 JAV 1958 verletzt kein Grundrecht, wenn er vorsieht, daß die sonstigen, insbesondere einmaligen Bezüge, die sich auf mehrere Jahre erstrecken und dem Steuerpflichtigen im Jahre 1958 zugeflossen sind, in den für den Lohnsteuer-Jahresausgleich 1958 maßgebenden Jahresarbeitslohn 1958 einzubeziehen sind.

Das gilt auch, wenn die sonstigen, insbesondere einmaligen Bezüge dem Steuerpflichtigen bis zum 31. August 1958 zugeflossen und beim Lohnsteuerabzug nach § 35 Abs. 3 LStDV 1957 versteuert worden waren.

GG Art. 2, Art. 3, Art. 80 Abs. 1; EStG 1958 § 34 Abs. 3, § 42 Abs. 2, § 46, § 51 Abs. 2; LStDV 1957 §

 

Normenkette

LStDV § 35; JAV § 6; EStG § 46 Abs. 2 Ziff. 5, § 46/2/8/a, § 34 Abs. 3

 

Tatbestand

Der Bf. ist Verwaltungsangestellter. Er ist verheiratet und hat vier Kinder. Im Februar 1958 erhielt er nach der Verbesserung seines Besoldungsdienstalters eine Nachzahlung für die Jahre 1951 bis 1957 von 4.476 DM. Die Lohnsteuer darauf wurde nach § 35 LStDV 1957 berechnet, einbehalten und abgeführt. Im Lohnsteuerjahresausgleich 1958 erstattete das Finanzamt von der einbehaltenen Jahreslohnsteuer von 849 DM dem Bf. nur 297 DM. Es setzte zur Berechnung des Jahresarbeitslohnes die Nachzahlung von 4.476 DM voll für 1958 an. Der Bf. will dagegen auch im Lohnsteuerjahresausgleich den § 35 Abs. 3 LStDV 1957 in der Fassung des § 5 der Verordnung zur überleitung des Lohnsteuerverfahrens auf die Vorschriften des Gesetzes zur änderung steuerlicher Vorschriften auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Ertrag und des Verfahrensrechts (überleitungsverordnung) vom 20. Dezember 1958 (BGBl 1958 I S. 969, BStBl 1959 I S. 2) angewendet haben. Wenn der Jahresarbeitslohn und die Jahreslohnsteuer so unter Anwendung des neuen Jahrestarifs errechnet werden, ist ihm die im Jahre 1958 einbehaltene Lohnsteuer voll zu erstatten. Er verlangt demgemäß eine weitere Erstattung von (849 ./. 297 = ) 552 DM. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab, gab aber dem Bf. anheim, eine Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Ziff. 5 EStG 1958 unter Anwendung von § 34 Abs. 3 EStG 1958 zu beantragen. Der Bf. hat einen solchen Antrag nicht gestellt, weil er bei einer Veranlagung nicht zu der erstrebten Lohnsteuererstattung kommen würde.

Das Finanzgericht wies die Berufung als unbegründet zurück und führt im wesentlichen aus: § 6 der Verordnung über den Lohnsteuer-Jahresausgleich und den Notopfer-Jahresausgleich (JAV) 1958 sehe nicht vor, daß sonstige, insbesondere einmalige Bezüge (abgekürzt: sonstige Bezüge) nicht zum Arbeitslohn des Ausgleichsjahres 1958 zu rechnen seien. Ebenso sei die Anwendung des § 35 Abs. 3 LStDV 1957 in § 6 JAV 1958 nicht vorgesehen. Diese Regelung beruhe nicht auf einem Versehen des Verordnungsgebers. Sie verstoße auch nicht gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG).

Der Bundesminister der Finanzen, der dem Verfahren gemäß § 287 Ziff. 2 AO beigetreten war, stimmt der angefochtenen Entscheidung des Finanzgerichts im Ergebnis zu.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. konnte keinen Erfolg haben.

