Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschränkte Berücksichtigung von Unterhaltsaufwendungen auch bei höherer bürgerlich-rechtlicher Unterhaltsverpflichtung

 

Leitsatz (NV)

1. § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG ist auch in Fällen anzuwenden, in denen sich die Unterhaltspflicht des Steuerpflichtigen gemäß den Kollisionsnormen des Internationalen Privatrechts allein nach deutschem Unterhaltsstatut richtet.

2. Der Unterhaltsaufwand ist von Verfassungs wegen in dem Umfang als besteuerbares Einkommen außer Betracht zu lassen, in dem die Unterhaltsaufwendungen erforderlich sind, um das Existenzminimum von Personen zu gewährleisten, für die der Steuerpflichtige aufgrund im Familienrecht wurzelnder Verpflichtungen aufzukommen hat.

3. Es ist kein Verfassungsgebot, die Unterhaltspflichten eines Steuerpflichtigen in ihrer tatsächlichen Höhe steuermindernd zu berücksichtigen, auch wenn der gewährte Unterhalt das Existenzminimum der unterhaltenen Personen übersteigt. Eine dahin gehende Verpflichtung des Steuergesetzgebers ergibt sich insbesondere auch nicht in Fällen, in denen der Steuerpflichtige nach bürgerlichem Recht höheren Unterhalt leisten muß, aus dem Gebot, dessen eigenes Existenzminimum zu schonen.

 

Normenkette

EStG § 33a Abs. 1 S. 4

 

Tatbestand

Der Kläger machte im Streitjahr (1989) für seine frühere Ehefrau und zwei minderjährige Kinder, die in Südkorea leben und für die er unterhaltspflichtig ist, Unterhaltsleistungen als außergewöhnliche Belastung nach § 33a des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für das Streitjahr geltenden Fassung geltend. Das Finanzamt (FA) erkannte jedoch unter Berücksichtigung der Ländergruppeneinteilung für Korea nur einen Teilbetrag in Höhe von 2/3 der in § 33a Abs. 1 EStG festgesetzten Höchtsbeträge steuermindernd an. Hinsichtlich der Höhe des Unterhaltshöchstbetrages nach § 33a Abs. 1 EStG hat das FA den Bescheid für vorläufig erklärt. Die Klage blieb ohne Erfolg.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Finanzgerichts (FG) richtet sich die Beschwerde des Klägers, mit der grundsätzliche Bedeutung insbesondere im Hinblick auf die Frage geltend gemacht wird, ob der beschränkte Abzug der Unterhaltsaufwendungen nach § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG bei der nicht unerheblichen Zahl von Unterhaltsverpflichteten, die nach deutschem Recht an im Ausland lebende Berechtigte Unterhalt zahlen müßten, verfassungsgemäß sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Die von der Beschwerde sinngemäß aufgeworfene Rechtsfrage zielt zunächst darauf, ob § 33a Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 EStG die Anwendung der ungekürzten Höchstbeträge nach § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG zuläßt, wenn der Steuerpflichtige trotz der Verhältnisse in dem Wohnsitzstaat der von ihm unterhaltenen Personen im wesentlichen den gleichen Unterhalt leisten muß wie ein Steuerpflichtiger, der für unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Personen Unterhalt leistet; nur wenn diese vorrangige Frage zu verneinen ist, können sich die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen zur Anwendung der sog. Ländergruppeneinteilung stellen, gegen die und gegen deren An wendung auch durch die Gerichte nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -- BFH -- (vgl. zuletzt Urteil des erkennenden Senats vom 27. April 1995 III R 57/93, BFH/NV 1995, 967) und des Bundesverfassungsgerichts -- BVerfG -- (vgl. Beschluß des BVerfG vom 31. Mai 1988 1 BvR 520/83, BVerfGE 78, 214, 216) im übrigen keine rechtlichen Bedenken zu erheben sind. Die so gestellte Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, weil sie sich anhand des Gesetzes ohne weiteres beantworten läßt.

