Leitsatz (amtlich)

1. Mehrere Anträge des Klägers, die im Verhältnis von Haupt- und Hilfsantrag stehen, wirken sich auf den Streitwert nicht kumulativ aus. Maßgeblich ist i. d. R. allein der wertmäßig weitestgehende Antrag.

2. Hat der Kläger nur mit dem Hilfsantrag Erfolg, so sind, wenn dieser Erfolg nicht dem mit dem Hauptantrag erstrebten im wesentlichen gleichkommt, die Kosten entsprechend der Gewichtigkeit der Anträge aufzuteilen.

2. Die Frist des § 146 Abs. 2 Satz 2 FGO, innerhalb deren der Streitwert geändert werden kann, beginnt bei Erledigung der Hauptsache erst mit Rechtskraft der Kostenentscheidung.

 

Normenkette

FGO §§ 136, 138, 146

 

Tatbestand

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, wendet sich dagegen, daß ihr, nachdem ein zwischen ihr und dem Beklagten und Beschwerdegener (FA) geführter Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt worden war, durch isolierte Kostenentscheidung die Kosten dieses Rechtsstreits auferlegt worden waren.

Der Hauptsachestreit entstand dadurch, daß das FA Pensionsrückstellungen nicht anerkannte, die die Klägerin im wesentlichen zugunsten zweier Kommanditisten, die zugleich geschäftsführende Gesellschafter der Kommplementär-GmbH waren, gebildet hatte. Der steuerliche Gewinn war dadurch um insgesamt 203 896 DM gemindert worden, und zwar um 3 271 DM zugunsten eines Pensionsrückstellungsverrechnungskontos der GmbH und um 161 645 DM bzw. um 38 980 DM zugunsten der Pensionsrückstellungen für die Gesellschafter A und B Das FA erhöhte bei der einheitlichen Gewinnfeststellung den Gesamtgewinn um die genannten und die Gewinnanteile der beiden Gesellschafter um die auf sie entfallenden Beträge. Gegen den einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid, an dessen Stelle im Laufe des finanzgerichtlichen Veriahrens gemäß § 68 FGO ein aufgrund einer Betriebsprüfung geänderter, einen Gesamtgewinn der Klägerin von 7 265 413 DM feststellender Bescheid trat, wandte sich die Klägerin mit der Sprungberufung. Sie hielt die vom FA vorgenommene und auch im Berichtigungsbescheid wegen Nichtanerkennung der Pensionsrückstellungen aufrechterhaltene Erhöhung des Gewinns für unrichtig. Darüber hinaus beantragte sie im Laufe des finanzgerichtlichen Verfahrens, für den Fall, daß die Auffassung des FA als zutreffend anerkannt werde, "die Zustimmung gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG zu einer Änderung der Bilanz zu erteilen, indem in dieser eine Passivierung der Pensionsrückstellung in dem strittigen Umfang nicht erfolgt".

Nachdem das für den Hauptsachestreit einschlägige Urteil des Senats vom 16. Februar 1967 IV R 62/66 (BFHE 87, 531, BStBl III 1967, 222) ergangen war, das eine gewinnmindernde Zuführung zu Pensionsrückstellungen für Gesellschafter-Geschäftsführer einer Personengesellschaft nicht anerkannte, schlug die Klägerin zur Erledigung des Rechtsstreits vor, daß das FA einen neuen Feststellungsbescheid erlasse, in dem zwar der Gewinn nicht um den ursprünglich streitigen Pensionsaufwand gemindert, die insoweit eingetretene Gewinnerhöhung aber entsprechend der Entscheidung IV R 62/66 nach dem Gewinnverteilungsschlüssel aufgeteilt werde. Nachdem ein solcher Bescheid am 2. Juli 1968 ergangen war, erklärten beide Beteiligte die Hauptsache für erledigt und beantragten jeweils, dem Gegner die Kosten aufzuerlegen, wobei die Klägerin davon ausging, "Beschwer" sei die Gewinnerhöhung bei den beiden betroffenen Gesellschaftern gewesen, während das FA die Höhe des Gesamtgewinns als Gegenstand des Prozesses ansah.