Der Bf. kann nicht bestreiten, daß keine Bestimmung des EStG 1958 oder der JAV 1958 ausdrücklich sein Begehren rechtfertigt. Das Finanzgericht hat seine Entscheidung auf § 6 JAV 1958 gestützt, wonach auch die sonstigen Bezüge, die sich auf mehr als zwölf Monate erstreckten, in den Jahresarbeitslohns 1958 einzubeziehen seien. Daß das Finanzgericht diese Vorschrift richtig ausgelegt hat, ergibt sich aus ihrer Entwicklungsgeschichte.

Nach den für die Jahre 1951 bis 1959 und 1960 geltenden Verordnungen über den Lohnsteuer-Jahresausgleich waren nämlich in den maßgebenden Jahresarbeitslohn die sonstigen Bezüge, die sich auf mehr als zwölf Monate erstreckten, nicht einzubeziehen (ß 6 Abs. 2 JAV 1951, BStBl 1951 I S. 651; § 6 Abs. 3 Ziff. 1 JAV 1953, BStBl 1953 I S. 631; § 6 Abs. 3 Ziff. 1 JAV 1957, BStBl 1958 I S. 173; § 6 Abs. 3 Ziff. 3 JAV 1959, BStBl 1959 I S. 1055; § 6 Abs. 3 Ziff. 3 JAV 1960, BStBl 1960 I S. 999). Dadurch wurde bezweckt, die Tarifmilderung, die bei dem laufenden Lohnabzug durch die Verteilung der Einkünfte auf mehrere Jahre eingetreten war, dem Arbeitnehmer auch beim Lohnsteuer-Jahresausgleich zu erhalten, ohne daß es einer Veranlagung unter Anwendung des § 34 Abs. 3 EStG bedurfte.

Die davon abweichende Regelung für das Zwischenjahr 1958 beruht, wie das Finanzgericht zutreffend annimmt, nicht etwa auf einem Versehen des Verordnungsgebers, sondern ist durch die besonderen Verhältnisse des Jahres 1958 bedingt. Nachdem nämlich durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 1957 (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 6 S. 55 ff., BStBl 1957 I S. 193 ff.) der § 26 EStG alter Fassung für nichtig erklärt war, mußte der Gesetzgeber die Ehegattenbesteuerung auf eine neue Grundlage stellen. Das geschah für die Jahre 1949 bis 1957 im Gesetz zur änderung steuerrechtlicher Vorschriften (StändG 1957) vom 26. Juli 1957 (BGBl 1957 I S. 848, BStBl 1957 I S. 352) und für die Zeit ab 1. Januar 1958 durch das Gesetz zur änderung steuerlicher Vorschriften auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Ertrag und des Verfahrensrechts (StändG 1958) vom 18. Juli 1958 (BGBl 1958 I S. 473, BStBl 1958 I S. 412). Dieses Gesetz wurde erst im Laufe des Jahres 1958 erlassen, wurde aber in seiner Wirkung auf den 1. Januar 1958 zurückbezogen. Besondere Schwierigkeiten ergaben sich naturgemäß daraus für die Lohnsteuer, die in der Zeit vom 1. Januar 1958 bis zum Inkrafttreten des Gesetzes erhoben worden war.

Nach der Stellungnahme des Bundesministers der Finanzen wurde die von den Vor- und Nachjahren abweichende Regelung des § 6 JAV 1958 vor allem aus den folgenden überlegungen getroffen:

Die einem Arbeitnehmer bis zum 31. August 1958 zugeflossenen sonstigen Bezüge waren nach § 35 LStDV 1957, die nach dem 31. August 1958 zugeflossenen dagegen nach der überleitungsverordnung vom 20. Dezember 1958 (BStBl 1959 I S. 2), die dem StändG 1958 Rechnung trug, zu versteuern.

