Entscheidungsstichwort (Thema)

Produktionsfondssteuer, Preisbestandteile F. u. E.

 

Leitsatz (NV)

1. Eine Urteilsberichtigung nach §107 Abs. 1 FGO ist nicht nur bei einem Erklärungsirrtum möglich, sondern bei jeder Unrichtigkeit, die nicht auf einer Willensentscheidung des Gerichts, sondern auf einem Versehen beruht, durch das das wirklich Gewollte nicht zum Ausdruck gelangt.

2. Eine willentliche Rechtsentscheidung, die eine offenbare Unrichtigkeit ausschließt, liegt dann vor, wenn ein Fehler auf unzutreffenden Überlegungen des Gerichts bei der Gesetzesauslegung oder bei der Subsumtion des Sachverhalts bzw. auf unterlassener Sachaufklärung oder auf unzutreffenden Schlußfolgerungen aus den festgestellten Tatsachen beruht.

3. Beurteilte das FG den Ansatz eines Betrags durch das FA im Rahmen der Festsetzung der zusammengefaßten Steuerrate 1990 (hier: Produktionsfondssteuer und Preisbestandteile F. u. E.) als nicht gerechtfertigt und gelangte es bei seiner abweichenden Festsetzung der Steuerrate nur deshalb zu einem unrichtigen Ergebnis, weil es den nach seiner Ansicht zu Unrecht angesetzten Betrag an der falschen Stelle des Rechenvorgangs, nämlich von der vom FA ausgewiesenen zusammengefaßten Steuerrate, in voller Höhe abzog bzw. ihn dort absetzte, ohne ihn zuvor wegen der Währungsumstellung umzurechnen, kann eine offenbare Unrichtigkeit i. S. von §107 Abs. 1 FGO gegeben sein.

 

Normenkette

Anordnung des MdF der DDR vom 15. Dezember 1970 § 3; FGO § 107 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) unterhält im Ostteil von Berlin einen Gewerbebetrieb, in dem er seit der Gründung 1976 oder 1977 bis zum Streitjahr 1990 Reparaturen durchführte. Nach der sog. Wende änderte er den Gegenstand seines Unternehmens.

Mit der Jahreserklärung für Steuern der Gewerbetreibenden für das Jahr 1990 erklärte der Kläger für das erste Halbjahr einen Gewinn in Höhe von 47 108 Mark der DDR (M) und für das zweite Halbjahr einen solchen von 6894 DM. Ein Steuerbescheid hierüber erging nicht. Nach den Prüfungsfeststellungen anläßlich einer Außenprüfung im Jahre 1993 beim Kläger ergab sich 1990 ein Verlust von insgesamt 22 437 M/DM (erstes Halbjahr: ./. 18 070 M -- wegen Abzugs der Bestände zum 30. Juni 1990 gemäß Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 17. Juni 1991, BStBl I 1991, 598, Tz. 6 --; zweites Halbjahr: ./. 4367 DM).

Dementsprechend ermittelte der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt -- FA --) die zusammengefaßte Steuerrate 1990 anhand des Berechnungsbogens AV 9/22 (Berechnungsbogen für natürliche Personen, September 1991) wie folgt.

Einkommensteuer 1. Halbjahr 0 M

Vermögensteuer " 350 M

Produktionsfondssteuer einschließlich

Preisbestandteile F. u. E. " 10 915 M

Steuerrate " 11 265 M

Zahlungskorrektur:

