Entscheidungsstichwort (Thema)

Äußerungen eines Richters als Grund für dessen Ablehnung

 

Leitsatz (NV)

Zur Frage, inwieweit Äußerungen eines Richters dessen Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit begründen können.

 

Normenkette

FGO § 51 Abs. 1 S. 1; ZPO § 42

 

Gründe

Die Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger ist als Rechtsanwalt freiberuflich tätig; die Klägerin betrieb in der Zeit von 1969 bis 1971 ein . . .

Die Kläger haben beim Finanzgericht (FG) Klage mit dem Antrag erhoben, die gegen sie ergangenen Einkommensteuerbescheide 1968 bis 1977 aufzuheben. Der Kläger hat ferner die Aufhebung der gegen ihn gerichteten Umsatzsteuerbescheide 1968 bis 1977 begehrt. Außerdem haben die Kläger die Aussetzung der Vollziehung der genannten Bescheide beantragt.

Im Rahmen des die Aussetzung der Vollziehung betreffenden Verfahrens fand am 24. Februar 1986 ein Erörterungstermin vor dem Berichterstatter, dem Richter am FG . . . (im folgenden: B), statt.

Mit Schriftsatz vom 25. Februar 1986 lehnten die Kläger Richter B als befangen ab. Folgende Vorgänge rechtfertigen nach ihrer Ansicht das Ablehnungsgesuch:

1. Im Verlauf des Erörterungstermins gebrauchte Richter B mehrmals den Ausdruck ,,schwarze Quittungen" als Bezeichnung für bestimmte von der Steuerfahndung bei den Klägern sichergestellte Unterlagen.

2. Außerdem erklärte Richter B einem im Termin anwesenden Prüfer gegenüber, er sei wohl durch den Aussetzungsbeschluß, den das FG im Jahre 1981 zu den Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheiden 1968 bis 1977 für die Dauer des Einspruchsverfahrens erlassen hatte, ,,aufs Kreuz gelegt worden".

3. Am Ende des Termins erörterte Richter B mit den Beteiligten die Erfolgsaussichten des Aussetzungsverfahrens. Danach suchte der Kläger den Richter B in dessen Dienstzimmer auf und bat ihn um einen Hinweis, wie er sein weiteres Prozeßverhalten einrichten könnte. Richter B erklärte darauf, die Kläger könnten nicht davon ausgehen, daß für sie alles gelaufen sei in dem Sinne, daß dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stattgegeben werden müsse; sie müßten auch damit rechnen, daß der Antrag abgelehnt werde.

4. Ein Schriftsatz des Beklagten, Antragsgegners und Beschwerdegegners (Finanzamt - FA -), der dem Richter B am 21. Februar 1986 übergeben worden war, wurde dem Kläger nicht bereits im Erörterungstermin vom 24. Februar 1986, sondern erst danach - durch die Post - übersendet.

Zu dem Ablehnungsgesuch hat sich Richter B am 26. Februar 1986 dienstlich geäußert. Auf diese Äußerung wird Bezug genommen.

Das FG hat das Ablehnungsgesuch mit Beschluß vom 27. März 1986 zurückgewiesen. Die Kläger hätten ihr Ablehnungsrecht verloren, soweit es sich um die Verwendung des Ausdrucks ,,schwarze Quittungen" handle. Nach § 51 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 43 der Zivilprozeßordnung (ZPO) könne ein Beteiligter einen Richter nicht mehr wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen, wenn er sich - wie im Streitfall der Kläger - ohne den ihm bekannten Grund für die Ablehnung geltend zu machen, bei ihm in eine Verhandlung eingelassen und Anträge gestellt habe. - Die übrigen von den Klägern vorgetragenen Ablehnungsgründe seien nicht geeignet, Mißtrauen in die Unparteilichkeit des Richters B zu rechtfertigen.

Gegen den Beschluß des FG wenden sich die Kläger mit ihrer Beschwerde.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.Die Beschwerde ist nicht begründet.

Ein Richter kann nach § 51 Abs. 1 FGO i. V. m. § 42 ZPO wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) liegt ein solcher Fall nur dann vor, wenn ein Verfahrensbeteiligter nach den äußeren Umständen einen vernünftigen Grund für die Annahme hat, der Richter werde sich aus einem in seiner Person liegenden Grund bei seiner Entscheidung von nicht sachgerechten Rücksichten leiten lassen (vgl. Beschluß vom 5. März 1971 VI B 64/70, BFHE 102, 10, BStBl II 1971, 527). Ein derartiger Grund hat im Streitfall nicht vorgelegen.

