Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung der Vollziehung einer aufgerechneten Forderung
Leitsatz (NV)
Mit einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung einer Steuerforderung, die das Finanzamt gegen einen Steuererstattungsanspruch aufgerechnet hat, kann der Antragsteller keine Erstattung seines Guthabens erreichen (Anschluß an BFH-Urteil vom 17. September 1987 - VII R 50-51/86, BFHE 151, 304, BStBl II 1988, 36). Für einen solchen Antrag kommt dem Steuerpflichtigen aber dennoch wegen des Entstehens von Säumniszuschlägen ein Rechtsschutzbedürfnis zu.
Normenkette
AO 1977 § 226; FGO § 69 Abs. 3
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat durch Urteil vom 16. Dezember 1987 die Klage der Klägerin, Revisionsklägerin und Antragstellerin (Klägerin) gegen den Beklagten, Revisionsbeklagten und Antragsgegner (das Finanzamt - FA -) wegen Körperschaftsteuer 1976 als unbegründet abgewiesen. Gegen das Urteil legte die Klägerin Revision ein, die der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom heutigen Tag als unbegründet zurückgewiesen hat.
Mit Schriftsatz vom 26. April 1989 beantragte die Klägerin beim BFH, die Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheids 1976 vom 9. Juli 1979 in Gestalt der Einspruchsentscheidung auszusetzen. Das FA hatte den Antrag auf Verlängerung der bisher der Klägerin gewährten Aussetzung der Vollziehung mit Schreiben vom 11. April 1989 abgelehnt.
Mit Verfügung vom 10. Mai 1989 rechnete das FA unter anderem die streitige Körperschaftsteuerforderung und daraus angefallene Säumniszuschläge in Höhe von . . . DM gegen Umsatzsteuererstattungsansprüche aus den Voranmeldungen für Februar und März 1989 auf.
Im übrigen wird zu dem Sachverhalt, der dem Antrag zugrunde liegt, auf das Urteil vom heutigen Tag zum Hauptverfahren verwiesen.
Entscheidungsgründe
1. . . .
2. Der Antrag in Sachen Körperschaftsteuer 1976 ist zulässig, aber nicht begründet.
a) Durch die Aufrechnung des FA wurde die Körperschaftsteuerforderung, auf die sich der Antrag bezieht, nicht vollzogen (vgl. BFH-Urteil vom 17. September 1987 VII R 50-51/86, BFHE 151, 304, BStBl II 1988, 36 unter II.3. b bis d der Gründe). Eine Aufhebung der Vollziehung mit Wirkung auf die (nach Antragstellung erfolgte) Aufrechnung des FA kommt daher nicht in Betracht. Das FA bleibt vielmehr trotz Aufhebung (oder Aussetzung) der Vollziehung befugt, gegen eine unstreitige Hauptforderung mit einer Gegenforderung aufzurechnen, die auf einem angefochtenen und einstweilen nicht vollziehbaren Verwaltungsakt beruht (BFH in BFHE 151, 304, BStBl II 1988, 366). Die Klägerin kann sonach mit ihrem Antrag keine Erstattung ihrer Umsatzsteuer-Guthaben erreichen.
Die endgültige Wirksamkeit der Aufrechnung steht zwar erst fest, wenn über die angefochtene Körperschaftsteuerforderung rechtskräftig entschieden ist. Die Wirkungen der Aufrechnung - Erlöschen von Haupt- und Gegenforderung, soweit sie sich aufrechenbar gegenüberstehen (§ 47 der Abgabenordnung - AO 1977 -) - tritt aber bereits mit der Aufrechnungserklärung ein (vgl. BFH in BFHE 151, 304, BStBl II 1988, 366 unter 3. d der Gründe) und steht lediglich unter der auflösenden Bedingung des endgültigen materiell-rechtlichen Bestehens der Gegenforderung. Aufgrund dieser Wirkung kann aber auch das FA keinen (weiteren) Gebrauch von der Körperschaftsteuerforderung machen, deren Aussetzung im Streitfall begehrt wird. Anderes könnte nur dann gelten, wenn das Bestehen der Hauptforderung unsicher wäre. Dafür ist aber nichts erkennbar. Insoweit fehlt es an einem Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin für einen Antrag nach § 69 Abs. 3 FGO.
Der Klägerin kommt aber ein Rechtsschutzbedürfnis wegen des Entstehens von Säumniszuschlägen zu. Ohne Aussetzung der Vollziehung fielen Säumniszuschläge (§ 240 AO 1977) an, wenn die Klägerin später in der Hauptsache obsiegen und sich damit herausstellen würde, daß die Gegenforderung nicht besteht. Diese Säumniszuschläge blieben unberührt von der Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung (§ 240 Abs. 1 Satz 4 AO 1977). Der Senat geht davon aus, daß der Antrag der Klägerin auf die Aufhebung der Vollziehung mit Wirkung für die in der Vergangenheit entstandenen Säumniszuschläge gerichtet ist (vgl. BFH-Beschluß vom 10. Dezember 1986 I B 121/86, BFHE 149, 6, BStBl II 1987, 389), nachdem das FA erstmals bei der nach Antragstellung erfolgten Aufrechnung mitgeteilt hatte, daß Säumniszuschläge angefallen seien.
Fundstellen
Haufe-Index 417020 |
BFH/NV 1991, 172 |