Steuerrate " 11 265 M

vor dem 1. Juli 1990 entrichtet 16 728 M

Überzahlung . /. 5 463 M

davon 50 v. H. . /. 2731 DM

Einkommensteuer 2. Halbjahr 0 DM

Gewerbesteuer " 0 DM

Vermögensteuer " 350 DM

Steuerrate " 350 DM

zusammengefaßte Steuerrate 1990 (11 265 M + 2731 DM + 350 DM) 14 346 M/DM

Der Kläger erhob gegen die Festsetzung der zusammengefaßten Steuerrate Einspruch; u. a. mit der Begründung, die abgeführte Produktionsfondssteuer einschließlich der Preisbestandteile für Forschung und Entwicklung (F. u. E. -- 10 915 M --) seien zu erstatten, da diese nur bei Gewinnen über 12 000 M abzuführen gewesen seien. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Mit der Klage wandte sich der Kläger gegen die Berücksichtigung der Produktionsfondssteuer und der Preisbestandteile F. u. E. in Höhe von 10 915 M im Rahmen der Steuerrate für das erste Halbjahr 1990 und beantragte, die zusammengefaßte Steuerrate 1990 auf 3431 DM (= 14 346 M/DM ./. 10 915 M) festzusetzen.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte aus: Nach §3 Abs. 1 der Anordnung des Ministers der Finanzen der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) über Finanzmaßnahmen zur besseren Nutzung der in den privaten Handwerksbetrieben vorhandenen Leistungs- und Effektivitätsreserven (Anordnung) vom 15. Dezember 1970 (Gesetzblatt der DDR 1970, 677) seien zur Produktionsfondssteuer und zu den Preisbestandteilen F. u. E. Steuerpflichtige nur dann herangezogen worden, wenn ihr Gewinn 12 000 M überstieg. §3 Abs. 2 Satz 2 der Anordnung betreffend die Ermäßigung an Produktionsfondssteuer und Preisbestandteilen F. u. E. bei Verminderung des Gewinnes in den folgenden Jahren sei auf den Kläger nicht anzuwenden, da die Regelung die Ermäßigung auf den Betrag des Jahres 1971 beschränke. Die Vorschrift finde somit nur Anwendung auf Betriebe, die 1970 bereits bestanden hätten. Der Kläger habe seinen Betrieb indes erst später eröffnet. Dieser Beurteilung stehe nicht entgegen, daß die Finanzbehörden in der früheren DDR möglicherweise eine andere Auffassung vertreten hätten. Denn Steuern hätten auch in der DDR grundsätzlich nur aufgrund von Gesetzen erhoben werden dürfen. Deshalb könne auch offenbleiben, ob die Anordnung überhaupt rechtsgültig gewesen sei.

Zur Frage, mit welchem M- oder DM-Betrag die Produktionsfondssteuer und die Preisbestandteile F. u. E. abzusetzen seien, enthält das FG-Urteil keine Ausführungen.

Das FA beantragte die Berichtigung des Urteils. Es machte u. a. geltend, die Produktionsfondssteuer und die Preisbestandteile F. u. E. des ersten Halbjahres 1990 hätten nicht, wie es das FG getan hat, in Höhe von 10 915 M vom Betrag der zusammengefaßten Steuerrate 1990 von 14 346 DM abgezogen werden dürfen. Die Steuerrate hätte vielmehr unter Berücksichtigung der Umrechnung von M in DM im Verhältnis 2 : 1 und der bis zum 1. Juli 1990 entrichteten Abschlagszahlungen neu berechnet werden müssen.

Das FG lehnte eine Berichtigung der Urteilsformel ab und begründete dies wie folgt: Seine Entscheidung habe insoweit dem Antrag des Klägers in der Klageschrift entsprochen. Das FA habe auch nicht hilfsweise vorgetragen, daß sich vom Rechtsstandpunkt des Klägers aus gesehen wegen der Währungsumrechnung und der geleisteten Abschlagszahlungen eine höhere Steuerrate als beantragt ergeben würde. Das Urteil möge zwar falsch sein, es sei indes einer Berichtigung nicht zugänglich, da keine einem mechanischem Versehen gleichende Unrichtigkeit vorliege.

Mit der hiergegen erhobenen Beschwerde trägt das FA sinngemäß vor: Die Erstattung von in M geleisteten Zahlungen sei unter Umrechnung im Verhältnis 2 : 1 in DM zu leisten. Eine andere Auffassung sei nicht denkbar. Deshalb stelle die Behandlung durch das FG eine Art mechanischen Versehens dar.

Das FA beantragt, unter Aufhebung des Beschlusses des FG das Urteil dahingehend zu berichtigen, daß die zusammengefaßte Steuerrate 1990 auf 8889 DM festgesetzt wird.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist begründet. Die anderweitige Festsetzung der zusammengefaßten Steuerrate 1990 im Tenor des Urteils des FG ist wegen einer einem Schreib- oder Rechenfehler ähnlichen offenbaren Unrichtiogkeit i. S. von §107 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu berichtigen. Dementsprechend ist auch die Kostenentscheidung des FG abzuändern.

