Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozeßkostenhilfe für Beschwerde gegen Prozeßkostenhilfeablehnung; Grundstücksveräußerung vor Entstehung der GrESt -nachträgliche Aufhebung des Veräußerungsvorgangs

 

Leitsatz (NV)

1. Prozeßkostenhilfe kann auch für die Beschwerde gegen die Ablehnung eines Prozeßkostenhilfeantrages gewährt werden.

2. Ein Grundstück ,,gehört" i. S. des § 1 Abs. 3 GrEStG Bay zum Vermögen der Gesellschaft, wenn es ihr auf Grund eines unter § 1 Abs. 1 bis 3 GrEStG Bay fallenden Erwerbsvorganges grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist. Dementsprechend gehört ein Grundstück nicht mehr zum Vermögen der Gesellschaft, wenn es zwar noch im Eigentum der Gesellschaft steht bzw. ihr bewertungsrechtlich zugerechnet wird, es aber vor Entstehung der Steuerschuld (§ 1 Abs. 3 GrEStG Bay) Gegenstand eines Veräußerungsvorganges ist.

3. Es ist zweifelhaft, ob bei einer Aufhebung des Veräußerungsvorganges (vgl. Leitsatz 2) rückwirkend angenommen werden kann, die Zugehörigkeit zum Vermögen der Gesellschaft sei nicht beendet worden.

 

Normenkette

FGO §§ 68, 142; GrEStG Bay § 1 Abs. 1; GrEStG Bay § 1 Abs. 2; GrEStG Bay § 1 Abs. 3; GrEStG Bay § 17 Abs. 1; GrEStG 1983 § 1 Abs. 1-4, § 16 Abs. 1; ZPO § 114

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg

 

Tatbestand

Mit der beim FG anhängigen Klage begehrt der Antragsteller (Ast.) die Aufhebung eines GrESt-Bescheids, dem folgender Sachverhalt zugrunde liegt: Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 26. November 1980 erwarb der Kläger (Kl.) sämtliche Anteile an der X-GmbH (GmbH). Diese GmbH hatte mit notariell beurkundetem Vertrag vom 9. September 1980 eine Eigentumswohnung an A und mit weiterem Vertrag vom 14. Oktober 1980 eine Eigentumswohnung an den Ast. verkauft. Beide Kaufverträge wurden am 2. Februar 1981 (Ast.) bzw. am 13. April 1981 (A) wieder vollinhaltlich aufgenommen. Das FA vertritt die Rechtsauffassung, diese Grundstücke seien deshalb rückwirkend wieder i. S. des § 1 Abs. 3 des damals geltenden GrEStG Bay als zum Vermögen der GmbH im Zeitpunkt des Erwerbs sämtlicher Anteile an dieser durch den Ast. gehörig anzusehen; es hat deshalb gegen den Kl. mit dem gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens gewordenen geänderten Bescheid vom 17. Dezember 1984 GrESt in Höhe von . . . DM (das sind 7 v. H. aus der Summe der Einheitswerte beider Eigentumswohnungen) festgesetzt.

Für die Durchführung des Klageverfahrens hat der Ast. beim FG Antrag auf Bewilligung der Prozeßkostenhilfe gestellt und um Beiordnung des Rechtsanwalts B nachgesucht. Das FG hat den Antrag auf Prozeßkostenhilfe abgewiesen. Es ist der Auffassung, die vom Ast. beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Innerhalb der Beschwerdefrist gegen den entsprechenden Beschluß des FG hat der Ast. beantragt, ihm für die Beschwerde gegen diesen Beschluß Prozeßkostenhilfe zu gewähren. Er hat formgerecht erklärt, weder Einkünfte zu beziehen noch Vermögen zu haben. Weiter hat er beantragt, ihm einen Rechtsanwalt beizuordnen.

 

Entscheidungsgründe

Dem Antrag war zu entsprechen.

Nach § 142 FGO i.V.m. § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozeßkostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

1. Der Ast. ist einkommens- und vermögenslos.

2. Das beabsichtigte Beschwerdeverfahren bietet hinreichend Aussicht auf Erfolg. Nach § 1 Abs. 3 GrEStG Bay unterliegt der Steuer u. a. ein Rechtsgeschäft, daß den Anspruch auf Übertragung aller Anteile einer GmbH begründet, wenn zu dem Vermögen dieser Gesellschaft ein (inländisches) Grundstück gehört. Die Vorschrift stellt damit die Anteilsvereinigung bzw. den Übergang aller Anteile den Grundstückserwerben als fingierte Grundstückserwerbe gleich (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 12. Juli 1972 II 81/65, BFHE 107, 53, BStBl II 1972, 913). Daraus folgt, daß die Beantwortung der Frage, ob ein Grundstück i. S. des § 1 Abs. 3 GrEStG Bay zum Vermögen der Gesellschaft ,,gehört", nur aus dem GrESt-Recht selbst erfolgen kann. Ein Grundstück ,,gehört" deshalb schon im Sinne der Vorschrift zum Vermögen der Gesellschaft, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 3 GrEStG Bay der GrESt unterliegenden Vorgang aufgrund eines unter § 1 Abs. 1 bis 3 GrEStG Bay fallenden Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerlich zuzurechnen ist (vgl. Senatsurteil vom 28. Juni 1972 II 77/64, BFHE 106, 138, BStBl II 1972, 719 m.w.N.). Umgekehrt folgt daraus, daß ein Grundstück nicht mehr zum Vermögen der Gesellschaft ,,gehört", wenn es zwar noch in ihrem Eigentum steht bzw. ihr bewertungsrechtlich zugerechnet ist, es aber vor Entstehung der Steuerschuld Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs war. Das FG hat daraus den Schluß gezogen, daß dem grunderwerbsteuerrechtlichen Schicksal des Veräußerungsgeschäfts Bedeutung zukäme, also die Aufhebung eines Verkaufsvertrags rückwirkend auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld aufgrund Verwirklichung des Tatbestands von § 1 Abs. 3 GrEStG Bay bewirke, daß ein veräußertes Grundstück im Sinne der Vorschrift zum Vermögen der Gesellschaft ,,gehöre". Diese Folgerung ist indes nicht so zwingend, daß ihretwegen die hinreichende Aussicht der vom Ast. im Klageweg beabsichtigten Rechtsverfolgung verneint werden muß.

Zwar wird einer Rückgängigmachung des Veräußerungsgeschäfts durch Vertragsaufhebung aufgrund § 17 Abs. 1 GrEStG Bay grunderwerbsteuerrechtlich die Folge beigemessen, daß die aufgrund des Abschlusses des Veräußerungsgeschäfts entstandene Steuer nicht erhoben bzw. erstattet wird. Es ist aber fraglich, ob diese grunderwerbsteuerrechtliche Folge auch für einen zwischenzeitlich verwirklichten Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG Bay in der Weise Auswirkungen hat, daß der aufgehobene Veräußerungsvertrag als nicht bestehend anzusehen ist. Dem könnte entgegenstehen, daß der Aufhebung des Veräußerungsgeschäfts nicht selbst rückwirkende Kraft zukommt, sie vielmehr auf einem nach dem Stichtag für die Entstehung der Steuer aus dem nach § 1 Abs. 3 GrEStG Bay der GrESt unterliegenden Vorgang gefaßten neuen Entschluß beruht.

3. Die Beiordnung des Rechtsanwalts B folgt aus § 142 FGO.

 

Fundstellen

BFH/NV 1986, 115

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