Entscheidungsstichwort (Thema)

Form des Antrags auf Wiedereinsetzung

 

Leitsatz (NV)

Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Rechtshandlung gelten (§ 236 Abs. 1 ZPO). Deshalb muß der eine Revision betreffende Antrag von einer vor dem BFH postulationsfähigen Person gestellt sein.

 

Normenkette

ZPO § 236 Abs. 1; FGO § 155; BFHEntlG Art. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) veranlagte die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, durch Bescheide vom 2. Juni 1983 zur Körperschaftsteuer 1980 und 1981 sowie durch Bescheide vom 10. Juni 1983 zur Umsatzsteuer und Gewerbesteuer 1980 und 1981. Mit Schreiben vom 12. September 1983 brachte die Klägerin beim FA vor, gegen diese Bescheide bereits am 15. Juni 1983 Einspruch eingelegt zu haben. Die Kopie eines Einspruchsschreibens mit der Datumsangabe des 15. Juni 1983 war beigefügt. Die Klägerin beantragte ,,Wiedereinsetzung in den vorigen Stand . . . für veranlagte Steuern 1980 und 1981". Das FA gewährte keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und verwarf die Einsprüche als unzulässig.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Das Urteil des Finanzgerichts (FG) wurde der Klägerin durch die Post mit Zustellungsurkunde am 26. April 1985 zugestellt.

Am 10. Juli 1985 ging beim FG ein Schreiben der Klägerin vom 8. Juli 1985 ein. In dem Schreiben ist ausgeführt:

,,Unsere Steuerbevollmächtigten, die Fa. H-GmbH, Berlin, hat gegen das Urteil Revision eingelegt. Aus Ihrem Hause hören wir aber, daß diese Revision nicht angekommen sein soll. Nachdem aber die Revisionsschrift persönlich in Ihren Kasten geworfen sein soll, muß das Schreiben bei Ihnen sein. Sie erhalten mit diesen Zeilen nochmals eine Fotokopie dieser Revisionsschrift, und wir beantragen jetzt schon hilfsweise Einsetzung in den früheren Stand."

Die erwähnte Fotokopie einer unter dem Datum des 24. Mai 1985 gefertigten Revisionsschrift nennt als Absender ,,H, Wirtschaftstreuhand u. Grundstücksverwaltung, Berlin". Ein Schreiben der Geschäftsstelle des erkennenden Senats an diesen Absender mit der Bitte um Nachweis, ob er Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer und damit gemäß Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932) i. .d. F. des Gesetzes vom 14. Dezember 1984 (BGBl I 1984, 1514, BStBl I 1985, 8) vor dem Bundesfinanzhof (BFH) vertretungsbefugt sei, wurde nicht beantwortet.

Die vorgenannte Fotokopie einer Revisionsschrift nennt als Antrag der Klägerin, ,,durch die Revision festzustellen, daß die geänderten Steuerbescheide 1980 und 1981 . . . zu ändern sind, unabhängig der Tatsache, daß die Einsprüche ggf. verspätet eingelegt wurden".

Das FA hat sich nicht geäußert.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig, weil sie nicht innerhalb der gesetzlichen Frist eingelegt und begründet worden ist (§§ 124 und 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Revision bei dem FG innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich einzulegen. Das Urteil des FG wurde der Klägerin am 26. April 1985 zugestellt; die Revision hätte spätestens am 28. Mai eingelegt werden müssen. Aus dem Schreiben der Klägerin vom 8. Juli 1985 ist zu folgern, daß dem FG zu diesem Zeitpunkt keine Revision der Klägerin vorlag. Damit ist die Revisionsfrist nicht gewahrt.

2. Wegen dieser Fristversäumung kann der Klägerin nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Der Antrag auf Wiedereinsetzung entspricht nicht der gesetzlich vorgesehenen Form.

Nach § 155 FGO i. V. m. § 236 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) richtet sich die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozeßhandlung gelten. Dem genügt der Antrag der Klägerin vom 8. Juli 1985 nicht. Er ist nicht von einer vor dem BFH postulationsfähigen Person gestellt und unterschrieben.

Vor dem BFH muß sich - wie auch aus der Rechtsmittelbelehrung in dem angefochtenen Urteil hervorgeht - jeder Beteiligte, sofern es sich nicht um eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder um eine Behörde handelt, durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen (Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG). Fehlt es, wie offensichtlich im Streitfall, an diesem Erfordernis der ordnungsmäßigen Vertretung durch einen Angehörigen der in Art. 1 Nr. 1 Satz 1 BFHEntlG aufgeführten Berufsgruppen (Prozeßhandlungsvoraussetzung; vgl. dazu Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 13. Aufl., § 45 II 1 S. 238), so ist die betreffende Prozeßhandlung - im Streitfall der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - unwirksam.

3. Mithin kommt es nicht darauf an, ob der Antrag innerhalb der Frist gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO gestellt wurde und ob Tatsachen zur Begründung des Antrags in zureichender Weise geltend und glaubhaft gemacht worden sind (§ 56 Abs. 2 Satz 2 FGO; vgl. BFH-Beschluß vom 20. Juli 1983 II R 211/81, BFHE 139, 15, BStBl II 1983, 681). Weiter kann dahinstehen, ob mit der Vorlage der Fotokopie einer Revisionsschrift die versäumte Rechtshandlung zulässig nachgeholt wäre (§ 56 Abs. 2 Satz 3 FGO) und ob der Verfasser dieser Revisionsschrift zu dem nach Art. 1 Nr. 1 Satz 1 BFHEntlG vertretungsbefugten Personenkreis gehört.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414234

BFH/NV 1986, 553

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