Der Senat läßt dabei dahinstehen, ob die Kläger ihr Rügerecht hinsichtlich des Verhaltens des Richters B schon deshalb teilweise verloren haben, weil sich der Kläger trotz Kenntnis des von ihm beanstandeten Verhaltens auf eine weitere Verhandlung vor dem Richter B einließ, ohne das von ihm beanstandete Verhalten zu rügen. Jedenfalls sind keine Tatsachen erkennbar, aus denen geschlossen werden könnte, Richter B werde nicht unvoreingenommen entscheiden.

Die Tatsache, daß Richter B im Erörterungstermin für eine Reihe der beim Kläger sichergestellten Quittungen und sonstigen Zahlungsbelege den Ausdruck ,,schwarze Quittungen" verwendete, kann unter den gegebenen Umständen nicht als Ausdruck der Voreingenommenheit gewertet werden. Insbesondere kann der Auffassung des Klägers nicht gefolgt werden, Richter B habe sich sprachlich - und damit auch in der Betrachtungs- und Denkweise - mit dem Steuerfahndungsbeamten identifiziert. Richter B hat vielmehr im Erörterungstermin mehrfach darauf hingewiesen, daß er die Bezeichnung nur aus Vereinfachungsgründen gewählt habe, um zu verdeutlichen, von welchen der verschiedenen sichergestellten Belegen er spreche. Eine voreingenommene Haltung des Richters läßt sich hieraus nicht ableiten.

Auch die Verwendung der Formulierung, der Prüfer sei durch einen Aussetzungsbeschluß des FG ,,aufs Kreuz gelegt worden", kann die Besorgnis der Befangenheit nicht begründen. Die verwendete Formulierung ist im Zusammenhang mit der bereits im Jahre 1981 vom FG angeordneten Aussetzung der Vollziehung zu sehen. Damals wurde die Vollziehung der - auch den Gegenstand dieses Rechtsstreits bildenden - Bescheide ausgesetzt, weil die Besteuerungsgrundlagen, die das FA seiner Steuerfestsetzung zugrunde gelegt hatte, in einem vom FG als ,,nicht nachvollziehbar" angesehenen Steuerfahndungsbericht enthalten gewesen sind. Richter B hat im Erörterungstermin auf das Problem der Prüfer hingewiesen, die einerseits angewiesen sind, kurze Berichte zu machen, von denen aber andererseits die FG Feststellungen verlangten, die auch von unbeteiligten Dritten ,,nachvollzogen" werden könnten. Im Streitfall sei dies dem Prüfer ,,nicht gelungen"; deshalb sei er damals durch den früheren Aussetzungsbeschluß des FG ,,aufs Kreuz gelegt worden". Die etwas saloppe Formulierung, der Prüfer sei ,,aufs Kreuz gelegt worden", mag in diesem Zusammenhang zwar ungewöhnlich sein; sie bietet indessen keinen hinreichenden Grund für die Annahme eines - zugunsten der Finanzverwaltung - parteiischen Verhaltens.

Auch die Äußerungen des Richters B, die er im Zusammenhang mit der Erörterung der Prozeßaussichten gegenüber dem Kläger gemacht hatte, können die Ablehnung des Richters B nicht rechtfertigen. Die Äußerung, der Kläger könne nicht davon ausgehen, daß für ihn schon alles gelaufen sei in dem Sinne, daß seinem Antrag entsprochen werde, ist als eine vorläufige Meinungsäußerung über den Prozeßausgang zu werten, zu der Richter B auch schon in diesem Stadium des Verfahrens berechtigt war (vgl. BFH-Beschluß vom 4. Juli 1985 V B 3/85, BFHE 144, 144, BStBl II 1985, 555).

Schließlich liegt auch darin, daß es Richter B unterlassen hat, einen kurz vor dem Erörterungstermin eingereichten Schriftsatz des FA schon im Termin an den Kläger weiterzuleiten, keine Voreingenommenheit. Wie Richter B in seiner dienstlichen Äußerung glaubhaft bekundet hat, hat er die sofortige Weiterleitung lediglich vergessen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415296

BFH/NV 1989, 169

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