1. Wie der Senat in Zusammenfassung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) in seinem Beschluß vom 25. Januar 1996 III B 122/93 (BFH/NV 1996, 682) ausgeführt hat, meint der Begriff der den Schreib- und Rechenfehlern ähnlichen offenbaren Unrichtigkeiten i. S. von §107 Abs. 1 FGO die mechanischen Fehler, die ebenso mechanisch ohne weitere Prüfung erkannt und berichtigt werden können. "Mechanisch" im Sinne dieser Rechtsprechung ist ein Fehler dann nicht, wenn ihm eine willentliche Rechtsentscheidung zugrunde liegt, d. h., wenn er auf unzutreffenden Überlegungen bei der Gesetzesauslegung oder der Subsumtion des Sachverhalts unter die einschlägigen Rechtsvorschriften beruht; ferner nicht, wenn die notwendige Sachaufklärung unterlassen wurde oder aus den festgestellten Tatsachen unzutreffende Schlüsse gezogen wurden. Hingegen sind solche Fehler "mechanisch", die deshalb unterlaufen, weil aufgrund bloßer Flüchtigkeit aus den Akten ohne weiteres zu entnehmende feststehende Tatsachen übersehen worden sind, sofern mit Sicherheit auszuschließen ist, daß das FG diese Tatsachen nicht deshalb unberücksichtigt lassen wollte, weil es von ihnen nicht überzeugt war oder weil es ihnen keine rechtliche Bedeutung zugemessen hat. §107 Abs. 1 FGO erlaubt damit die Berichtigung nicht nur bei einem Erklärungsirrtum, wie er bei einem Versprechen oder Verschreiben vorliegt, sondern -- darüber hinaus -- bei jeder Unrichtigkeit, die nicht auf einer Willensentscheidung des Gerichts, sondern auf einem Versehen beruht, durch das es, wie bei einem Schreib- oder Rechenfehler, dazu kommt, daß das wirkliche Gewollte nicht zum Ausdruck gelangt (BFH-Beschlüsse vom 6. Juli 1972 VIII B 11/68, BFHE 107, 4, BStBl II 1972, 954; vom 23. April 1996 IV B 151/95, BFH/NV 1996, 770; Senat in BFH/NV 1996, 682).

2. Hiervon ausgehend liegen im Streitfall die Voraussetzungen für eine Berichtigung des Urteils des FG entsprechend dem Antrag des FG vor.

Der Kläger wandte sich mit der Klage gegen den Ansatz der Produktionsfondssteuer und der Preisbestandteile F. u. E. für das erste Halbjahr 1990 im Betrag von 10 915 M. Wie sich aus der Ermittlung der zusammengefaßten Steuerrate durch das FA in dem Berechnungsbogen ergibt, erhöht der Betrag von 10 915 M die Summe der Steuern für das erste Halbjahr mit der Folge, daß sich für diesen Zeitraum eine entsprechend höhere verbleibende zusammengefaßte Steuer in M bzw. Steuerrate in M ergibt. Unter Berücksichtigung der vom Kläger im ersten Halbjahr geleisteten Zahlungen von 16 728 M führt dies zu einer Überzahlung von 5463 M. Die vom FA sodann vorgenommene Zahlungskorrektur durch Ansatz der Überzahlung (Guthaben) mit 50 v. H. = 2731 DM führt im Ergebnis dazu, daß der im Klageverfahren strittige Betrag von 10 915 M (Produktionsfondssteuer und Preisbestandteile F. u. E.) lediglich mit 50 v. H. = 5457 DM in den Betrag der zusammengefaßten Steuerrate von 14 346 M/DM eingeht. Bei Nichtansatz der Produktionsfondssteuer einschließlich der Preisbestandteile F. u. E. vermindert sich sonach der Betrag der zusammengefaßten Steuerrate von 14 346 M/DM nicht um den vollen Betrag von 10 915 M, sondern lediglich um 50 v. H. davon, d. h. um 5457 DM, auf 8889 M/DM.