Nach § 52 Abs. 1 Satz 2 EStG 1958 waren beim laufenden Lohnsteuerabzug die neuen Vorschriften erst ab 1. September 1958 anzuwenden. Das wurde angeordnet, weil es technisch kaum möglich gewesen wäre, für die Vergangenheit die laufende Lohnsteuer neu zu berechnen. Die Neuregelung der Besteuerung sonstiger Bezüge konnte darum auch erst auf solche Bezüge angewendet werden, die dem Steuerpflichtigen nach dem 31. August 1958 zuflossen (ß 7 der überleitungsverordnung).

§ 52 Abs. 1 Satz 2 EStG 1958 ordnet an, für den Lohnsteuer-Jahresausgleich und die Veranlagung die neuen Vorschriften für das ganze Kalenderjahr 1958 anzuwenden. Dadurch sollen Veranlagte und Lohnsteuerpflichtige möglichst gleichgestellt werden.

Der Bundesregierung schien es nicht angebracht, sonstige Bezüge, die sich auf mehrere Jahre erstreckten, ebenso wie in den Vor- und Nachjahren, für die Ermittlung des maßgebenden Arbeitslohns 1958 auszuscheiden, weil es sonst tarifrechtlich endgültig zu einer gespaltenen Lösung für 1958 gekommen wäre; denn die mehrjährigen Bezüge wären dann je nach dem Zeitpunkt ihres Zufließens entweder nach § 35 Abs. 3 LStDV 1957 oder nach § 5 der überleitungsverordnung besteuert worden. Das hätte die Gleichmäßigkeit der Besteuerung gefährdet. Es schien darum richtiger, die mehrjährigen sonstigen Bezüge in den maßgebenden Arbeitslohn 1958 einzubeziehen, also für 1958 darauf zu verzichten, wie in den Vor- und Nachjahren den Zweck des § 34 Abs. 3 EStG schon im Lohnsteuer-Jahresausgleich zu erreichen. Eine endgültige Benachteiligung trat dabei nicht ein, weil die Lohnsteuerpflichtigen bei einer Veranlagung auf Grund von § 46 Abs. 2 Ziff. 5 a EStG 1958 die Anwendung des § 34 Abs. 3 EStG beantragen konnten. Die Veranlagung kann allerdings unter Umständen für den Steuerpflichtigen im Ergebnis steuerlich weniger günstig sein als die Sonderbesteuerung im Lohnabzugsverfahren. Es gibt aber keine Vorschrift, nach der Lohnsteuerpflichtige einen Anspruch haben, daß ihnen ein Vorteil, den sie im Abzugsverfahren gehabt haben, auch im Veranlagungsverfahren erhalten bleibt. Diese Darlegungen des Bundesministers der Finanzen zeigen, daß sich die Bundesregierung bei der Regelung des § 6 JAV 1958 von sachlichen Gründen leiten ließ und der besonderen gesetzgeberischen Situation des Jahres 1958 Rechnung tragen wollte.

Die Steuergerichte sind nach Art. 20 Abs. 3 GG an das Gesetz oder an eine Rechtsverordnung gebunden, wenn sie ordnungsmäßig zustande gekommen sind und kein verfassungsmäßig garantiertes Grundrecht verletzen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so können die Steuergerichte nicht prüfen, ob der Gesetzgeber oder der Verordnungsgeber die zweckmäßigste Lösung gefunden hat, oder ob er nicht eine bessere oder gerechtere Lösung hätte finden können (Urteil des Senats VI 20/58 U vom 28. Februar 1958, BStBl 1958 III S. 196, Slg. Bd. 66 S. 512, sowie die weitere Rechtsprechung bei Grimm: "Besteuerung und Grundgesetz", 1959 S. 9 ff.).

