Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwerde wegen Unwirksamkeit einer Klagerücknahme

 

Leitsatz (NV)

Auch wenn der Kläger nach Verfahrenseinstellung mit der Beschwerde geltend macht, er habe für bestimmte Besteuerungszeiträume die Klage nicht erhoben, die Voraussetzungen für die Klagerücknahme und die Einstellung des Verfahrens hätten nicht vorgelegen, ist die Sache an das FG zurückzuverweisen, damit dieses durch Urteil darüber entscheidet, welchen Umfang die Klageerhebung hatte.

 

Normenkette

FGO § 72

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhob Klage ,,wegen Versagung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für die Jahre 1978 bis 1982". Er beantragte, ,,den Umsatzsteuerbescheid vom 29. 2. 1984 (Steuernummer: . . .) in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. 1. 1986 (Az. . . .) aufzuheben".

Bei dem Umsatzsteuerbescheid vom 29. Februar 1984 handelte es sich um einen Sammel-Änderungsbescheid für die Jahre 1978 bis 1980. Der Berichterstatter beim Finanzgericht (FG) wies den Kläger darauf hin und bat um Mitteilung, ob die Klage, soweit sie die Jahre 1981 und 1982 betreffe, zurückgenommen werden solle.

Der Kläger führte dazu aus, aus seinem Klageantrag ergebe sich, daß der Rechtsstreit nur die Umsatzsteuerveranlagungen 1978 bis 1980 betreffe. Bei der abweichenden Angabe des Klagegrundes in der Klageschrift handle es sich offensichtlich um einen Übertragungsfehler. Eine Rechtshängigkeit hinsichtlich der Umsatzsteuerveranlagungen 1981 und 1982 sei deshalb nicht eingetreten. ,,Vorsorglich" werde jedoch insoweit zur Vermeidung nachteiliger Kostenfolgen der Anregung des FG entsprechend die Klagerücknahme erklärt.

Kläger und der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) hatten auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Mit Beschluß vom 16. Dezember 1987 trennte das FG ,,das Verfahren betreffend Umsatzsteuer 1981 und 1982" ab und stellte das Verfahren in der abgetrennten Sache ein. Es begründete dies mit der Klagerücknahme durch den Kläger.

Mit der Beschwerde beantragte der Kläger, den Beschluß aufzuheben, hilfsweise festzustellen, daß die Umsatzsteuer für die Jahre 1981 und 1982 nicht Gegenstand der Klage gewesen sei. Zur Begründung führte er aus: Die Voraussetzungen einer Einstellung nach § 72 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hätten nicht vorgelegen. Mangels Anhängigkeit der Klage für 1981 und 1982 fehle die Grundlage für eine Rücknahme. Der Umfang der erhobenen Klage ergebe sich bei verständiger Würdigung des Klageantrags und der Klagebegründung. Schon aus dem Klageantrag mit dem darin bezeichneten Umsatzsteuerbescheid sowie der Einspruchsentscheidung seien als Klagegegenstand die Umsatzsteuerfestsetzungen 1978 bis 1980 ersichtlich. In sachlicher Hinsicht hätten die Beteiligten übereinstimmend nur zu den Umsatzsteuerfestsetzungen 1978 bis 1980 Stellung genommen.

Das FA hält die Beschwerde für unbegründet.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Einstellungsbeschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Der Kläger hat mit der Beschwerde geltend gemacht, daß die Klagerücknahme unwirksam sei. Allerdings bezweckt der Kläger damit nicht die Fortsetzung des Klageverfahrens, was nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Aufhebung des Einstellungsbeschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das FG führt (vgl. Beschlüsse vom 9. Mai 1972 IV B 99/70, BFHE 105, 246, BStBl II 1972, 543, und vom 21. Februar 1985 V B 75/84, BFH/NV 1986, 99). Der Kläger macht vielmehr - wie bereits im Klageverfahren - vorrangig geltend, die Voraussetzungen für die (,,vorsorglich" erklärte) Klagerücknahme und damit für die Einstellung des Verfahrens hätten nicht vorgelegen, weil bezüglich der Umsatzsteuerbescheide 1981 und 1982 die Klage nicht anhängig geworden sei.

Auch in Fällen dieser Art, also wenn streitig ist, ob eine Klage bestimmte Besteuerungszeiträume umfaßte und ob die Klage(n) insoweit zurückgenommen wurde(n), kann der Einstellungsbeschluß nicht fortbestehen; das Verfahren ist - ebenso wie in den oben genannten Fällen geltend gemachter Unwirksamkeit einer Klagerücknahme - vom FG durch Urteil zu entscheiden. Die Sache war an das FG zurückzuverweisen, damit dieses darüber entscheidet, welchen Umfang die mit Schreiben vom 25. Februar 1986 erhobene Klage hatte. Soweit ersichtlich, spricht viel für die Auffassung des Klägers, daß das Klageschreiben schon aufgrund der nach Datum und Aktenzeichen eindeutig angefochtenen Bescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung - auch wenn die Besteuerungsjahre dabei fehlten - nur die Steuerbescheide 1978 bis 1980 betrafen (vgl. BFH-Urteil vom 1. April 1981 II R 38/79, BFHE 133, 151, BStBl II 1981, 532, zu § 65 FGO).

Im übrigen ist nicht ersichtlich, daß - bei Annahme einer Rücknahme durch den Kläger - die Voraussetzungen des § 72 FGO für einen Einstellungsbeschluß vorlagen, insbesondere die Einwilligung des FA zu einer solchen Rücknahme. Diese wäre nach § 72 Abs. 1 Satz 2 FGO erforderlich gewesen, weil beide Beteiligte auf mündliche Verhandlung verzichteten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415800

BFH/NV 1989, 178

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