Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichterhebung von Gerichtskosten; keine Erledigung der Hauptsache bei unzulässiger Beschwerde

 

Leitsatz (NV)

1. § 8 Gerichtskostengesetz (Nichterhebung von Gerichtskosten) erfaßt alle Maßnahmen unrichtiger Sachbehandlung eines Angehörigen der staatlichen Rechtspflege, gleichgültig welche Aufgaben er hat. Auf ein Mitverschulden des Prozeßbevollmächtigten kommt es nicht an.

2. Der der Nichtzulassungsbeschwerde stattgebende Beschluß kann von dem anderen Beteiligten nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

3. Sowohl die einseitige Erledigterklärung als auch die übereinstimmenden Erledigterklärungen setzen voraus, daß das Rechtsmittel zur Zeit des Eintritts des erledigenden Ereignisses zulässig gewesen ist.

 

Normenkette

FGO §§ 128, 138 Abs. 1; GKG § 8

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Die Klage der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) gegen die Umsatzsteuerfestsetzungen für 1985 bis 1987 des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt - FA -) hatte Erfolg. Auf die Beschwerde des FA ließ das Finanzgericht (FG) durch Beschluß vom 9. Februar 1989 die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) gegen sein Urteil vom 15. Dezember 1988 zu. Der der Klägerin zugestellten Ausfertigung des Beschlusses war eine durch die Unterschrift der an dem Beschluß beteiligten Richter nicht gedeckte Rechtsmittelbelehrung beigefügt, nach der den Beteiligten gegen den Beschluß innerhalb von zwei Wochen die Beschwerde zustehe. Der Beschluß ist dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 22. Februar 1989 zugestellt worden.

Am 27. Februar 1989 legte die Klägerin durch ihren Prozeßbevollmächtigten Beschwerde gegen den Beschluß des FG vom 9. Februar 1989 ein. Sie machte Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend, weil das FG über die Nichtzulassungsbeschwerde des Finanzamts entschieden habe, ohne daß der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin darüber informiert gewesen sei, daß das FA Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt habe. Die Klägerin beantragte, den Beschluß des FG vom 9. Februar 1989 aufzuheben und die Sache zur erneuten Prüfung der etwaigen Abhilfe an das FG zurückzuverweisen.

Nachdem das FA seine Revision gegen das Urteil des FG (Az. des BFH V R 22/89) mit Schriftsatz vom 11. April 1989 zurückgenommen hatte, erklärte die Klägerin die Beschwerde als in der Hauptsache für erledigt und beantragte, die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem FA aufzuerlegen. Weiter führte die Klägerin aus, daß das FG sie ausdrücklich dahin belehrt habe, daß gegen den Beschluß über die Zulassung der Revision die Beschwerde zulässig sei.

Das FA erklärte die Hauptsache ebenfalls für erledigt und beantragte, die Kosten des Verfahrens der Klägerin aufzuerlegen. Das FA führte u. a. aus, daß die Beschwerde unzulässig, da nicht statthaft sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluß des FG, die Revision gegen das Urteil vom 15. Dezember 1988 zuzulassen, ist unzulässig. Der der Nichtzulassungsbeschwerde stattgebende Beschluß kann von dem anderen Beteiligten nicht mit der Beschwerde gemäß § 128 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) angefochten werden (BFH-Beschluß vom 13. Oktober 1967 VI B 56/67, BFHE 90, 335, BStBl II 1968, 94).

Die Beschwerde der Klägerin hat sich weder infolge der Rücknahme der Revision durch das FA noch durch die beiderseitigen Erledigterklärungen der Beteiligten erledigt. Sowohl die auf Antrag eines Beteiligten vom Gericht zu treffende Feststellung der Erledigung der Hauptsache als auch die Erledigung der Hauptsache aufgrund übereinstimmender Erledigterklärungen der Beteiligten erfordern die, im vorliegenden Fall nicht gegebene, Zulässigkeit des Rechtsmittels, denn sowohl die einseitige Erledigterklärung als auch die übereinstimmenden Erledigterklärungen setzen die Rechtsbehauptung voraus, daß das Rechtsmittel zur Zeit des Eintritts des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet gewesen sei; war das Rechtsmittel nicht zulässig, so fehlt dem Rechtsmittelgericht von vornherein die Möglichkeit, sachlich auf den Antrag des Rechtsmittelführers einzugehen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 26. Januar 1971 VII B 137/69, BFHE 101, 209, BStBl II 1971, 306, und vom 12. Dezember 1984 I R 78/83, BFHE 143, 8, BStBl II 1985, 258 für die beiderseitige Erledigterklärung; BFH-Urteil vom 9. August 1977 VII R 123/74, BFHE 122, 443, BStBl II 1977, 697, und BFH-Beschluß vom 5. Juni 1985 II S 3/85, BFHE 143, 414, BStBl II 1985, 469 für die einseitige Erledigterklärung; Thomas / Putzo, Zivilprozeßordnung, 13. Aufl., § 91 a, Anm. 6. b), 7.).

Gemäß § 135 Abs. 2 FGO hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Von der Erhebung von Gerichtskosten sieht der Senat ab (§ 8 Abs. 1 Satz 3 des Gerichtskostengesetzes - GKG -), da das FG die Klägerin - unzutreffenderweise - auf die Möglichkeit der Beschwerde hingewiesen hat. Ohne Belang ist dabei, daß die Rechtsmittelbelehrung nicht durch die Unterschriften der an dem Beschluß mitwirkenden Richter gedeckt war und offenbar erst durch die Geschäftsstelle des Gerichts beigefügt worden ist. § 8 GKG erfaßt alle Maßnahmen unrichtiger Sachbehandlung eines Angehörigen der staatlichen Rechtspflege, gleichgültig welche Aufgabe er hat (vgl. Markl, Gerichtskostengesetz, 2. Aufl., § 8 Anm. 2). Auf ein Mitverschulden des Prozeßbevollmächtigten kommt es nicht an (vgl. BFH-Beschluß vom 29. April 1987 VIII R 201/83, BFH/NV 1987, 667).

 

Fundstellen

BFH/NV 1991, 53

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