Das FG legte die Kosten des Verfahrens der Klägerin zur Last und führte aus, bei der hier nach § 138 Abs. 1 FGO zu treffenden Kostenentscheidung seien die Kosten demjenigen aufzuerlegen, der im Prozeß voraussichtlich unterlegen wäre. Das sei hier die Klägerin, weil diese ihr Ziel, durch Zuführung von Beträgen zu Pensionsrückstellungen den Gesamtgewinn des Unternehmens zu mindern, im Hinblick auf das Urteil des BFH IV R 62/66 nicht hätte erreichen können. Allein auf dieses Ziel sei die Klage zunächst gerichtet und von einer ungünstigen Gewinnverteilung unter den Gesellschaftern nicht die Rede gewesen, so daß der Klägerin nicht darin gefolgt werden könne, daß die Klage allein wegen der in der Gewinnverteilung auf die beiden Gesellschafter-Geschäftsführer liegenden Beschwer erhoben worden sei. 1m übrigen hätte das Gericht voraussichtlich diese Gewinnverteilung auch nicht geändert.

Das FG setzte den Streitwert mit 25 % des streitigen Gewinnerhöhungsbetrages von 203 896 DM = 50 974 DM fest.

Mit ihrer Beschwerde beantragt die Klägerin, den Kostenbeschluß des FG aufzuheben und die Kosten dem FA aufzuerlegen. Sie führt aus, maßgeblich für die Kostenentscheidung sei hier, wer den Prozeß geführt habe und für wen er geführt worden sei. Die Geschäftsführung der KG habe den Prozeß nur aufgrund der ihr gemäß § 48 Abs. 1 FGO eingeräumten Klagebefugnis für die beiden Gesellschafter-Geschäftsführer geführt. Durch die Feststellung der Summe der Gewinne aller Gesellschafter könne niemand beschwert und deshalb niemand sach- oder klagebefugt sein. Erst die Aufteilung des Gesamtgewinns einer Gesellschaft auf die einzelnen Gesellschafter berühre die Rechte von Personen und greife in deren Rechtssphären ein. Nur hierin könne eine Beschwer gesehen werden. Deshalb könne im Prozeßwege auch nicht die Feststellung des Gesamtgewinns als solche angegriffen werden. Diese könne nur im Rahmen der Beschwer der klagenden Gesellschafter, für die die Geschäftsführung in Prozeßstandschaft auftrete, inzident geprüft werden. Unzutreffend sei die Feststellung des FG, das FA habe durch die Änderung des angefochtenen Bescheides dem Klageantrag nicht entsprochen; denn das FA habe durch den neuen Bescheid den Gesamtgewinn gerade so aufgeteilt, daß auf die beiden Gesellschafter-Geschäftsführer - wenn auch aus anderen Gründen - so viel entfallen sei, wie beantragt gewesen sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde führt zu einer anderweitigen Festsetlung der Kostentragungspflicht.

1. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß hier nach Erledigung der Hauptsache die Kostenentscheidung nach § 138 Abs. 1 FGO zu treffen war. Wenn die Klägerin dem zustimmt, gleichzeitig aber annimmt, das FA habe mit dem Erlaß des Änderungsbescheides vom 2. Juli 1968 dem Klageantrag entsprochen, so ist das widersprüchlich; denn dann hätte die Kostenentscheidung nach § 138 Abs. 2 FGO ergehen müssen. Es kann aber keine Rede davon sein, daß das FA dem Klageantrag entsprochen hat. Denn dieser Klageantrag war zu Beginn des Prozesses sogar ausschließlich, auch später aber in erster Linie auf eine Herabsetzung des Gesamtgewinns um die streitigen 203 896 DM gerichtet. Dieses Klagebegehren konnte auch von der KG im Rahmen ihrer Klagebefugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO selbst erhoben werden. Daß von der Geschäftsführung der Klägerin nur für die beiden Gesellschafter-Geschäftsführer hätte geklagt werden können, weil nur durch die Aufteilung, nicht aber durch die Feststellung des Gesamtgewinns eine Beschwer auftreten könne, trifft nicht zu (vgl. Urteil des Senats vom 4. Mai 1972 IV 251/64, BFHE 105, 449, BStBl II 1972, 672). Bei einem Streit über die Gewinnhöhe ist die KG selbst als die Gesamtheit der in ihr zusammengeschlossenen Gesellschafter beschwert, und zwar, wenn der Gewinnverteilungsschlüssel auch hinsichtlich des streitigen Gewinnteiles zur Anwendung kommt, sogar nur die KG, wie sich aus § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO und der Auslegung dieser Vorschrift durch den Senat im Urteil IV 251/64 ergibt. Es folgt hieraus, daß hinsichtlich der primären Streitfrage, ob zu Lasten des Gewinnes 203 896 DM einer Pensionsrückstellung zugeführt werden konnten, dem Antrag der Klägerin nicht entsprochen worden war. Da diesem Antrag auch bei Durchführung des Hauptsacheverfahrens angesichts der inzwischen eindeutigen Rechtsprechung des BFH kein Erfolg beschieden gewesen wäre, hat das FG insoweit der Klägerin als der voraussichtlich im Prozeß unterlegenen Partei zu Recht die Kosten des Verfahrens auferlegt.

2. Der Umstand, daß die Klägerin für den Fall, daß ihrem auf Gewinnherabsetzung gerichteten Hauptantrag nicht entsprochen wird, einen auf eine andere Verteilung des streitigen Mehrgewinns gerichteten Hilfsantrag gestellt hat, dem im Ergebnis vom FA entsprochen wurde, kann allerdings nicht unberücksichtigt bleiben. Die Frage, wie diese Berücksichtigung erfolgen könnte, richtet sich zunächst danach, wie sich die Stellung des Hilfsantrages auf den Streitwert auswirkt. Da der Hilfsantrag sich nicht innerhalb des vom Hauptantrag gesteckten Rahmens hält (z. B. nicht ebenfalls auf eine wenn auch vielleicht geringere oder anders motivierte Gewinnherabsetzung gerichtet ist), sondern auf etwas ganz anderes, nämlich auf eine andere Gewinnverteilung abzielt, und da Haupt- und Hilfsantrag, würden sie gesondert gestellt, jeder für sich einen eigenen, den des anderen nicht überdeckenden Streitwert hätten, könnte daran gedacht werden, jedenfalls dann, wenn wie hier die Bedingung für den Hilfsantrag eintritt, die beiden Streitwerte ähnlich wie bei einer objektiven Klagenhäufung zu einem Gesamtstreitwert zusammenzuziehen und, wenn der Hilfsantrag berechtigt war, die Kosten im Verhältnis der Teilstreitwerte aufzuteilen. Der Senat folgt jedoch diesem Gedanken nicht, der letztlich nur dazu führen würde, daß die Streitwerte ungerechtfertigt aufgebläht würden, wodurch ein Kläger im Falle seines Durchdringens mit dem Hilfsantrag kaum einen Vorteil, im Falle seines vollständigen Unterliegens aber einen erheblichen Nachteil hätte. Der Senat ist somit in Übereinstimmung mit der im Prozeßrecht herrschenden Meinung der Auffassung, daß mehrere Anträge, wenn sie im Verhältnis von Haupt- und Hilfsantrag stehen, sich in bezug auf den Streitwert nicht kumulativ auswirken, sondern gegenseitig konsumieren, so daß in der Regel der Antrag mit dem höchsten Wert für den Streitwert allein maßgeblich ist (vgl. Stein-Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 19. Aufl., § 5 Anm. 2; Wieczorek, Zivilprozeßordnung und Nebengesetze, § 5 Anm. B II b; Furtner, Juristenzeitung 1958 S. 727).