Nach § 33a Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 EStG können Unterhaltsaufwendungen für eine nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtige unterhaltene Person nur abgezogen werden, soweit sie nach den Verhältnissen des Wohnsitzstaates der unterhaltenen Person notwendig und angemessen sind, wobei der in § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG festgesetzte Höchstbetrag die Obergrenze bildet. Ob der Steuerpflichtige sich den Aufwendungen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, ist gemäß § 33 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 2 EStG nach inländischen Maßstäben zu beurteilen.§

33a Abs. 1 Satz 4 EStG ist also auch in Fällen anzuwenden, in denen sich die Unterhaltspflicht des Steuerpflichtigen gemäß den Kollisionsnormen des Internationalen Privatrechts allein nach deutschem Unterhaltsstatut richtet. § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG stellt ausschließlich auf den Wohnsitzstaat des Unterhaltsberechtigten ab. Er geht davon aus, daß in Fällen, in denen der Unterhaltsberechtigte im Ausland wohnt, unter Umständen -- bei der im Rahmen der Anwendung des EStG auch sonst im allgemeinen gebotenen typisierenden Betrachtungsweise -- ein im Vergleich zu einem inländischen Unterhaltsbedürftigen verminderter Unterhaltsbedarf bestehen kann. § 33a Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 EStG sieht insbesondere keine Differenzierung danach vor, ob der Unterhaltsanspruch des Steuerpflichtigen sich nach deutschem Unterhaltsrecht oder irgendeinem anderen Unterhaltsstatut richtet. Nur hinsichtlich des Grundes der Unterhaltspflicht, also hinsichtlich der Frage, ob der Steuerpflichtige überhaupt aus sittlichen, tatsächlichen oder rechtlichen Gründen zu Unterhaltsleistungen gezwungen ist, stellt die Vorschrift auf deutsches Recht bzw. die sonst maßgeblichen inländischen Maßstäbe ab.

Grundsätzliche Bedeutung gibt der Rechtssache auch nicht die Frage, ob diese Regelung der steuerlichen Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen an nicht unbeschränkt Steuerpflichtige verfassungsgemäß ist. Denn auch diese Frage ist zu bejahen, ohne daß es dafür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte.

Nach der Rechtsprechung des BVerfG muß der Staat bei Beurteilung der steuerlichen Leistungsfähigkeit den Unterhaltsaufwand für Kinder beim Steuerpflichtigen in dem Umfang als besteuerbares Einkommen außer Betracht lassen, in dem die Unterhaltsaufwendungen erforderlich sind, um das Existenzminimum der Kinder zu gewährleisten. Das gleiche gilt aufgrund des Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes grundsätzlich für den Unterhaltsbedarf anderer Personen -- hier der geschiedenen Ehefrau des Klägers --, für die der Steuerpflichtige aufgrund im Familienrecht wurzelnder Verpflichtungen aufzukommen hat. Soweit Einkommen benötigt wird, um Eltern und Kindern die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, ist es nicht disponibel und kann daher nicht zur Ermittlung der steuerlichen Leistungsfähigkeit herangezogen werden (Entscheidung des BVerfG vom 26. Januar 1994 1 BvL 12/86, BVerfGE 89, 346, BStBl II 1994, 307). Der Gesetzgeber muß daher Unterhaltspflichten Rechnung tragen, und zwar auch denjenigen, die dem Steuerpflichtigen gegenüber Personen obliegen, deren Unterhaltsbedarf nicht durch Gewährung eines Kinderfreibetrages oder von Kindergeld berücksichtigt ist. Es ist aber nicht -- wie der Kläger anzunehmen scheint -- ein Verfassungsgebot, die Unterhaltspflichten eines Steuerpflichtigen in ihrer tatsächlichen Höhe steuermindernd zu berücksichtigen, auch wenn der gewährte Unterhalt das Existenzminimum der unterhaltenen Personen übersteigt. Eine dahin gehende Verpflichtung des Steuergesetzgebers, der Unterhaltsaufwendungen auch in anderen Fällen als denen eines Wohnsitzes der unterhaltenen Personen im Ausland nur in beschränkter Höhe als steuermindernd anerkennt (vgl. §§ 10 Abs. 1 Nr. 1, 33a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, 12 Nr. 2 EStG) und auch bei der Bemessung des Kinderfreibetrages und des Kindergeldes nur das Existenzminimum des Kindes zugrunde legt, ergibt sich insbesondere auch nicht aus dem Gebot, das eigene Existenzminimum des Klägers zu schonen. Denn es ist deswegen nicht erforderlich, die Steuerlast des Klägers wegen seiner Unterhaltspflichten zu mindern; sondern es ist dafür vielmehr dadurch gesorgt, daß nach Maßgabe des bürgerlichen Unterhaltsrechts bei der Bemessung des Unterhalts die von dem Unterhaltsverpflichteten zu entrichtende Einkommensteuer berücksichtigt wird und entsprechend ihrer tatsächlichen Höhe die ihm gegenüber bestehenden Ansprüche, insbesondere auf nachehelichen Unterhalt, zu bemessen sind (vgl. Richter in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 3. Aufl. 1993, BGB § 1578 Rdnr. 34, m. w. N.).

Im übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs i. d. F. des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 20. Dezember 1993 (BGBl I 1993, 2236) ohne Angabe von Gründen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1997, 398

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