Der Bf. erhebt gegen § 6 JAV verfassungsrechtliche Bedenken, die aber nicht gerechtfertigt sind. Der Senat hat in seinem Urteil VI 216/59 U vom 12. Februar 1960 (BStBl 1960 III S. 166, Slg. Bd. 70 S. 442) bereits ausgesprochen, daß er die rückwirkende Anwendung des EStG 1958 im Lohnsteuer-Jahresausgleich für zulässig hält und daß der Gesetzgeber nicht verpflichtet war, einen Arbeitnehmer, der die Lohnsteuer im Lohnsteuer-Jahresausgleich für das ganze Jahr berechnet haben will, besserzustellen, als einen zu veranlagenden Steuerpflichtigen, dessen Einkommensteuer auch für das ganze Jahr nach dem neuen Einkommensteuertarif berechnet wird. Auch die uneingeschränkte Anwendung des EStG 1958 auf sonstige Bezüge, die sich über mehr als zwölf Monate erstrecken, ist keine unzulässig verbösernde Rückwirkung, zumal die Steuerpflichtigen nach § 46 EStG durch einen Antrag auf Veranlagung die Anwendung des § 34 Abs. 3 EStG erreichen konnten.

Die Einbeziehung der sonstigen Bezüge in den Jahresarbeitslohn 1958 gemäß § 6 JAV 1958 bedeutet auch keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 GG, sondern dient sogar, wie der Bundesminister der Finanzen zutreffend darlegt, umgekehrt einer gleichmäßigen Besteuerung, weil alle sonstigen Bezüge des Jahres 1958 - unabhängig von dem mehr oder minder zufälligen Zeitpunkt des Zufließens - im Ergebnis gleichbehandelt werden.

§ 6 JAV 1958 hat auch eine dem Art. 80 Abs. 1 GG entsprechende gesetzliche Grundlage im EStG 1958, wie der Bundesminister der Finanzen ebenfalls richtig ausführt. Die gesetzliche Ermächtigung zum Erlaß der Rechtsverordnung über den Lohnsteuer-Jahresausgleich 1958 ist in § 42 Abs. 2 in Verbindung mit § 51 Abs. 2 EStG 1958 enthalten. Die Anordnung in den entsprechenden Verordnungen der Vor- und Nachjahre, bei der Ermittlung des maßgebenden Jahresarbeitslohns die sich auf einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten erstreckenden sonstigen Bezüge außer Betracht zu lassen, diente, wie bereits ausgeführt wurde, dem Zweck, den beim laufenden Steuerabzug gewährten Tarifvorteil den Arbeitnehmern auch im Lohnsteuer-Jahresausgleich zu erhalten, ohne daß sie gezwungen waren, eine Veranlagung unter Anwendung des § 34 Abs. 3 EStG zu beantragen. Die einmalige abweichende Regelung für 1958, die den Verhältnissen des Jahres 1958 Rechnung tragen sollte, blieb im Rahmen der der Bundesregierung erteilten Ermächtigung, die zur Regelung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs 1958 und zur Durchführung des EStG 1958 erforderlichen Anordnungen zu treffen. Die Bundesregierung war nicht etwa durch die ihr erteilte gesetzliche Ermächtigung gehalten, die Behandlung der sonstigen Bezüge, die sich auf mehr als zwölf Monate erstreckten, auch für 1958 so zu regeln, wie sie es in den Vor- und Nachjahren für richtig und zweckmäßig gehalten hatte. Das EStG 1958 gibt auch, wie der Bundesminister der Finanzen mit Recht bemerkt, dem Bf. keinen Anspruch, daß eine tarifliche Vergünstigung, die er beim laufenden Lohnsteuerabzug erhalten hatte, ihm auch erhalten blieb, wenn er den Lohnsteuer-Jahresausgleich oder die Veranlagung beantragte.

Der Hinweis des Bf., daß ihm mit einem Antrag auf Veranlagung nicht gedient sei, weil ihm auch dann der tarifliche Vorteil, den er durch die Besteuerung der sonstigen Bezüge im Februar 1958 erlangt habe, nicht erhalten bleibe, greift nicht durch. Der Senat hat auf Grund des verfassungsrechtlich einwandfreien § 6 JAV 1958 keine Möglichkeit, diesen Gesichtspunkt zu berücksichtigen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410313

BStBl III 1962, 69

BFHE 1962, 183

BFHE 74, 183

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