Im Streitfall richtet sich somit der Streitwert nach dem streitig gewesenen Rückstellungsbetrag, in dessen Höhe nach dem voraussichtlichen Verlauf des Prozesses der Gewinn zwar nicht zu mindern, aber anders zu verteilen gewesen wäre. Daß der Hilfsantrag auf abweichende Verteilung begründet gewesen wäre, ergibt sich aus dem Urteil IV R 62/66. Sein Erfolg kann auch nicht etwa dadurch in Frage gestellt werden, daß das FG ausführt, es hätte voraussichtlich die der Rechtsprechung widersprechende ursprüngliche Gewinnverteilung bestätigt. Denn für die Frage, wie der in der Hauptsache erledigte Prozeß voraussichtlich ausgegangen wäre, muß von einer zutreffenden rechtlichen Würdigung ausgegangen werden, die sich hier sowohl hinsichtlich der Gewinnhöhe als auch der Gewinnverteilung aus der Rechtsprechung des BFH zur Pensionsrückstellung ergab. Ist Ausgangspunkt somit ein erfolgreicher Hilfsantrag, so bedeutet das nach Auffassung des Senats aber nicht, daß die Klägerin nunmehr keine Kosten zu tragen hätte. Zwar wird diese Auffassung für den Zivilprozeß und die Anwendung des § 92 ZPO vertreten (vgl. z. B. Furtner, a. a. O.; vgl. auch Entscheidung des BGH vom 21. Februar 1962 IV ZR 235/61, NJW 1962, 915 - nur Leitsatz -). Das kann aber, wie auch dort betont wird, nur bei Gleichwertigkeit von Haupt- und Hilfsantrag, und zwar nach Auffassung des erkennenden Senats auch nur bei Gleichwertigkeit in dem Sinne gelten, daß ein Kläger auch mit dem Hilfsantrag im wesentlichen das erreicht, was er mit dem Hauptantrag erreichen wollte. Hiervon kann aber im Streitfall nicht gesprochen werden. Es ist vielmehr im Gegenteil bei der gemäß § 138 Abs. 1 FGO nach billigem Ermessen zu treffenden Kostenentscheidung zu berücksichtigen, daß der Mißerfolg des Hauptantrages den Erfolg des Hilfsantrages überwog. Der Senat hält es daher bei Berücksichtigung aller Umstände für angemessen, die Kosten des gesamten Verfahrens der Klägerin zu 2/3 und dem FA zu 1/3 aufzuerlegen.

3. Allerdings ist bei der Entscheidung der vom FG angesetzte Streitwert zu korrigieren. Eine solche Korrektur kann während der Frist des § 146 Abs. 2 FGO erfolgen. Das Verbot der reformatio in peius gilt insoweit nicht (BFH-Urteil vom 19. November 1971 III B 29/71, BFHE 103, 316, BStBl II 1972, 85). Die Frist ist im Streitfall noch nicht abgelaufen, da sie bei Erledigung der Hauptsache erst mit Rechtskraft der Kostenentscheidung beginnt (vgl. zu dem mit § 146 Abs. 2 Satz 2 FGO wörtlich übereinstimmenden § 23 Abs. 1 Satz 4 GKG Mielke, Gerichtskostengesetz, § 23 Anm. 6). Der Streitwert muß deshalb erhöht werden, weil im Streitfall der Gesamtgewinn der Klägerin über 7 Millionen DM und die Gewinnanteile der Gesellschafter-Geschäftsführer über 600 000 DM bzw. über 700 000 DM betrugen, so daß der Streitwert nicht, wie dies das FG getan hat, mit dem sonst üblichen Satz von 25 v. H., sondern wegen der Gewinnhöhe mit 50 v. H. des streitigen Gewinnbetrages von 203 896 DM, sohin mit 101 948 DM festzusetzen ist (vgl. BFH-Urteil vom 26. Januar 1968 VI R 131/66, BFHE 91, 413, BStBl II 1968, 342).

 

Fundstellen

BStBl II 1973, 505

BFHE 1973, 14

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