Wie sich aus dem angefochtenen Urteil ergibt, sah das FG den Ansatz der Produktionsfondssteuer und der Preisbestandteile F. u. E. in Höhe von 10 915 M als nicht gerechtfertigt an. Bei der von ihm sodann lediglich aus diesem Grund vorzunehmenden abweichenden Festsetzung der zusammengefaßten Steuerrate (von ursprünglich 14 346 M/DM) zog es jedoch offensichtlich den Betrag von 10 915 M in voller Höhe unmittelbar von der bisherigen zusammengefaßten Steuerrate ab, ohne die oben dargestellten Rechenschritte durchzuführen; so gelangte es zu einem Betrag von 3431 M/DM. Da der Kläger seinen Klageantrag entsprechend formuliert hatte, führte dies zu der Klagestattgabe in vollem Umfang und zur Tragung der gesamten Kosten durch das FA.

Daß das FG, wie es in seinem die Berichtigung des angefochtenen Urteils insoweit ablehnenden Beschluß ausführt, so wie tenoriert, entscheiden und dem vom Kläger formulierten Klageantrag entsprechen wollte, steht einer Berichtigung nicht entgegen. Denn -- wie ausgeführt -- ist die Berichtigung einer gerichtlichen Entscheidung nicht nur bei einem Irrtum in der Erklärung möglich. Das FG hat hier übersehen, daß sich wegen der Zahlungskorrektur um 50 v. H. der von ihm als unzutreffend angesehene Ansatz der Produktionsfondssteuer und der Preisbestandteile F. u. E. lediglich mit 50 v. H. des entsprechenden Betrags in M auf die in M/DM ausgedrückte zusammengefaßte Steuerrate 1990 auswirken konnte. Der Ansatz der Produktionsfondssteuer und der Preisbestandteile F. u. E. war im finanzgerichtlichen Verfahren nur dem Grunde nach streitig. Aus dem Urteil ergibt sich deutlich, daß das FG die festgesetzte zusammengefaßte Steuerrate lediglich insoweit als unzutreffend angesehen hat, als das FA die Produktionsfondssteuer und die Preisbestandteile F. u. E. in die Berechnung der zusammengefaßten Steuerrate mit einbezogen hat, und daß es der Klage nur insoweit stattgeben wollte. In der Umrechnung des zu eliminierenden Betrags sah das FG kein rechtliches Problem. Das kommt auch darin zum Ausdruck, daß das FG im angefochtenen Beschluß ausführt, es habe dem Antrag des Klägers entsprechen wollen und daß das FA diesem Antrag der Höhe nach zu keinem Zeitpunkt, auch nicht hilfsweise, widersprochen habe. Der Senat sieht darin den Versuch der Darstellung eines Versehens, das auch dem FA unterlaufen sei.

Der Fehler des FG besteht damit lediglich in dem Abzug der von ihm als zu Unrecht angesetzten angesehenen Größe an der falschen Stelle des Rechenvorgangs bzw. in der unterlassenen Umrechnung des Korrekturbetrags für einen Abzug von der vom FA ausgewiesenen zusammengefaßten Steuerrate. Dieser Fehler ist anhand der Akten klar erkennbar. Es liegt damit ein einem Schreib- oder Rechenfehler ähnliches Versehen vor, das darin besteht, daß sich das FG -- wohl auch fehlgeleitet durch den Klageantrag, gegen dessen Höhe das FA nichts eingewandt hat -- bei seiner Entscheidung nicht bewußt war, in welcher Höhe sich die Nichtberücksichtigung des vom Kläger beanstandeten Ansatzes auswirkt. Dieser Fehler des FG kann nicht auf einer Willensentscheidung beruhen. Er beruht offensichtlich darauf, daß das FG in der unzutreffenden Annahme, bei Abzug des vom Kläger begehrten Betrags von der durch das FA ermittelten zusammengefaßten Steuerrate werde das zutreffende Ergebnis erzielt, den Rechenvorgang, wie er sich aus dem Berechnungsbogen des FA ergibt, nicht nachvollzogen hat. Ein einer Berichtigung entgegenstehender Rechtsirrtum oder ein Irrtum bei der Sachverhaltsermittlung ist damit ausgeschlossen. Da das Berichtigungsverfahren nach §107 Abs. 1 FGO lediglich dazu dient, eine Diskrepanz zwischen dem wirklichen und dem gewollten Urteilsinhalt zu bereinigen (Senat in BFH/NV 1996, 682), hatte der Senat das Urteil des FG im übrigen nicht zu prüfen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 67266

BFH/NV 1998, 980

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