Entscheidungsstichwort (Thema)

NZB: Verfahrensmängel nur solche des FG, zur Fristsetzung nach § 364b AO 1977

 

Leitsatz (NV)

  1. Weder die pauschale Verweisung auf früheres Vorbringen im Klageverfahren noch die dortigen Ausführungen genügen den Darlegungsanforderungen.
  2. Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO sind nur Verstöße des FG gegen Vorschriften des Gerichtsverfahrensrechts, nicht aber ‐ wie hier die gerügte Fristsetzung nach § 364b AO 1977 im Einspruchsverfahren ‐ solche des FA.
  3. Wird die aufgeworfene Rechtsfrage, ob die Fristsetzung nach § 364b AO 1977 ein gesonderter Verwaltungsakt ist oder nicht, vom FG im Sinne der Kläger, also Verwaltungsakt, beantwortet, ist die Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage nicht gegeben.
  4. Die Rechtsfrage, ob das Rechtsschutzinteresse bei Anfechtung eines solchen Verwaltungsaktes wegen dessen Inzidenter-Prüfung im anhängigen Klageverfahren verloren geht, hat der BFH mit Urteil vom 10. Juni 1999 IV R 23/98 (BFHE 189, 3, BStBl II 1999, 664, 666, unter 4.) geklärt; in diesem Sinn hat auch das FG entschieden.
  5. Zum Verlust des Rügerechts.
 

Normenkette

AO 1977 § 364b; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3, § 116 Abs. 3 S. 3; ZPO § 295

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

1. In der Beschwerdeschrift vom 22. Juli 2002 wird ein konkreter Zulassungsgrund nicht hinreichend dargelegt. Abgesehen davon, dass weder die pauschale Verweisung auf früheres Vorbringen im Klageverfahren (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 26. April 1988 III B 1/88, BFH/NV 1990, 105; vom 21. April 1998 XI B 60/97, BFH/NV 1998, 1491), noch die Ausführungen im bezogenen Klageverfahren den Darlegungsanforderungen genügen, sind Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nur Verstöße des Finanzgerichts (FG) gegen Vorschriften des Gerichtsverfahrensrechts, nicht aber ―wie hier die gerügte Fristsetzung nach § 364b der Abgabenordnung (AO 1977) im Einspruchsverfahren― solche des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt ―FA―; vgl. BFH-Beschlüsse vom 26. Juni 2001 VI B 76/01, BFH/NV 2001, 1591; vom 29. November 2001 VI B 67/01, BFH/NV 2002, 525).

2. Auch mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2002 haben die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) nicht hinreichend dargelegt. Denn zum einen ist die aufgeworfene Rechtsfrage, ob die Fristsetzung nach § 364b AO 1977 ein gesonderter Verwaltungsakt ist oder nicht, vom FG "mit der herrschenden Meinung" im Sinne der Kläger beantwortet worden; insoweit ist die Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage nicht gegeben. Zum anderen ist die Rechtsfrage, ob das Rechtsschutzinteresse bei Anfechtung eines solchen Verwaltungsaktes wegen dessen Inzidenter-Prüfung im anhängigen Klageverfahren verloren geht, ―abgesehen von der nach ständiger Rechtssprechung (z.B. BFH-Beschluss vom 17. Oktober 2001 III B 97/01, BFH/NV 2002, 366) erforderlichen, aber hier fehlenden Auseinandersetzung mit den dazu vertretenen Auffassungen (vgl. z.B. Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 364b AO Rz. 68-70; Klein/Brockmeyer, Abgabenordnung, 7. Aufl. 2000, § 364b Rz. 13-15; vgl. a. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 76 Rz. 45, jeweils m.w.N.)― durch die BFH-Rechtsprechung mit Urteil vom 10. Juni 1999 IV R 23/98 (BFHE 189, 3, BStBl II 1999, 664, 666, unter 4.) geklärt; in diesem Sinn hat auch das FG entschieden. Warum gleichwohl eine erneute Entscheidung erforderlich sein soll, ist nicht dargetan.

Mit den gerügten Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) der Verletzung rechtlichen Gehörs und der unzureichenden Sachaufklärung wegen Übergehens von Beweisanträgen (zu den Darlegungsanforderungen vgl. BFH-Beschlüsse vom 3. September 2002 I B 107/01, BFH/NV 2003, 68; vom 1. Oktober 2002 X B 34/02, BFH/NV 2003, 76) können die Kläger nicht mehr gehört werden. Bei derartigen verzichtbaren Verfahrensmängeln geht das Rügerecht nicht nur durch ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung gegenüber dem FG verloren, sondern auch durch rügelose Verhandlung zur Sache und damit das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung; vgl. BFH-Beschlüsse vom 22. März 2001 IX B 149/00, BFH/NV 2001, 1037; vom 12. Dezember 2001 V B 132/00, BFH/NV 2002, 531). Die rechtskundig vertretenen Kläger haben sich in der mündlichen Verhandlung vor dem FG nach Erörterung der Streitsache und Stellung eines Klagantrags rügelos zur Sache eingelassen und damit ihr Rügerecht verloren.

 

Fundstellen

BFH/NV 2003, 1436

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